*Lesenacht Kapitel 4/5*
Kapitel 13
Hitch
Er war bereits kurz davor, die zweite Flasche Scotch zu öffnen, während er auf das Gemälde starrte, dass wohl zu seinem Meisterstück gekürt werden würde, sobald es fertig war. Allerdings nur, wenn es irgendwann jemand anderes abgesehen von ihm selbst jemals zu Gesicht bekommen würde. Bereits die Skizze hatte ihn davon überzeugt, dass Letzteres wohl nie passieren würde. Niemals könnte er dieses Bild der Öffentlichkeit präsentieren. Nicht, weil er das Motiv skandalöser Weise eine Frau zeigte, die einmal seine Schülerin gewesen ist, sondern weil es einfach zu privat war.
Es zeigte zu viel von dem, was er wollte, was seine Seele am allermeisten begehrte und das ging tiefer als er es sich je eingestehen würde. Er hätte es bei dieser Skizze belassen sollen. Er hätte nie anfangen sollen, es auf eine Leinwand zu bannen. Niemals. Dann wäre es leichter gewesen zu ignorieren, was gerade mit ihm geschah.
Er war verknallt.
Das war ihm zuletzt vor zehn Jahren passiert als er auf dem College gewesen war und seine Leidenschaft für das Malen wirklich hatte ausleben zu können. Danach hatte es einige Frauen gegeben, die er gemocht hatte, die ihm inspiriert hatten, aber mehr nicht.
Keine Frau hatte es geschafft, ihn dermaßen zu berühren, dass er ein Bild von ihr als sein Meisterwerk bezeichnen würde. Dann war Veronika gekommen. Eine junge Frau, die für ihn nicht nur Tabu war, sondern eine, die er gerade einmal flüchtig kannte. Es war verrückt.
Entschlossen, das Bild niemals fertig zu stellen, griff Hitch nach der Leinwand und stellte sie hinter eine Ansammlung anderer Bilder, deren Motiv weniger verwirrend und persönlich waren.
Dennoch sah er Veronikas Gesicht, das er in einem halb-profil eingefangen hatte. Ihre grünen Augen starrten ihn zwischen zwei anderen Bildern hindurch an, den Schmollmund leicht geöffnet, ihre Hände umklammerten einen seidenen Stoff, der ihre nackten Schultern frei ließ und den Rest ihres Körpers vor der Welt verbarg.
Der seidige Stoff bestand immer noch als lässigen Bleistiftlinien, nur ihr Gesicht, ihr langes Haar und ihre Hände waren bereits mit groben Pinselstrichen gemalt. Besser als es ihm je zuvor gelungen war. Besser als es ihm je wieder gelingen würde.
Das hier war sein Meisterwerk und es würde für immer unvollständig bleiben. Das wusste er. Er würde sich für den Rest seines Lebens damit quälen es fertigstellen zu wollen und doch niemals tun zu können. Er würde es sich nicht wagen, dieses Bild jemals anzufassen, geschweige den die Frau, die dafür unfreiwillig Modell gestanden hatte.
Hitch fluchte, griff erneut nach der Leinwand und drehte sie mit dem Motiv Richtung Tapete, bevor er sie abermals hinter anderen Staffeleien stellte. Besser. So konnte er es stehen lassen, so konnte er mit der Anwesenheit dieses Bildes leben.
Ein Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken und mit einem Blick auf die Uhr seines Wohnzimmers, das ihm auch als Attellei diente, erkannte er, dass es definitiv nicht der Galerist sein konnte, der fast vor Nervosität durchdrehte, weil Hitch immer noch nicht alle Bilder für seine Ausstellung fertig hatte.
Wer also war es, der um diese Zeit an seiner Tür klingelte? Hatte ein Fan, seine private Adresse herausbekommen? Bei der Vorstellung verzog er schlecht gelaunt das Gesicht und war jetzt bereits überfordert.
Noch vor zwei Jahren hatte er die Aufmerksamkeit genossen, die mit dem Erfolg einherging, aber mittlerweile war er den Frauen müde geworden, die sich ihm an den Hals warfen, um als nächste Muse gelten zu dürfen.
Es klingelte ein zweites Mal und Hitch, trat schlecht gelaunt zu seiner Eingangstür, riss sie auf und wollte die junge Frau dahinter gerade anfahren, als zwei große, grüne Augen zu ihm aufsahen. Augen, die ihn seit Wochen wie ein Fluch verfolgten.
