Kapitel 53 - Klarheit

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Levy schaute zu dem verschlossenen Gesicht neben ihr empor und legte den Kopf schief. „Bist du dir sicher?"

Gajeel nickte. „Dank Juvia und deinen idiot..." – bei ihrem warnenden Blick räusperte er sich mitten im Wort – „deinen Teamkameraden wird jeder wissen, wo du im Moment wohnst. Da ich keine Lust auf neugierige Fragen die nächsten Wochen habe, können wir uns die gleich vom Hals schaffen. Händchenhalten ist nicht meins, aber ich werde es überleben. Für die paar Sekunden von der Eingangstür zu meinem Stammtisch in der Gildenhalle zumindest."

Levy presste die Lippen zusammen, um nicht in Gelächter auszubrechen. Jetzt, da sie und Gajeel ihren Beziehungsstand geklärt hatten, machten ihr derlei Bemerkungen nichts mehr aus. Im Gegenteil, sie fand diese sogar erheiternd. Gajeel war keine einfache Persönlichkeit, ebenso wenig war er einfühlsam oder taktvoll. Jetzt, da sie sich über ihre Position in seinem Leben im Klaren war, konnte sie auch härtere Kommentare verarbeiten. Außerdem hatten ihr die letzten Jahre schmerzhaft klargemacht, wie wichtig eine offene Kommunikation war, und sie vertraute darauf, ihre Sorgen Gajeel mitteilen zu können. Im Gegensatz zu früher würde sie Bemerkungen, die sie verletzten, nicht hinunterschlucken, sondern diese Reaktion Gajeel mitteilen.

Sie waren vor der Gildenhalle angekommen und Gajeel blieb vor den noch geschlossenen Türen stehen, während er tief durchatmete.

Levy blieb neben ihm stehen und wartete ab, bis er sich überwunden hatte und nach ihrer Hand griff. Das war ein eindeutiges Zeichen für Gajeel und würde als solches auch in der Gilde wahrgenommen werden. Mit einem Ruck drückte er die Gildentüren auf und lief in seinem gewohnten Tempo in die Gildenhalle, die Schritte in Richtung seines Tisches lenkend.

Levy spürte, wie ein paar Augenpaare über sie glitten und an ihren verschränkten Fingern hängen blieben, während ein paar Gespräche verstummten. Doch die meisten Gildenmitglieder besaßen die Geistesgegenwart, ihre Unterhaltungen nach einer Sekunde der Überraschung wieder nahtlos aufzunehmen. So kam Levy mit Gajeel ohne Hindernisse an ihrem Tisch an, an dem Gajeel Levys Hand wieder losließ und sich räusperte.

„Ich hole uns etwas zu trinken", murmelte er und machte sich auf den Weg zum Tresen, an dem Mira bereits ein unheilvolles Lächeln aufgesetzt hatte.

Mitfühlend verzog Levy das Gesicht, denn das würde länger dauern. Mira war gnadenlos, wenn sie etwas wissen wollte. Ebenso wie–

„Levy!" Im nächsten Moment wurde Levy von hinten umarmt und an eine ausladende Brust gedrückt, die sie sehr gut kannte. Genau das war die zweite Person, die nicht lockerließ, bis sie alle Einzelheiten erfahren hatte.

„Hallo Lucy." Ihre Stimme klang wenig begeistert, doch davon ließ sich ihre beste Freundin natürlich nicht stören und setzte sich auf die leere Bank gegenüber von Levy.

„Ich glaube, du musst mir etwas erzählen." Lucy grinste sie breit an und verschränkte die Hände, um ihr Kinn auf diese zu legen. Ihre braunen Augen sprudelten vor Vorfreude und Spannung regelrecht über und Levy fügte sich in ihr Schicksal.

Doch nicht ohne vorher einen prüfenden Blick in die Runde geworfen zu haben. Dann erst beugte sie sich zu Lucy hin, um leiser sprechen zu können.

„Das eben war Gajeels Idee", flüsterte sie und Lucy beugte sich ebenfalls etwas weiter zu ihr. „Er will nicht ständig beobachtet werden. Deshalb diese kleine Demonstration, auch wenn wir noch längst nicht so weit sind."

Lucy hatte den darunterliegenden Sinn ihrer Worte natürlich verstanden. „Aber das wird sich irgendwann ändern. – Ehrlich gesagt, hätte ich das nicht von Gajeel erwartet. Nicht, dass er nicht planen kann. Doch seine Abneigung, über sein Privatleben freiwillig etwas preiszugeben, schien mir immer das Wichtigste für ihn zu sein. Vielleicht ändert sich das durch dich. Spätestens, wenn es um eine Verlobung oder etwas anderes geht."

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