Kapitel 43
Zendayas pov:
Ich spüre, dass meine Hand gehalten wird. Fühle, wie jemand über meine Wange streicht und mir einen Kuss auf die Lippen haucht. Rieche den Duft von Kaffe und ich höre, dass zu mir gesprochen wird.
Immer wieder wird mein Name gesagt, dann Worte die ich nicht verstehe und schließlich wieder mein Name.
Einmal waren es mehrere Stimmen. Mindestens eine Frau und zwei Männer. Mittlerweile höre ich nur noch eine Person zu mir sprechen.
Es ist eine tiefe Stimme, die so verzweifelt und verletzlich klingt, als hätte sie Angst, jemanden zu verlieren.
Die Worte werden immer klarer. Ich kann nun mehr verstehen, höre Dinge wie Bitte, Liebe und warum, doch zu einem Satz kann ich sie nicht zusammensetzen.
In meinem Kopf geht noch etwas anderes vor. Es dröhnt und drückt und da ist ein immer wiederkehrendes Piepen, das unaufhörlich durch mein Gehirn schreit.
Außerdem muss ich mich aufs Atmen konzentrieren. Mein Hals fühlt sich eng und trocken an, weshalb es mir nicht gerade einfach fällt.
Gleichzeitig drückt etwas auf meine Brust und an meinen Arm, doch ich kann den Schmerz nicht verhindern.
„Was machst du nur für Sachen, Daya?“, kann ich die männliche Stimme inzwischen wieder hören.
Daya.
Der Spitzname, den Luca mir gegeben hat, lässt mich hellhörig werden.
Er ist bei mir. Er hält meine Hand, küsst mich und zeigt mir, dass er mich gern hat. Er macht sich Sorgen um mich.
Ich muss ihn sehen, muss ihm sagen, dass es mir leidtut, dass er das alles nicht verdient hat und dass ich das nicht wollte. Ich muss ihm zeigen, dass ich ihm vertraue und ihn mag.
Mühsam versuche ich, meine Augen zu öffnen, um ihn anzusehen, doch es fällt mir schwer. Meine Augenlider fühlen sich so an, als wären sie festgeklebt.
Plötzlich spüre ich wieder eine Hand an meiner Wange und im nächsten Moment legen sich warme, weiche Lippen auf meine. Ich erwidere den Kuss, würde Luca am liebsten näher an mich ziehen, doch ich habe das Gefühl, mein Körper will nicht.
Erschrocken löst er sich von mir und blickt mir in die Augen.
„Dir geht's gut“, flüstert er besorgt, aber gleichzeitig erleichtert in den Raum.
Ich nicke, was meinem Kopf nicht so ganz zu gefallen scheint, doch ich lasse mir nichts anmerken.
Ein leichtes Lächeln bildet sich auf Lucas Gesicht und der beugt sich wieder über mich.
„Du hast mir ganz schön Angst eingejagt.“ Damit schließt er nun vollends die Lücke zwischen uns und gibt mir erneut einen Kuss.
Nach einer Weile lösen wir uns voneinander und er steht auf.
„Ich hole mal den Arzt und sage deinem Bruder Bescheid“, meint er und verlässt das Zimmer.
Die Tür fällt zu und es ist still im Raum.
Ich blicke mich um. So gut wie alles hier ist in Weiß gehalten. Den einzigen Kontrast bilden der hölzerne Schrank und ein Schreibtisch aus dem gleichen Material.
Neben mir steht ein Gerät, das meinen Herzschlag misst. In regelmäßigen Abständen steigt die Linie an und sinkt dann wieder, gleichzeitig piept es leise. Auf der anderen Seite des Bettes befindet sich ein Gerät mit Plastikbeuteln, in denen sich Flüssigkeiten befinden, die über einen Schlauch und einem Pflaster an meiner Halsbeuge mit meinem Körper verbunden sind. Um meinen Arm ist ein Blutdruckmessgerät befestigt. An meiner Brust befinden sich Schläuche, die etwas messen und es an ein Gerät über mir weiterleiten. Auf meinem Zeigefinger ist eine Klammer und an meiner Armbeuge klebt ein Pflaster. Auch in meiner Nase sind Schläuche, die mir Sauerstoff einführen.
Es fühlt sich extremst komisch an, mit so vielen Geräten verbunden zu sein und zu wissen, dass man ohne sie vermutlich nicht auskommen würde, aber immerhin weiß ich, dass ich lebe und auch wenn ich mir lange Zeit gewünscht habe, zu sterben, bin ich nun doch froh, noch hier zu sein.
Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen sich den Tod wünschen und kurz vor dem Tod stehen.
Wenn man selbst die Wahl hat, sich umzubringen, ist es etwas anders, als wenn es jemand - oder in meinem Fall etwas - übernimmt.
Hätte ich mich selbst umbringen wollen, hätte ich mich vorher von allen verabschiedet, ich hätte jedem sagen können, dass ich ihn liebe und ich hätte allen nur das Beste gewünscht. Soll mir die Wahl zu sterben aber abgenommen werden, kann ich nichts daran ändern.
Ich wäre von jetzt auf gleich nicht mehr da gewesen, hätte nicht mehr die Chance gehabt, meiner Mom zu sagen, dass ich stolz auf sie bin oder meinem Bruder, dass ich ihn liebe. Ich hätte mich nicht bei Luca entschuldigen können und hätte Eve nicht sagen können, dass sie eine tolle Mutter wird. Das alles wären unausgesprochene Worte, weil mich der Tod überkommen hätte, bevor ich es selbst in die Hand nehmen könnte. Darum bin ich froh, noch am Leben zu sein, auch wenn es schwer ist und ich meinen Problemen jetzt nicht mehr davon laufen kann.
Ich weiß nicht, wie es gerade um mich steht, ob ich in größerer Gefahr bin oder ob es mir nach ein paar Tagen wieder gut geht. Aber ich weiß, dass ich noch da bin und ich kann den Menschen, die ich gern habe, sagen, was ich fühle.
Und was danach passiert, ist erstmal egal, denn im Moment zählt nur die Gegenwart.
Alles, was davor passiert ist, hat seinen Grund und man kann es nicht ändern. Die Dinge, die in Zukunft kommen werden, kann ich nicht beeinflussen, also werde ich von nun an im Hier und Jetzt leben, auch wenn es mir häufig schwerfällt.
DU LIEST GERADE
Shit happens
RomanceDie Tränen laufen mir über die Wangen und ehe ich mich versehe, breche ich auch schon in seinen Armen zusammen. „Ich hasse mein Leben! Ich will einfach nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Warum muss ich noch leben? Warum kann ich nicht sterben? Warum...