Veronika.
Für eine Sekunde, dachte er es wäre eine Halluzination, eine heimtückische Einbildung, die sich in seinen Kopf geschlichen hatte und nun seinen Verstand einnahm. Aber das war es nicht.
Er wusste, sie war hier. Ihr Gesicht war komplett ungeschminkt, die mittlerweile dunkel gefärbten Haare zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammengebunden und im Arm hielt sie ein Heft und ein Mäppchen an ihre Brust gedrückt.
"Wie kommst du hierher?" fragte Hitch noch etwas neben sich und Veronika hob spöttisch eine Augenbraue.
"Uber." war die schlichte Antwort und sein Blick fiel auf ihre Finger, wo sich dunkle Farbe, wohl nicht ganz abwaschen ließ.
"Du hast dir die Haare gefärbt", stellte er das absolut offensichtliche fest und Veronika zuckte mit den Schultern.
"Hatte Lust dazu. Sieht es sehr schlimm aus?", fragte sie und berührte eine ihrer Haarsträhnen. Im schwachen Licht der Eingangsbeleuchtung sahen sie fast schwarz aus, aber er ahnte, dass es eher ein dunkles Braun sein musste, denn er erkannte ein kurzes rötliches Aufblitzen.
"Rot würde dir besser stehen, es passt zu deinem Teint", meinte er trocken und Veronikas Gesichtszüge verzogen sich zu einem sarkastischen Lachen.
"Nein. Dann seh ich aus wie ein Troll, glaub mir." Darauf erwiderte Hitch nichts, sah sie einfach nur weiter an und wusste, rein rational, dass er sie nicht hereinlassen sollte, wenn sie-.
"Darf ich hereinkommen?" fragte sie und er machte einen Schritt zurück und ließen sie tatsächlich eintreten. Als hätte er sich nicht gerade noch selbst erklärt, warum das an Wahnsinn grenzte. Doch es war zu spät. Veronika lächelte dankbar und glitt an ihm vorbei, wobei der leichte blumige Duft, der sie immer umhüllte, seine Synapsen traf und seine Hände zuckten ließen. Er wollte nach ihr greifen wollte. Er wollte ihre Hand packen, sie an sich ziehen und -.
"Willst du dir Tür nicht schließen?" fragte sie, weil Hitch immer noch wie ein Idiot die Tür aufhielt, während Veronika bereits in seinem Wohnzimmer stand.
Er ließ die Haustür mit einem lauten Rums zurück ins Schloss fallen und spürte wie der Zorn in ihn aufwallte.
Sie wusste es doch. Veronika war alles andere als dumm. Sie wusste, was er von ihr wollte und dass ihr Vater vor Wut im Dreieck springen würde, wenn er erfuhr, dass seine Tochter bei Hitch war. Und sie wusste auch, dass es zu nichts Gutem führte, wenn sie hier blieb. Spätabends. In seinem Haus.
"Du solltest nicht hier sein." begann er und Veronika blickte sich im Zimmer um, betrachtete einige halbfertige Bilder, die an der Wand lehnten. Dann griff sie nach dem Skizzenheft auf einem kleinen Beistelltisch und fand ein Bild von sich selbst. Eines, dass er gemacht hatte, als sie während einer Unterrichtspause auf einer Bank saß und selbst gezeichnet hatte.
Sie hatte gerade, mit einem Stift in der Hand, verträumt in die Ferne geblickt und der Wind war sanft durch ihr Haar geglitten. Sie war wunderschön gewesen. Es war unmöglich gewesen, sie nicht zu zeichnen. Diesen Ausdruck in ihren Augen. Hitch hatte sie vom Lehrerzimmer aus angestarrt und war vollkommen von ihr eingenommen gewesen und nun hatte Veronika den Beweis dafür in ihrer Hand.
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Let me Deep, Kitten - Seven Sins
RomanceSie war nie die Protagonisten in ihrer eigenen Geschichte gewesen. Nicht, als die Klischee Neue ihr, dem beliebtesten Mädchen der Schule, den Freund ausspannte und dann auch noch, sie selbst die Böse in dem Spiel sein sollte, und auch nicht als sie...