Kapitel 17 - Gespräche in der Gilde

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Kaum als Cana an einem der großen, flachen Felsen der Begrenzung für den privaten Strand der Gilde angekommen war und sich auf ihren Stammplatz gesetzt hatte, schlang sie schützend die Arme um ihren Oberkörper. Die Blätter über die Vertragskopie für Lexys Vorschule hatte sie fein säuberlich gefaltet und in ihrer Tasche verstaut. Innerlich hatte sie sich bereits für die nächste Auseinandersetzung vorbereitet. Doch Laxus strahlte eine seltsame Ruhe und Gelassenheit auf, die sie seit ihrer Rückkehr bei ihm nicht wahrgenommen hatte. Es erinnerte sie an die Zeit, als sie beide als Teenager viel Zeit miteinander verbrachten, um ihre Blitzkombinationen in der Kartenmagie zu verbessern.

Sie bemerkte, wie sie sich unwillkürlich entspannte und sogar ein kleiner Funken an Hoffnung in entfacht wurde, den sie schnell wieder erstickte.

Laxus zog es vor, sich nur gegen den Felsen zu lehnen, wobei er darauf zu achten schien, einen gewissen Abstand zu ihr einzuhalten. Er blickte stumm auf das Meer hinaus, die Arme in seiner typischen Haltung vor der Brust verschränkt.

„Ich hätte nicht die Beherrschung verlieren dürfen."

„Hättest du nicht. Vor allem nicht vor Lexy. Du weißt am besten, wie sehr Kinder darunter leiden, Erwachsene laut werden zu sehen." Bei dem nicht gerade unauffälligen Hieb in Hinblick auf seinen eigenen Vater versteifte sich Laxus für einen Moment, bevor er regelrechte in sich zusammensackte.

„Ich muss mich später bei ihr entschuldigen. Du hast recht." Er seufzte, dann warf er ihr einen nachdenklichen Blick zu. „Levy und ich hatten ein interessantes Gespräch. Ich glaube, ich habe einige Dinge verstanden, die mir vorher nicht bewusst waren. Ich kann dein Verhalten nicht nachempfinden, dazu fehlt mir ein Kind."

Da war er wieder, dieser kurze, reisende Schmerz quer durch ihr Herz, der für einen Moment das Atmen unmöglich machte.

„Was mir durch das Gespräch mit Levy allerdings klar wurde: Du musstest innerhalb von wenigen Wochen deine Prioritäten für den Rest deines Lebens ändern, zumindest für die nächsten zwei Jahrzehnte. Dabei konntest du keinerlei Ablenkungen gebrauchen, weder von deinen Freunden oder ... von mir." Da war der leicht bittere Unterton in seiner Stimme wieder, doch ihm fehlte die anklagende Note der letzten Male. „Wahrscheinlich ist es dieser Entscheidung zu verdanken, dass Lexy ein normales Kind zu sein scheint, trotz des Einflusses der Trimens, Ichiya, Master Bob und auch Gildarts."

„Lexy hat Angst vor Ichiya", warf Cana mit einem amüsierten Lächeln ein und auch Laxus schnaubte kurz.

„Dann hat sie eine vernünftige Menschenkenntnis, trotz ihres Alters." Schlagartig wurde er wieder ernst. „Was ich eigentlich sagen wollte: Weil ich dich kenne weiß ich, wie viel Zeit dieser Gedanke in deinen Gedanken einnimmt, deshalb klar und deutlich. Das, was ich bis jetzt mitbekommen habe, gibt mir das Gefühl, du bist eine ausgezeichnete Mutter. Lexy scheint glücklich zu sein. Offensichtlich ist sie sogar bereit, dich gegen Personen zu verteidigen, die locker viermal so groß sind wie sie selbst, vom Gewicht ganz zu schweigen. Wenn ich meine subjektive Sichtweise ignoriere, war deine Entscheidung die richtige. Was das alles für mich umso schwieriger macht, da –"

Als Cana das Schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte, brach Laxus schlagartig ab und drehte sich alarmiert zu ihr um. Wortlos trat er zu ihr und zog sie sanft, aber bestimmt vom Felsen herunter. Sie benötigte keine weitere Aufforderung, um ein weiteres Mal seit ihrer Rückkehr ihr Gesicht in seinem Hemd zu vergraben. Ihre Tränen rührten nicht nur von seinen Worten her, sondern auch von der bitteren Gewissheit, ihn um so viele Dinge gebracht zu haben. Das schlimmste war, er wusste noch nicht einmal Bescheid. Die Tatsache, aus seiner momentan objektiven Perspektive ein so großes Lob für ihre Tochter zu haben, bedeutete ihr viel. Noch dazu war sie ebenfalls seine Tochter. Das war zusammen mit ihrem schlechten Gewissen ihm und seinen Gefühlen gegenüber einfach zu viel. Sie wusste, sie musste ihm so bald wie möglich von seiner Vaterschaft erzählen und jede verstreichende Sekunde war eine zu viel. Jetzt wäre ein ebenso guter Zeitpunkt, doch sie brachte es einfach nicht über ihr Herz, diesen Moment durch die Beichte zu zerstören. Denn damit würde sie alle Fortschritte zunichtemachen, die sie beide in ihrer zerrütteten Beziehung in den vergangenen Tagen gemacht hatten. Vielleicht konnte sie ihn sogar in Lexys Leben einbinden, sodass die Erkenntnis nicht ein allzu großer Schock werden würde.

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