hospital

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Kapitel 28

Zendayas pov:

Die Fahrt ins Krankenhaus verläuft schweigend. Die einzigen Geräusche kommen von den vorbeiziehenden Autos und der Musik aus dem Radio.

Ich weiß nicht, ob ich froh über die Stille sein sollte, weil ich unter den Schmerzen, die ich habe, sicher nicht viel reden könnte oder ob ich mir lieber wüsche, dass wir uns unterhalten, damit ich nicht die ganze Zeit an diese eine Sache denken muss.

Ich kann Krankenhäuser einfach nicht ausstehen. Es ist so hell, riecht nach Desinfektionsmittel und überall laufen Ärzte herum. Im Wartezimmer sitzen besorgte Angehörige oder Menschen mit Schmerzen. Einige warten schon ewig, andere noch nicht lange. Wenn man durch die Gänge läuft, sieht man Ärzte durch die Gegend rennen. Wenn man in die Zimmer schaut, bei denen manchmal die Türen offen stehen, sieht man die verschiedenen Menschen. Einige hängen an Schläuchen, andere sitzen in ihren Betten, wieder andere haben Besuch. Aber alle haben sie eins gemeinsam: der traurige Ausdruck in ihren Augen. Selbst wenn sie ihre Familien und Freunde oder die Ärzte anlächeln, sie alle haben diesen gewissen Ausdruck in den Augen, den ich von mir selbst nur zu gut kenne.

„Soll ich dir helfen?“, reißt mich Luca aus meinen Gedanken.

Der braunhaarige Lockenschopf steht vor der geöffneten Autotür und schaut auf mich hinunter.

Wir haben bereits am Parkplatz gehalten, nur habe ich es nicht bemerkt.

Ich greife nach seiner Hand und lasse mich von ihm aus dem Auto ziehen, wobei er stets darauf bedacht ist, mir nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, als ich sowieso schon habe.

Wir laufen ein Stück über den Parkplatz und Richtung Eingang, doch je näher wir der Tür kommen, desto unwohler fühle ich mich. Mein Magen rebelliert und mein Kopf beginnt zu pochen. Mir wird plötzlich heiß und ich habe das Bedürfnis, meine Jacke auszuziehen, doch im nächsten Moment ist mir wieder so kalt, dass eine Gänsehaut meinen Körper überkommt und ich meine Hände in den Taschen vergraben muss.

Eine unfassbare Übelkeit überkommt mich, als die Erinnerungen an damals mich einholen.

Alles ist schwarz.
Ganz weit entfernt ertönen Sirenen.
Mein ganzer Körper tut weh, doch ich habe nur einen Gedanken: Hoffentlich geht es ihnen gut!

„Daya, ist alles in Ordnung bei dir?“, fragt Luca vorsichtig nach, da ich scheinbar stehengeblieben bin.

„Lass uns lieber wieder gehen“, flüstere ich.

Ich bin nicht im Stande, laut zu reden. Mein Mund ist staubtrocken, mein Hals schmerzt und alles fühlt sich schwer an. Meine Arme, meine Beine, selbst mein Kopf.

„Hey, alles ist gut. Dein Fuß wird schon wieder“, macht er mir Mut.

„Danke“, bringe ich hervor.

Ich habe nicht die Kraft, das alles jetzt richtigzustellen. Ich kann ihm nicht sagen, was vor fast drei Jahren passiert ist oder wie es mir gerade geht. Er sollte nicht wissen, wovor ich Angst habe. Am liebsten wäre es mir, wenn er gar nichts über mich wüsste.

Unbemerkt hat mich Luca mittlerweile ins Innere des Krankenhauses gebracht. Während ich total vertieft in meine Gedanken gewesen bin, hat er dem Mann hinter dem Empfang unser Dasein geschildert und nun werden wir ins Wartezimmer geschickt.

Als wir durch den langen hellen Gang laufe, kommt wieder alle hoch.

