Kapitel 46
Veronika
Es gab genau zwei Dinge, die Veronika aufrecht hielten, während die Sonne ihr auf den Kopf knallte und sie dabei zusah, wie der Sarg ihrer Mutter in den noch vom Morgentau feuchten Boden gelassen wurde.
Die erste war Hitchs Anwesenheit und die simple Tatsache, dass er ihre Hand hielt. Die Zweite, dass ihr Vater sie und ihn ansah, als würde er sie gleich beide mit vergraben wollen. Veronika hatte natürlich nicht vergessen, dass ihr Vater gesagt hatte, sie solle alleine zur Beerdigung kommen. Und Timothy Woodhall schien tatsächlich geglaubt zu haben, sie würde auf diese unsinnige Forderung hören.
Doch als sie mit Hitch aus dem Taxi gestiegen war, kurz bevor die Trauerzeremonie hatte beginnen können, hatte sie nichts weiter als blanke Wut in dem Gesicht ihres Vaters gesehen. Da würde ihr sicher noch eine Diskussion ins Haus stehen und Veronika versuchte daraus eine Art Genuss zu ziehen, denn nichts Anderes war gut an dieser Situation.
Von dem Anlass an sich, bis hin zur Tatsache, dass ihr Vater ebenfalls nicht alleine gekommen war. An seiner Seite stand eine wesentlich jüngere, hübsche Frau, die sogar ein Kleinkind auf dem Arm hatte, das ihrem Vater verdächtig ähnlich sah.
Dieser Scheißkerl hatte ihre Mutter also offensichtlich betrogen und war gleich mit der Geliebten zur Beerdigung gekommen. Verfluchter Wichser. Wenn sie noch einen Grund gebraucht hätte, um ihren Vater die Pest an den Hals zu wünschen, hatte sie diesen jetzt bekommen. Pietetloser konnte es kaum werden und Veronika war deutlich nicht die Einzige, die derselben Meinung war.
Sie bemerkte deutlich die Blicke der Anderen um sie herum. Freunde von ihrer Mutter, Leute aus derselben Gesellschaftsschicht, die nichts anderes hatten, um sich zu echauffieren. Mitleid hatte sie allerdings nicht. Dass diesmal nicht Veronika und ihr Ex Kunst-Leherer das Klatschtema Nummer eins, waren, war eine ganz neue Erfahrung.
Als der Pfarrer seine Ansprache gehalten hatte, die Veronika bestenfalls zur Hälfte hatte folgen können, ging es daran, Erde auf den Sarg ihrer Mutter fallen zu lassen und Veronika kam dieser Pflicht nach, bevor sie begann, die Trauerbekundungen der anderen Gäste entgegenzunehmen.
Die Gesichter der Leute kamen ihr nur wage bekannt vor, aber sie war dennoch froh eine große schwarze Sonnenbrille auf der Nase zu haben, die ihren Wut verzerrten Blick bei einiger dieser Leute verdeckte.
Zu ihrer Überraschung weinte sie nicht. Sie hatte nach dem erhalt der Nachricht über den Verlust ihrer Mutter genug getrauert und den bereits in vier ihrer Bilder verarbeitet. Der Klos in ihrem Hals war alles, was sie spürte, gefolgt von dem unbändigen Drang Rache für ihre Mutter zu üben.
Sie war für Veronika nie eine besonders gute Mutter gewesen sein, aber sie hatte es zumindest versucht. Irgendwie. Etwas, was man von ihrem Vater nicht behaupten könnte.
"Croffort, sie sind es tatsächlich", meinte plötzlich eine Frau, die Veronika als eine ihrer ehemaligen Lehrer identifizierte. Und die Bilder dich ihr dabei aufstiegen, waren alles andere als angenehm.
Hitch lächelte.
Er hasste es bei seinem Vornamen genannt zu werden und mittlerweile wusste Veronika auch wieso.
Es war nicht sein Name, sondern der seines Vaters und es bereitete ihn Schmerzen ihn zu hören. Nicht weil er seinen Vater gehasst hätte, sondern weil er ihn vermisste. Er war gestorben als Hitch noch sehr jung gewesen war. Dafür lebte seine Mutter noch in Pennsylvania, in demselben Haus, in dem Hitch aufgewachsen war und wo er und V dieses Jahr Weihnachten verbringen würden.
