Kapitel 15 - Altlasten

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Cana konnte noch immer nicht den Blick von seinen Augen abwenden, ganz im Gegenteil. Doch je länger sie in ihnen versank, desto ruhiger wurde sie und konnte seine Frage ohne Panik in Ruhe verarbeiten.

„Furchteinflößend", bekannte sie sich nach ein paar Sekunden Schweigen, während ihr Blick auf das dunkelrote Fotoalbum fiel, das seinen Ehrenplatz im Wohnzimmerschrank bereits eingenommen hatte. Doch sie lächelte bei dieser Aussage. Diese Monate voll Ahnungslosigkeit, dicht gefolgt von anhaltender Panik erinnerte, die bis zu ihrem Aufeinandertreffen mit den Trimens ihre vorherrschenden Emotionen gewesen waren. Bis heute sah sie es als kleines Wunder an, angesichts dieser Empfindungen damals keine Fehlgeburt erlitten zu haben, denn das kam laut ihrer späteren Ärztin durchaus häufiger vor.

Erst, als Laxus einen Schluck von seiner Tasse nahm, bemerkte sie ihr langes Schweigen.

„Oh, Entschuldigung." Sie seufzte. „Ich bin in Gedanken bei dem Termin, der heute ansteht."

Laxus nickte bedächtig. „Lexy soll also in die Vorschule."

Cana seufzte. „Sie hätte schon vor zwei Jahren in den Kindergarten gehen sollen, doch damals hat sie ein riesiges Drama veranstaltet, bis ich es aufgegeben habe. Im Nachhinein war das die schlechteste Entscheidung, die ich für sie jemals getroffen habe. Sie ist es nicht gewohnt, mit gleichaltrigen Kindern zu spielen. Jedes Mal, wenn sie andere Kinder getroffen hat, ist es nach wenigen Minuten in einen handfesten Streit ausgeartet."

Ein leises Glucksen zu ihrer Seite ließ sie in ihrer kleinen Tirade innehalten und einen Blick auf ihren Gesprächspartner werfen. Laxus hatte die Ellenbogen auf seine Knie gestützt und sich leicht nach vorne gelehnt, während er offensichtlich einen Lachanfall versuchte zu unterdrücken.

Misstrauisch legte sie den Kopf schief und runzelte die Stirn. „Was ist deiner Meinung so witzig daran?"

Laxus lachte daraufhin nur noch mehr und Cana entschied sich, still ihren Kaffee zu trinken, bis sich der Dragon Slayer wieder etwas beruhigt hatte.

„Erinnerst du dich wirklich nicht an deine ersten Monate in Fairy Tail?" Zwar lachte er nicht mehr, doch allein durch seine Körpersprache konnte Cana immer noch die scheinbar grenzenlose Erheiterung sehen, die Laxus zu empfinden schien.

„Nein. Genau genommen war das erste Jahr hier sehr verschwommen, weil ich mit dem Tod meiner Mutter und der ständigen Abwesenheit meines Vaters fertig werden musste. Für den ich in meinen Augen nicht würdig als Tochter war." Ihre Antwort fiel beißender aus als gewollt und sie sah schuldbewusst, wie sich Laxus' Gesicht verschloss.

„Tut mir leid", fügte sie daher rasch an und strich sich ihre vorderen Strähnen aus dem Gesicht nach hinten.

Laxus holte einmal tief Luft, dann entspannte er sich etwas und brummte zustimmend. „Lassen wir beide unsere Eltern einfach aus dem Spiel", murmelte er und Cana erinnerte sich an seine Aussage am Strand. Sie schüttelte den Kopf.

„Ich habe dir als Kind sehr oft von meiner Mutter erzählt. Falls du jemals –" Sie brach ab und biss sich auf die Lippe. Eigentlich hatte sie als allerletzte Person einen Anspruch darauf, in Laxus' Sorgen eingeweiht zu werden, wenn man von dessen Vater einmal absah. Nicht, nachdem sie sein Vertrauen in sie damals bis in die Grundfesten zerstört haben musste, weil sie einfach sang- und klanglos verschwunden war. Obwohl sie genau gewusst hatte, wie schwer er Vertrauen zu Personen aufbaute. Was ebenfalls Ivan Dreyar zu verdanken war.

Bevor sie sich einmal mehr in ihre Selbstzweifel und -vorwürfe stürzen konnte, beschloss sie kurzerhand, einfach das Thema zu etwas Unverfänglicherem zu wechseln.

„Was meintest du mit dem Hinweis auf mein erstes Jahr?"

„Du hast eben bei deiner Tochter eine perfekte Kopie von dir selbst geschildert, falls dir das nicht aufgefallen ist."

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