Kapitel 15 - Devote ✓

141 5 0
                                    

   Freitag
   Valentin, Scarletts Bruder, kam als Erstes an. Er fuhr mit einem unscheinbaren schwarzen Wagen vor, der jeden in sich beherbergen konnte. Schlicht, aber teuer, wie ich nach einem genauen Blick bemerkte.
   Anders als andere Geschwister es vielleicht getan hätten, gingen sie nicht aufeinander zu und umarmten sich. Stattdessen nickte Scarlett ihrem Bruder nur knapp zu und dieser kommentierte das mit einer vor Spott triefenden Verbeugung. Er hob sogar einen imaginären Hut von seinem Kopf.
   Als er sich aufrichtete, schweifte sein Blick zielgenau zu mir herüber. Valentin war ein gutaussehender Mann, das musste ich zugeben, obwohl ich nicht auf Männer stand. Und an manchen Stellen erkannte man auch die Ähnlichkeit. Auch wenn sie sich komplett anders anzogen. Wo Scarlett gewagt, aufreizend, aber doch schlicht bevorzugte, war Valentin lässig und mit einer Spur verspieltheit in seinen Klamotten wieder zu erkennen. Er trug tief sitzende, verwaschene Jeans, die wirklich sehr oft getragen aussahen und ein Hemd, das beinahe zu weit aufgeknöpft war. Was die beiden gemeinsam hatten war, gewagte Klamotten zu tragen.
   Diese Musterung hatte nur ein paar Sekunden für die Umstehenden gebraucht. Trotzdem schien es Valentin aufgefallen zu sein. Er schien von außen nachlässig zu wirken, aber er sah mehr, als man auf den ersten Blick denken mochte. Ob er so extra auf andere wirken wollte oder es unbewusst tat, blieb abzuwarten.
   »Deine Freundin?« Fragte Valentin und hob eine Augenbraue fragend.
   Ich starrte Scarlett an. Sie starrte zurück. »Okay verstehe. Nicht offizielle Freundin. Aber baldige, nehme ich an.« Er grinste mich an und zwinkerte, als wären wir langjährige Freunde.
   Einen Moment sah ich ihn nur schweigend an, dann hielt ich ihm nach einer Weile des Überlegens die Hand hin. »Josephine.« Nur weil ich Scarlett meinen echten Namen verraten hatte, würde ich es nicht unüberlegt ihrem Bruder sagen.
   Er nahm meine Hand. »Josephine also. Valentin und außerdem älterer Bruder von Scarlett.« Er grinste seine Schwester an. Er schien oft zu Grinsen.
   Die hintere Tür des Wagens wurde geöffnet. Heraus kam ... Jackson. Ich versteifte mich. Mein Händedruck wurde gerade sicher schmerzhaft.
   Ich war bereit, mich zu wehren. Zu Kämpfen. Ich wusste, dass es ein Missverständnis damals gewesen war. Das hieß aber nicht, dass ich diesem Mann vertraute oder gar mochte. Er schien beinahe zu perfekt zu sein. Als wäre es nur eine Maske unter vielen. Er mochte noch so sehr ein Freund von Scarletts Familie zu sein. Ich traute ihm nicht.
   Jackson begrüßte Scarlett. Sie wirkten sehr vertraut. Eifersucht regte sich, die vollkommen unangebracht war. Als er sich zu Valentin drehte, sah er auch mich. Nur eine Sekunde sah ich einen Schatten über sein Gesicht huschen. Interessant. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle und klebte ein Lächeln auf die Lippen.
   »Du hier.« Bemerkte Jackson ohne eine Gefühlsregung.
   Es schien, als würden uns alle anstarren. Ich ließ mir nichts anmerken, sondern lächelte einzig falsch. Nur sah man mir im Gegensatz zu ihm das Falsche Lächeln nicht an. »Wunderbar, nicht?«
   »Ja, Wunderbar.« Brummte er und wandte sich schnell Valentin zu. Ich runzelte die Stirn. Sie schienen sich zu verstehen. Aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass, sollte ich einen Verbündeten brauchen, ich in Valentin möglicherweise einen finden könnte. Ich war ihm gerade erst begegnet, doch sofort war mir klar geworden, dass er nicht dumm war.
   So wenig ich es zugeben wollte, doch Scarlett zu erzählen, ich würde Jackson, einem langjährigen Freund der Familie, nicht trauen, wäre dumm. Sie schienen sehr eng, während Valentin und Jackson sich zwar zu verstehen schienen, doch wenn ich ihn erst überzeugen würde, wäre er auf meiner Seite. Ich musste nur noch herausfinden, was, abgesehen von der ersten Begegnung, für Gräber er in seinem Keller versteckte. Und das er sie hatte, war unbestreitbar.