Ich liege in meinem Bett.
Überall an mir hängen Schläuche und ein Gerät neben mir gibt in regelmäßigen Abständen leise Töne von sich.
Ich schaue mich im Raum um und entdecke neben mir im Bett meinen Bruder. Die mir zugewandte Seite seines Gesichts ist total entstellt. Um seinen Kopf wurde ein Verband gewickelt, auf seiner Nase klebt ein Pflaster, seine Wange ziert eine hässliche Narbe und an der Seite seiner Lippe kann ich getrocknetes Blut erkennen.
Ich möchte seinen Namen rufen, doch meinen Mund verlässt keinen Ton.
Ich entdecke meine Mom, die an seinem Bett sitzt und schluchzend seine Hand hält. Nun will ich sie rufen, doch ich bringe nur ein heiseres Krächzen über die Lippen. Erst als sie hochschaut, sieht sie, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht und voller Erleichterung nimmt sie mich in den Arm, hört für ein paar Minuten auf zu weinen, bevor sie erneut von einer Welle der Traurigkeit eingeholt wird und sich schließlich an mein Bett setzt, nur um mir mitzuteilen, dass Leon immer noch bewusstlos ist und mein Dad auf der Intensivstation liegt.

Ich merke erst, dass ich nach Lucas Hand gegriffen habe, als er meine leicht drückt, um mich zu ermutigen.

„Tut mir leid“, murmel ich eine leise Entschuldigung, weil ich ihn einfach so anfasse.

Er bleibt stehen und schaut aus seinen braunen Augen heraus auf mich hinab.

„Entschuldige dich nicht, wenn es nichts zu entschuldigen gibt. Wenn du Angst hast, bin ich immer für dich da, auch wenn du das nicht glauben willst.“

Ich blinzel' perplex, fange mich aber wieder und nicke einfach dankbar.

Schweigend laufen wir nebeneinander zum Wartezimmer. Wobei ich mehr humpel als laufe, denn mein Fuß tut immer noch weh wie verrückt, bloß habe ich es durch die schlimmen Gedanken an die Vergangenheit mehr oder weniger glücklich verdrängt.

Im vorgegebenen Raum angekommen, nehmen wir auf den hässlichen, ungemütlichen grauen Stühlen Platz und warten, bis die Ärztin mich reinruft. Meine Begleitung muss draußen warten, da nur Angehörige mit dürfen.

Zuerst dachte ich, das wäre nicht so schlimm, aber als die Türe hinter mir ins Schloss fällt und ich der Dame den weiß gestrichenen Gang hinterherlaufe, merke ich, wie sehr mich seine Anwesenheit doch unterstützt hat.

Sofort überkommt mich wieder das Gefühl von Übelkeit und Unwohlsein, wie zu Beginn.

Die Frau mit den rot-braunen Haaren bringt mich in einen Raum. Ich soll mich auf eine Liege setzen und sie tippt etwas in den Computer ein. Zwischendurch fragt sie mich, was passiert ist und wie sehr es weh tut. Als sie damit fertig ist, holt sie sich einen Drehstuhl heran, der genauso wie alles andere hier ebenfalls weiß ist, und setzt sich mir gegenüber. Sie schaut sich meinen Fuß genau an, tastet an ein paar Stellen, drückt mal fester zu und fragt mich immer wieder, ob es weh tut. Und so gut wie jedes Mal antworte ich mit 'Ja', denn es schmerzt verdammt.

„Wir müssen das röntgen“, teilt sie mir nach einer Weil mit und deutet mir an, ihr zu folgen.

Ich stehe auf und humpel ihr hinterher in einen anderen Raum.

Ich muss meinen Fuß auf eine Art Tisch ablegen, bekomme eine schwere Weste übergezogen und soll dann warten, ohne mich zu bewegen.

Es dauert ein paar Minuten bis die Ärztin zurückkommt und wir wieder zurück in den anderen Raum gehen.

„Dein Fuß ist gebrochen“, meint sie genauso monoton wie zuvor.

Sie verlässt den Raum und kommt kurze Zeit später mit einer Begleitung zurück. Die junge Dame - vermutlich Praktikantin - hilft ihr dabei, mir einen Gips umzulegen. Ich bekomme Krücken und darf nach einer kurzen Information, wie lange ich das Teil tragen soll, endlich gehen.

„Und?“, hakt Luca neugierig nach, als wir wieder auf dem Parkplatz stehen.

„Gebrochen“, erwidere ich kurz und knapp.

„Scheiße.“

„Große Scheiße.“

Wir werfen uns einen Blick zu und fangen plötzlich beide an zu lachen, weil diese Situation einfach so absurd ist.

Und verdammt, es fühlt sich so gut an. Ich hatte schon fast vergessen, wie es ist, glücklich zu sein.

Shit happensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt