7 Tage (girlxgirl)

74 - Ende Januar 2023 Hamburg

Nervös stand Lyann vor dem Spiegel und strich bereits zum gefühlt 100. Mal ihre Haare glatt.
Obwohl sie zufrieden mit dem war, was sie sah, fühlte sie eine extreme Unsicherheit.
Heute würde sie Sarahs Mutter kennenlernen.
Das war ein verdammt wichtiger Tag, denn sie wusste, wie sehr ihre Freundin Susana verehrte.
Lyann war schon den ganzen Tag richtig durch den Wind gewesen, sie hatte heute Mittag kaum etwas runterbekommen. Jamie hatte die ganze Zeit während der Pause geplappert, doch Lyann konnte sich an kein einziges Wort mehr erinnern.
Noch war sie alleine, denn Sarah holte ihre Mutter gerade vom Bahnhof ab.

Als die Holländerin Stimmen im Hausflur hörte, sprang ihr fast das Herz aus der Brust.
Zwar hatte sie schon mehrmals mit Susana via Facetime gesprochen, doch sie jetzt live zu treffen, war etwas total anderes.
"Schatz, wir sind da" hörte sie Sarahs Stimme.
Ein letztes Mal schaute Lyann in den Spiegel, atmete tief durch und trat heraus in den Flur.
"Ach, da ist sie ja" sagte Susana und ging mit schnellen Schritten auf die junge Frau zu.
"Hi Susana, schön dich mal in echt zu sehen" gab die Holländerin zurück und streckte Sarahs Mama unbeholfen ihre Hand entgegen.
Doch die ignorierte die Geste und zog sie in eine herzliche Umarmung.
"So macht man das bei uns. Ich freue mich auch sehr dich endlich kennenzulernen. Meine Tochter strahlt immer, wenn sie von dir spricht.
Ich war richtig aufgeregt auf dem Weg nach Hamburg"
Ihr Deutsch hatte einen starken Akzent und sie sprach wahnsinnig schnell.
Sarah sah ihrer Mutter sehr ähnlich - das gleiche Lachen, die gleiche Augenform, die gleichen dunklen Locken.
"So eine hübsche junge Frau und was für schöne Haare du hast" rief Susana begeistert.
Verlegen lächelte die Holländerin und sah zu ihrer Freundin, die die Szene mit einem breiten Grinsen verfolgte.
"Wie war die Fahrt? Hat alles gut geklappt?" fragte Lyann.
"Alles wunderbar. Heute hat alles perfekt funktioniert. Ich mag Hamburg, tolle Stadt.
Zeig mir doch mal deine Wohnung" 
"Mama" stieß Sarah empört hervor. Doch Lyann lachte nur.
"Klar, gerne" antwortete die Fussballerin und lächelte Susana an.
Die Wohnungstour dauerte nicht lange und schon standen die drei Frauen wieder in der gemütlichen Wohnküche und tranken einen Kaffee zusammen.
"Wohin möchtest du essen gehen, Mama? fragte Sarah und legte den Arm um ihre kleinere Mutter.
"Ach, das ist mir egal. Das dürft ihr entscheiden, du weißt ja, was ich gerne mag, Sarah.
Ich habe aber wirklich Hunger, von daher sollten wir uns beeilen. Niemand will mich hungrig erleben" und dann lachte sie genauso herzlich wie Sarah es immer tat.

Susana beobachtete ihre Tochter aufmerksam. Es war ein ungewohnter Anblick sie so zu sehen - so verliebt und mit einem anderen Menschen als Felix an ihrer Seite.
Sarah und Lyann wirkten unglaublich vertraut miteinander. Zu Beginn des Treffens war die junge Fussballerin sehr schüchtern und zurückhaltend gewesen, doch langsam entspannte sie sich und kam immer mehr aus sich heraus. Susana gefiel was sie  sah - ihre Tochter war offensichtlich sehr glücklich mit der jungen Holländerin, sie strahlte einfach über das ganze Gesicht und ihre Augen leuchteten.
Lyann wirkte sehr sympathisch, Sarahs Mutter mochte ihre grünen Augen und das freche Lachen. Und ihr holländischer Akzent hörte sich wirklich sehr niedlich an, musste selbst sie zugeben.
"Ich bin sehr gespannt auf das Spiel morgen, es ist schon ewig her, dass ich in einem Fussballstadion war" sagte Susana und nahm sich eine California Roll vom Teller.
Lyann hatte ein neues Sushirestaurant vorgeschlagen und das Essen war wirklich fantastisch.
"Unser Stadion ist sehr schön, es wird dir gefallen, Mama. Sunny freut sich auch schon auf dich"
sagte Sarah.
"Toll, ich kann es auf jeden Fall kaum erwarten. Seit der EM sind bestimmt mehr Zuschauer im Stadion oder? Kommen deine Eltern auch ab und an zu den Spielen? Utrecht ist ja nicht ganz so weit entfernt" fragte sie Lyann.
Die Holländerin schluckte ihr Essen schnell herunter und antwortete "Ja, manchmal. Dieses Spiel kommen sie auch. Wim, mein Zwillingsbruder, wird ebenfalls dabei sein .
Susana quiekte erfreut auf "Oh wie schön.
Darf ich deine Familie kennenlernen oder wäre das komisch für dich?"
Dann veränderte sich plötzlich ihr Gesichtsausdruck und sie wirkte regelrecht traurig.
"Ach herrje, wir könnten uns ja gar nicht unterhalten, ich spreche doch gar kein Englisch" sagte sie mit hängenden Mundwinkeln.
"Sarah kann doch übersetzen oder?" gab Lyann grinsend zurück und sah ihre Freundin augenzwinkernd an.
"Natürlich, gar kein Problem, Mama. Wir kriegen das hin" antwortete Sarah.
"Toll, dann machen wir das so. Gegen wen spielt Hamburg denn eigentlich?"
"Gegen Köln, die sind ziemlich gut. Das Spiel wird bestimmt spannend".
Während Susana auf der Toilette war, lehnte sich Sarah zu ihrer Freundin und schmuste sich an sie
"Meine Mama mag dich sehr, es ist so schön, euch zusammen zu sehen. Sie gibt sich übrigens sehr viel Mühe langsam und deutlich zu sprechen, musst du wissen"
Lyann konnte sich das Lachen nicht verkneifen
"Oh wow, dann will ich gar nicht wissen, wie schnell sie normalerweise redet. Ich muss mich schon sehr konzentrieren, um sie zu verstehen. Aber sie ist toll. Ihr seid euch sehr ähnlich, nicht nur optisch"
Glücklich lächelte die Portugiesin
"Danke. Du weißt gar nicht, wie sehr ich die Zeit mit dir genieße. Nur geht es immer so rasch vorbei, die erste Woche ist schon fast rum."
Liebevoll legte Lyann ihre Hand auf Sarahs Wange und küsste ihre weichen Lippen.
"Mir hat eine bezaubernde Frau mal etwas sehr Kluges gesagt:
"Genieße den Moment im Hier und Jetzt"
Also denke ich gerade nur, wie happy ich mit dir bin" flüsterte die Holländerin.
Das Braun in Sarahs Augen wurde zu flüssigem Gold. Jeder konnte sehen, wie sehr sie Lyann liebte.
Als Susana von der Toilette zurück kam und die beiden Frauen sah, wie sie sich verliebt ansahen und zärtlich küssten, musste sie schmunzeln. Es war definitiv ein ungewohnter Anblick, aber Sarahs Leuchten war nicht zu übersehen.
Susana freute sich natürlich für ihre Tochter, doch sie konnte den Gedanken an Felix nicht ausblenden.