   Von meinen Gedanken ließ ich mir allerdings nichts anmerken. Ich ging zu Scarlett, die mich nachdenklich musterte, als suche sich nach etwas, was sie wegen meiner perfekten Maske nicht erkennen konnte. Etwas, was ich von meinen Eltern gelernt hatte. Wenn es wichtig war, wusste ich, wie man seine wahren Gefühle versteckte. Und so sehr ich meine Eltern auch verabscheute, manchmal war es nicht schlecht, seine Gefühle verbergen zu können.
   Wir brachten Valentin und Jackson zur Haupthütte, die so etwas wie eine Gemeinschaftshütte zu sein schien. Sie stellten ihre Sachen auf die Veranda, dann traten sie ein.
   Ich blieb draußen stehen. Weil Scarlett sich mit Jackson unterhielt, bekam sie es nicht mit.
   Zielstrebig ging zu Jacksons Sachen. Keine Ahnung, was ich erwartete. Doch als ich den Reißverschluss gerade öffnete, ertönte eine Stimme hinter mir. »Ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass du meine Sachen nicht durchsuchen willst.«
   Ich fuhr herum. Breit grinsend stand Valentin am Geländer gelehnt, eine Flasche mit Schnaps, wie ich annahm, in der Hand und einen neugierigen Blick in den Augen. »Du wolltest mich auch nicht ficken.« Stieß ich bitter aus.
   Er stieß Luft aus dem Mund und pfiff leise. »Autsch. Ich möchte wirklich nicht in Jacksons Haut stecken.«
   Ich hob eine Augenbraue. »Was soll das heißen?«
   »Dass du verdammt heiß bist. Oder kalt. Ich habe mich noch nicht entschieden.« Mit der Hand machte er eine lässige Handbewegung. »Mach nur. Öffne seine Tasche.«
   Erst war ich überrascht, dann wurde mir klar, was hier gerade lief. »Du willst es auch wissen.« Stellte ich mit schief gelegtem Kopf fest. Er antwortete nicht, doch seinem Blick nach zu urteilen, entsprachen meine Worte der Wahrheit. Er trank einen großen Schluck aus der Flasche.
   Unter seinem betont desinteressierten Blick öffnete ich den Reißverschluss ganz. Natürlich war nicht gleich zuoberst etwas Wichtiges zu sehen. Aber ich kannte mich auch mit Geheimfächern aus. Die große Tasche war hauptsächlich mit Kleidung befüllt. Meine Hände wühlten weiter. Und schließlich, fanden sie, was sie gesucht hatten. Ohne hinzusehen, aber nach dem, was ich fühlte, genau das richtige, ließ ich es in der Innentasche meiner Jeans verschwinden.
   Ich schloss die große Tasche wieder und drehte mich zu Valentin um, der mich unergründlich musterte. Nachdenklich. »Darf ich es noch sehen?«
   Knapp fragte ich: »Redest du?«
   »Ich schweige, wenn ich möchte und rede, wenn ich will. Also. Wirst du es mir sagen?« Er betrachtete mich mit der Flasche in der Hand nachdenklich.
   Ein weiteres Mal betrachtete ich ihn. Ja, er war wahrlich nicht so dumm, wie man auf den ersten Blick meinen konnte. Meine Eltern hätten ihn als wahren Schatz in ihrer Sammlung ihrer Truppe gesehen. Sie bevorzugten ausgefallenes. Auch wenn sie es nicht liebten. Das hatte ich früh erfahren müssen. Sie hatten es zwar anerkannt, welchen Nutzen ich für sie hatte. Aber Gefühle, waren nie drin gewesen. Ich war nur ein weiteres Teil in ihrem Zahnrad gewesen.
   »Du bist nicht dumm. Und ich bin mir sicher, dass du Scarlett nichts tun wirst.« Er stieß sich vom Geländer ab und blieb einen Meter von mir stehen. Er sah mir ernst in die Augen. Von einem Moment auf den anderen hatte er das Thema geändert. Hatten wir Lauscher? »Ich bin vielleicht auf dem Papier ihr Halbbruder. Doch solltest du ihr auch nur ein Haar krümmen, werde ich nicht zögern.« Womit, musste er nicht aussprechen.
   Ich mochte ihn für seine Worte sogar noch mehr. Dass Scarlett ihm wichtig war, war nicht zu übersehen. Und er würde nicht zögern, wenn ihr jemand wehtat. Auch wenn ihm offenbar entgangen war, dass Scarlett eine selbstständige, kluge Frau war. Nur war Jackson ihre Schwäche. Sie kannten sich wohl recht lange und egal was wir über Jackson auch herausfanden, es würde ihr nicht gefallen, wenn sie dem überhaupt Glauben schenken würde, was wir herausfanden. Denn das wir das würden, war ich mir sicher.
