68 - Felix rastet aus

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06.01.2023 Heilige 3 Könige - Lissabon

In Portugal war es üblich den 6.01. groß mit der ganzen Familie und Freunden zu feiern. Der offizielle Name des Feiertages war Santos Rei Magos und traditionell gab es ein festliches Essen und als Dessert den berühmten Königskuchen - bolo rei auf portugiesisch.
Für Sarah war Weihnachten ohne ihn einfach undenkbar. Obwohl sie den Geschmack der kandierten Früchte nicht wirklich mochte, gehörte ein Stück einfach dazu.
Im letzten Jahr hatte Nano die Bohne gefunden, was bedeutete, dass er dieses Jahr den Kuchen backen oder ihn eben kaufen musste.
Ihr Bruder hatte allerdings kein sonderliches Talent für das Backen, deshalb hatte er die beste padaria der Stadt aufgesucht und für die große Familie gleich mehrere Kuchen geordert, aber nur in einem war eine kleine Bohne versteckt.

Auch Louis war mit seiner Frau Aurelia und seinen beiden Söhnen Davi und Pedro gekommen.
Seit dem Verkauf der Bodegas war ihm eine große Last von den Schultern gefallen, er wirkte sichtlich beschwingt.
"Du siehst aus als wärst du in einen Jungbrunnen gefallen" Sarah betrachtete den strahlenden Geschäftsmann und lächelte ihn an.
"Ich fühle mich auch super. Die Feiertage haben sehr gut getan, ich habe nur gegessen und Zeit mit meinen Lieben verbracht.
An die Arbeit habe ich fast gar nicht gedacht. Und wie bist du ins neue Jahr gestartet? Du warst in Holland bei deinem Mädchen, richtig?"

Als Sarah ihm von Lyann erzählt hatte, war er fast vom Stuhl gefallen. Louis kannte Sarah nur mit Felix zusammen und für ihn waren die beiden das ideale Paar. Mit sowas hatte er definitiv nicht gerechnet. Auch die Tatsache, dass der deutsche Tättowierer sich auf diese 3er-Konstellation eingelassen hatte, war ihm ein totales Rätsel. Vor Sarahs Offenbarung hätte sich der Portugiese selbst für modern und weltoffen gehalten, doch mit polyamorösen Beziehungen kannte er sich überhaupt nicht aus. Nie hätte er vermutet, dass Sarah sich auch für Frauen interessieren könnte. Louis hatte nichts gegen Homosexuelle, aber ein wenig befremdlich fand er es schon.
Aber in erster Linie war er wahnsinnig neugierig auf die junge Holländerin, die Sarahs Herz gegen alle Widrigkeiten im Sturm erobert hatte.
Die Portugiesin hatte ihm Bilder von ihrer Freundin gezeigt, aber so wirklich konnte er sich die beiden Frauen nicht zusammen vorstellen.
Doch fühlte er sich sehr geehrt, dass Sarah sich ihm geöffnet gegenüber geöffnet hatte.
Gerade über die Feiertage hatte er oft an seinen alten Freund denken müssen.
Diego wäre so stolz auf seine einzige Tochter gewesen und da er es leider nun nicht mehr selbst sein konnte, wollte Louis für die junge Frau da sein.
Der Verkauf der Bodegas war ein riesiger Schritt für sie gewesen, ihre traurigen Augen und die bitteren Tränen hatten sich in sein Gehirn eingebrannt. Aber er wusste, egal wie schmerzhaft dieser Moment für beide gewesen war, es war einfach die richtige Entscheidung.

"Ja, genau. In Utrecht genauer gesagt. Ist eine sehr schnuckelige kleine Stadt, allgemein mag ich Holland total gerne. Das Wetter ist zwar nicht so gut wie hier in Portugal, aber die Leute sind sehr witzig und entspannt. Überall diese süßen Grachten und die Backsteinhäuser. Und Unmengen an Fahrrädern - ich glaube alleine in Utrecht gibt es mehr davon als in ganz Portugal."
"Das glaube ich sofort. Wo war Felix eigentlich?"
fragte Louis.
"Mit seinen Freunden in Stockholm, die haben dort die Clubs unsicher gemacht" gab Sarah zurück.
Sofort fiel ihm auf, dass sich die Stimmungslage der junge Frau veränderte als sie über ihren Mann sprach.
Zugegeben hatte er die beiden auch heute noch gar nicht zusammen gesehen hatte, denn Felix stand die ganze Zeit mit Nano und Sarahs Cousine Sofia zusammen und unterhielt sich angeregt mit den beiden. Er wusste also nicht, wie die beiden gerade als Paar wirkten.
"Wer weiß hier eigentlich noch von Lyann?" wollte er wissen.
"Nur Nano und du - bisher. Ich war bis jetzt noch nicht wirklich bereit dazu.
Aber ich möchte es Oma erzählen. Ich glaube, sie spürt, dass etwas anders ist. Sie sieht mich in letzter Zeit immer auf diese bestimmte Art und Weise an. Mama meinte, dass sie diesen Blick kennt - so hatte Oma sie immer angesehen, wenn sie von Diego zurück kam.
Es ist kein schönes Gefühl ein Geheimnis vor ihr zu haben. Hatte ihr dir erzählt, dass sie Lyann schonmal begegnet ist?"
Jetzt konnte Sarah sich nicht mehr zusammenreißen und strahlte über das ganze Gesicht.
"Wie das denn?" verwundert schaute der Notar die junge Frau an.
"Als sie damals hier in Lissabon war, ist sie durch die Alfama gelaufen und hat den Laden gefunden.
Ich hatte ihr sehr viel von Oma erzählt und ihr auch ein paar Bilder von ihrem Geschäft und Lola gezeigt. Lyann hat sogar Lola gestreichelt und Oma hat sogar ein paar Wörter Deutsch mit ihr gesprochen. Wäre doch der Hammer, wenn sie sich noch an die Touristin aus Holland erinnern könnte oder?" 
Der Goldton ihrer braunen Augen wurde zu flüssigem Gold, wenn sie über Lyann sprach. Louis konnte nicht aufhören, Sarah anzusehen.
In diesem Moment erinnerte sie ihn sehr an Diego, denn die beiden hatten die gleichen Augenfarbe.
"Bei der Anzahl der Leute, die täglich in dem Laden einkaufen und der bereits vergangenen Zeit bezweifel ich das zwar, aber Lola könnte sie erkennen.
Du erinnerst mich gerade übrigens sehr an deinen Vater. So wie du strahlst, wenn du über Lyann sprichst,  hat er immer ausgesehen, wenn er über seine süße Prinzessin geredet hat"
Sein Blick wurde ganz weich und mit der Hand streichelte er sanft über Sarahs Wange.

7 Tage (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt