Von allen in Stich gelassen

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Kapitel 7

Hitch

„Sie ist Legasthenikerin", begann Hitch, als er es geschafft hatte, Veronikas Klassenlehrerin von ihrer Kaffeepause wegzulocken und anstatt, dass diese hellhörig wurde, stöhnte sie genervt. Nahm ihre Brille ab und rieb sich die Nase, als wüsste sie auch ohne Einleitung, wenn er meinte und dennoch war Hitch bestrebt nicht lange drum herumzureden.

„Veronika Woodhall, ist wahrscheinlich Legasthenikerin, das muss doch irgendwem mal aufgefallen sein", meinte er und die Frau bemühte sich zu lächeln.

„Ihr Engagement in allen Ehren, aber das sollte Sie nicht kümmern. Und mir gefällt es nicht, dass sie unsere Kompetenz anzweifeln. Natürlich ist uns das aufgefallen, aber wenn wir einen offiziellen Test machen würden, würde ihr Vater mit einer Klage gegen die Schule auf der Matte stehen. Haben sie eine Ahnung, wie mächtig dieser Mann ist?"

Hitch biss die Zähne zusammen, um nicht aus Versehen etwas zu sagen, was er bereuen würde. Er war hier quasi nur ein Gast und dennoch konnte er es kaum fassen, dass all diese Leute es zuließen, dass ein junges Mädchen sich ihr Leben unverschuldet ruinierte, nur weil diejenigen, die sich um sie kümmern sollten, Angst vor ihrem Vater hatten. Zudem machte es die Art und Weise, wie sie über dieses Mädchen redeten, noch verwerflicher. Denn Veronika wurde im Stich gelassen. Ihr wurde Hilfe verwehrt und dann machten sich dieselben Leute auch noch darüber lustig. Das war auf so vielen Stufen verkehrt, dass ihm die Galle hochkam.

„Haben sie eine Ahnung, was das für dieses Mädchen bedeuten könnte? Ihre Noten sind miserabel, weil sie keinen angepassten Unterricht erhält. Ja nicht mal eine Therapie, die ihr zeigen könnte, damit richtig umzugehen. Das ist, als würdet ihr von stummen Schülern verlangen zu sprechen und ihnen gleichzeitig verwehren, die Zeichensprache zu erlernen!" Doch die Lehrerin gab nur ein kurzes Lachen von sich.

„Nun seien Sie mal nicht so über dramatisch. Ich kann Ihnen sagen, was aus diesem Mädchen wird: Eine Ehefrau. Ihr Vater kümmert sich nicht darum, wie dumm seine Tochter ist und in seinen Kreisen ist das auch den anderen Männern egal. Sie hat ein halbwegs hübsches Gesicht. Das genügt. Mädchen wie Veronika Woodhall werden nie etwas anderes sein, als hübsche Puppen, die sich irgendein Kerl an seinen Arm hängt. Ohne Charakter und ohne Talent. Wenn interessiert es da, ob sie eine Lernschwäche hat? Ihr wird es besser gehen, als den meisten anderen in diesem Land." Gab sie fast schon gehässig von sich.

Das war doch wohl nicht ihr Ernst!

Die Lehrer halfen Veronika nicht, weil sie privilegiert geboren ist? Das war ihre Ausrede für ihre Feigheit? Fast hätte Hitch mit der Faust auf den Tisch geschlagen, aber was würde es bringen, wenn er den Lehrkörper gegen sich aufbrachte? Wenn sie solche Angst vor Veronikas Vater hatten, könnten sie glauben, Hitch würde ihnen Probleme mit genau diesem bereiten und ihm die Nachtsitzstunden mit Veronika wegnehmen. Dann würde auch er keine Gelegenheit dazu bekommen ihr zu helfen.

Und vielleicht könnte er ihr zumindest die Werkzeuge in die Hand geben, um sich selbst zu helfen. Dieses Mädchen mag vielleicht in naher Zukunft nur eine hohle Puppe sein, aber wenn sie das wurde, dann hatte sie sich dafür entschieden es zu werden! Er würde sich zumindest nicht die Schuld auferlegen, ihr nie eine Chance gegeben zu haben!

Dazu hatte er etwas anderes entdeckt, das seine Aufmerksamkeit fesselte.

Das Bild, was Veronika weggeschmissen hatte, ihr Bild, offenbarte Talent. Nur in einzelnen Zügen, aber obwohl sie keine Ahnung gehabt hatte, wie sie die Farbe einzusetzen hatte, hatte sie die Proportionen der Venus fast perfekt getroffen. Die Pinselstriche waren unbeholfen und zittrig, aber sie hatte ein Gefühl dafür, davon war er überzeugt.

„Von mir aus, ist Ihre Schülerin", lenkte Hitch ein und dann lächelte die Frau wieder so breit, als hätte er ihr ein Kompliment gemacht.

„Ja. Bitte machen Sie sich darum keine Sorgen. Sie sind doch hier um zu malen, oder? Also malen Sie", sagte sie höflich und Hitch verschwand aus dem Raum, ohne sich zu verabschieden.

Aber er befolgte den Rat der Lehrerin und ging in sein eigenes Studio, wo ein weiteres seiner grauenhaften Bilder stand, das er sofort verwarf und eine frische Leinwand zur Hand nahm, um seine Frustration so zu verarbeiten, wie er jedes Gefühl verarbeitete. Er malte.

Seit Monaten schon hatte er nicht die Muse gehabt, richtig malen zu können, doch nun strömte es geradezu aus ihm heraus und während er in sich selbst versank, bemerkte er kaum, dass das, was er malte, diesmal etwas konkreter war, als es seinen üblichen Stil entsprach.

Es war eine Leere, ein dunkler Kreis der die Leinwand optisch einsenkte und in der Mitte stand eine junge Frau. Etwas zu dünn, noch kaum richtig erwachsen. Teure Kleidung und teurer Schmuck, mit einem Loch in ihrer Brust.

Ihr Herz schlug in ihrer Hand, aber es war verrottet, nur hier und da, wo sich die Schwärze ablöste, sah man das blutige und lebendige darunter. Sie wirkte allein. Und erst als Hitch den Schwung der Lippen beendete und bei der Farbe ihrer Augen zu einem schönen sanften Grün griff, um ihr mehr Ausdruck zu verleihen, stellte er fest, dass dies nicht die Verkörperung seiner Frustration war, sondern die ihrer.

Veronikas.

Der Gesichtsausdruck seiner Veronika auf dem Bild, war nicht schmerzverzerrt, wie man es anhand ihrer Situation erahnen würde. Sie war wütend. Wütend über die Welt ihr ihren Weg verbaute, dazu bereit, die Welt niederzubrennen, sobald sie eines Feuerzeuges habhaft werden würde. Und auch wenn es schockierend war, für Hitch festzustellen, dass dieses Mädchen etwas zu viel in ihm auslöste, hatte er vor, für sie dieses Feuerzeug zu sein.

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Eine Vorschau für das nächste Jahr einschließlich einiger Wichtiger Informationen zu meinen Veröffentlichungen findet ihr auf Instagram ^^

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