"Allerdings. Ich bin mit Veronika hier", meinte er und lächelte verschlagen als vermeintliches Verstehen in den Blick von Veronikas ehemaliger Lehrerin trat.
Aber sie verkniff sich einen Kommentar. Es würde sich in Windeseile verbreitet haben, dass Veronika mit ihrem ehemaligen Lehrer zusammen war und sicherlich für einen weiteren Skandal um sie herum sorgen, sobald die Presse ebenfalls davon erfuhr.
Doch das war V egal, denn alles, was sie herausfinden könnten, wäre sowieso egal. Hitch gab keinen Unterricht mehr an Schulen und dass er jetzt mit einer ehemaligen Schülerin zusammen war, war alleine ihr Problem. Doch das schien ihre ehemalige Lehrerin nicht ganz so zu sehen.
"Oh. Das ist nett, dass sie noch solche Beziehungen zu ehemaligen Schülern pflegen. Der Kunst-Unterricht hat ja sie junge Miss Woodhall wohl vor schlimmeren Abrutschen bewahrt", erwiderte sie und Veronika hätte dieser Kuh fast eine gescheuert.
Sie konnte sich ihre zwischen den Zeilen-Beleidigungen sonst wo hinschieben und gerne versuchen, die Sache zwischen ihr und Hitch misszuverstehen. Aber Veronika würde sich das sicher nicht bieten lassen.
"Und Sie Miss Johnas? Pflegen sie noch Kontakte zu ehemaligen Schülern oder rennen diese schreiend davon, wenn sie Sie sehen und versuchen, ihr Leben trotz der Erfahrung mit ihnen alleine in den Griff zu bekommen? Sie sollten über einen Berufswechsel nachdenken. Dass sie eine weitere Generation mit ihren Vorurteilen vergiften, sollte sich diese Gemeinde definitiv noch einmal überlegen. Ich sollte das dringend mit dem Bürgermeister besprechen, ich denke nach einer großzügigen Spende zu seiner nächsten Wiederwahl ist er mehr, als gewillt mir zuzuhören", meinte sie trocken und rieb damit ihrer ehemaligen Lehrerin nicht nur ihre Meinung, sondern auch ihren Erfolg so demonstrativ unter die Nase, dass sie es gar nicht übersehen konnte.
Hitch neben ihr beugte sich zu ihr herab, ließ seinen Finger mit einer Zärtlichkeit über ihre Wange gleiten, dass niemand, der sie zusammen sah, seine Anwesenheit je auch nur ansatzweise missverstehen konnte. Er war nicht als ihr Lehrer und Mentor hier, sondern als ihr Geliebter.
"Lass es gut sein, Kitten. Du weißt, wie verbohrt und rückständig diese ganzen Kleinstadtleute sind", meinte er nur und zog Veronika von der Reihe der Leute weg, die Veronika nicht wirklich ihr Beileid aussprechen wollten, sondern eigentlich nur zu tratschen versuchen. Mit ihr, der skandalösen Malerin, die mit ihrem ehemaligen Lehrer aufgetaucht war.
Als sie sich wieder beruhigte, drückte ihr Hitch einen Kuss auf die Schläfe und Veronika verklemmte sich regelrecht in seiner Hand.
Sie war so froh, nicht alleine gekommen zu sein. Egal wie wütend ihr Vater sie über das Grab ihrer Mutter hinweg anstarrte.
"Dein Vater scheint von meiner Anwesenheit nicht so begeistert. Wie überaus erheiternd", meinte Hitch dann und brachte sie damit zum Schmunzeln.
"Ich bin es dafür umso mehr", gestand Veronika ihm und sah zu ihm hoch. Wieder küsste Hitch sie, diesmal aber sanft auf die Lippen und für diesen einen Moment vergaß Veronika alles um sich herum. Selbst diesen Stein in ihrem Magen, der sie drohte, mit ins Grab ihrer Mutter zu ziehen.
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Let me Deep, Kitten - Seven Sins
RomanceSie war nie die Protagonisten in ihrer eigenen Geschichte gewesen. Nicht, als die Klischee Neue ihr, dem beliebtesten Mädchen der Schule, den Freund ausspannte und dann auch noch, sie selbst die Böse in dem Spiel sein sollte, und auch nicht als sie...