Kapitel 9 - Eine neue Entwicklung

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Cana öffnete vorsichtig die Tür zu Lexys Zimmer. Die leisen, gleichmäßigen Atemzüge ihrer Tochter verrieten ihr den seelenruhigen Schlaf, den Lexy fast immer hatte. Lautlos schloss die Kartenmagierin die Tür wieder, nachdem sie in das Zimmer getreten war. Sie wusste nicht, wie oft sie das in der Vergangenheit gemacht hatte: Sich am friedlichen Gesicht ihrer Tochter erfreuen, die nicht wusste, was mit ihr geschehen würde, wenn die Dinge ihren Lauf nehmen würden. Zumindest wusste sie es noch nicht und das sollte so lange wie möglich so bleiben.

Sie setzte sich auf den Bettrand. Das leichte Sinken der Matratze entlockte Lexy ein leises Seufzen, weshalb Cana anfing, ihr beruhigend über den Kopf zu streichen. Sofort entspannte sich ihre Tochter, um ruhig weiterzuschlafen. Doch die Kartenmagierin war weit entfernt davon, selbst entspannt zu sein: Nicht allzu lange nach seiner Rede hatte Hibiki die Wohnung verlassen, um ebenfalls schlafen zu gehen. Doch sie hatte keine Ruhe gefunden, sondern immer wieder über seine Worte nachgedacht. Sie wusste sehr gut um den Wahrheitsgehalt, der in seinen Worten lag.

Der Trimens hatte es sich zwar nie anmerken lassen, aber er kam aus einem kaputten Elternhaus. Seine Mutter war gestorben, als er kaum ein Jahr alt war und sein Vater war daraufhin spielsüchtig geworden. Das ging so lange, bis Hibiki mit sechs Jahren Bekanntschaft mit Schuldeneintreibern gemacht hatte, die seinen Vater verprügelten. So lange, bis er ihnen das Haus anbot, in dem die beiden gewohnt hatten. Es war Hibikis Glück, dass Master Bob zufällig auf ihn traf, als er ein paar Wochen später auf dem Markt beim Stehlen eines Brotes erwischt wurde. Er verließ mit dem Master von Blue Pegasus die Stadt, ohne sich noch einmal bei seinem Vater zu verabschieden, der mittlerweile vom Glücksspiel zum Alkohol gewechselt hatte.

Hibikis emotionslose Erzählung hatte sie damals mehr als nur geschockt. Sie hatte völlig fassungslos dagesessen, während der Blue Pegasus Magier ihr seine Lebensgeschichte erzählte. Das war an dem Tag gewesen, an dem sie das erste Mal wegen Überforderung mit ihrer ganzen Situation ausgerastet war. Sie hatte ihm an den Kopf geworfen, er habe über beschissene Leben nicht den Hauch einer Ahnung und solle sich deshalb nicht in das ihre einmischen. Doch ironischerweise hatten sich genau durch diesen Streit die ersten, zarten Wurzeln einer tiefen Freundschaft gebildet.

Nachdenklich betrachtete sie das Gesicht ihrer Tochter erneut. Es grenzte an ein Wunder, wie Laxus nicht bereits beim ersten Blick die Verbindung zwischen Lexy und ihm selbst erkannt hatte. Nicht nur ihre Haar- und Augenfarbe, die sie von ihm geerbt hatte. Cana selbst hatte ihrer Tochter mit Absicht einen Namen gegeben, der dem ihres biologischen Vaters ähnelte. Sie wusste bis heute noch nicht, warum, aber es hatte sich richtig angefühlt. Wenn Lexy schon ihren Vater nicht kannte, sollte sie immerhin etwas von ihm bei sich tragen, was ihr niemand wegnehmen konnte. Nicht einmal er selbst.

Langsam stand sie wieder auf und ging ebenso vorsichtig wieder zur Tür, wie sie ins Zimmer geschlichen war. In den nächsten Tagen würde sie nach Aufträgen schauen und Lexy daran gewöhnen, auch einige Tag ohne sie auskommen zu müssen. Aufgrund ihres Lebens als Magier konnte sie nicht immer für ihre Tochter da sein, wenn sie weiterhin in dieser Wohnung leben wollten. Erst dann würde sie sich selbst darauf vorbereiten, Laxus gegenüberzutreten.


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Levy schlug einmal mehr in dieser Nacht die Augen auf und starrte finster an die Decke. Verdammter Schlaf, der ihr schon wieder entrinnen war. Alles nur wegen ihm. Sie konnte sich nicht wirklich an den Traum erinnern, aber ihr Herz schlug immer noch angsterfüllt. Wahrscheinlich war es einmal mehr der gleiche Traum gewesen, der sie in regelmäßigen Abständen heimsuchte. Stets war sie in einem Labyrinth aus Eisen und Metall gefangen, in dem sie vollkommen die Orientierung verloren hatte. Hilflos irrte sie in eine Sackgasse nach der anderen, während aus allen Richtungen sein typisches „Gihihihi" ertönte, das immer intensiver und dröhnender wurde, bis ihre komplette Umgebung zu vibrieren schien. Das war der Moment, in dem sie einfach zusammenbrach, um sich den hämmernden Kopf zu halten. Im nächsten Augenblick schreckte sie jedes Mal aus dem Schlaf und lauschte ihrem fast schmerzhaft schnell schlagenden Herz, wie es nicht mehr zur Ruhe kommen wollte.

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