   Ich antwortete ohne eine Miene zu verziehen. »Dazu wird es nicht kommen.«
   Valentin erwiderte scharf, weiterhin für mögliche Lauscher, als hätten wir nichts besseres zu tun als ein Schauspiel für Lauscher aufzuführen. »Davon bin ich überzeugt. Man weiß aber nie, was die Zukunft bringt. Bevor du etwas Unüberlegtes tust, denk an meine Worte.«
   Eine Stimme unterbrach uns. Sie klang alarmiert. »Was macht ihr hier draußen?«
   Valentin lächelte seine Schwester charmant an. »Nur reden, Schwesterchen.«
   Sie hob eine Braue. »Davon bin ich überzeugt.« Es klang alles andere als danach. Dafür warf sie mir einen fragenden Blick zu und ich war mir sicher, dass sie mich später noch Fragen würde.
   Valentin und ich traten an Scarlett vorbei. Ich ging nach ihm. Sogleich nahm Scarlett mich beiseite, während sie die Tür schloss. »Was hat mein Bruder gesagt?« Sie fixierte mich, ihre Augen suchten dabei in meinem Gesicht nach einer Antwort.
   »Nur dass er mich tötet, sollte ich dir wehtun.« Meinte ich unbekümmert lächelnd.
   Sie starrte mich einen Augenblick starr an und stieß dann die Luft aus. »Verdammt. Ich hätte nicht gedacht, dass er das wieder durchzieht. Ich will mich gar nicht mehr daran erinnern, wie viele er durch seine Aktion damals an der Schule vergrault hat.«
   »Nun, ich bin offensichtlich noch da.« Flüsterte ich nah neben ihr.
   »Stimmt.« Sie nickte abgehackt, schien aber schon im Kopf eine Standpauke durchzugehen. Der Arme Valentin. Aber das musste er wohl aushalten. Und er kam mir auch nicht als ein Mensch vor, der Scarletts Tiraden nicht aushalten konnte. Er war ihr Bruder, also sollte es okay sein.
   Unauffällig griff ich nach dem Teil, um zu überprüfen, ob es noch da war. War es. Auch wenn das Teil verdammt klein war.
   Einige Minuten später meinte Scarlett. »Die anderen scheinen angekommen zu sein.«
   »Auch Julian?« Ich hob eine Braue, weil ich mir nicht sicher war, ob er den Rest geschafft hatte.
   Scarlett bestätigte das mit einem knappen nicken, während Jackson und Valentin sich verwirrte Blicke zuwarfen. Kein Wunder, sie wussten ja auch nicht, dass Julian von den Eylies verfolgt worden waren. Von den Männern und Frauen meiner Eltern. Und sie hatten es getan, weil sie davon ausgegangen waren, dass er sie zu mir führen würde. Das war gar nicht gut. Und das bedeutete, dass ich noch viel besser aufpassen musste. Oder mich ihnen stellen. Vielleicht galt es, Verbindungen zu schließen. Aber zuerst musste das mit Jackson geklärt werden.
   Jackson und Valentin blieben in der Hütte, während ich und Scarlett sie verließen, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Sobald wir alleine waren fragte sie: »Was habt ihr da draußen wirklich gemacht?« Sie betrachtete mich misstrauisch.
   Es schmerzte, dass sie an mir zweifelte, mir war aber klar, dass ich ihr auch nicht die Wahrheit sagen konnte. »Etwas geredet.«
   Es war klar, dass sie mir nicht glaubte, aber ich konnte ihr die Wahrheit leider nicht sagen.
   Den restlichen Weg über schwiegen wir einträchtig. Bevor wir ganz hinter den Bäumen hervortraten, umschlangen Scarletts Hände plötzlich meinen Körper, drehten mich um und ihre Lippen prallten auf meine. Ein erschrockener Laut entkam meinen Lippen.
   Sie presste ihre Lippen auf meine, schlang die Arme um meinen Körper und presste sich gegen mich. Ich erwiderte den Kuss verdattert. Mein Kopf sank in den Nacken und sie kam der Bewegung wie in einem verschlungenen Tanze nach. Ihre Hände tasteten unter den Stoff meiner Bluse. Ihre Fingerspitzen rieben meine Brustwarzen. Ich spürte einen Stamm hinter mir. Ein leises Stöhnen entwich mir. Doch bevor es weiter gehen konnte, unterbrach eine amüsierte Stimme unser Tun. »Interessanter Empfang. Ich beschwere mich gar nicht. Auch wenn...«
   »Ruhe.« Knurrte Scarlett Julian hinter sich entschlossen an. Ihre Lippen berührten noch ein letztes Mal meine, dann löste sie sich mit verhangenem Blick.
   Dann fuhr sie auf dem Absatz herum und kniff die Augen zusammen. »Du hättest ruhig etwas länger wegbleiben können.«
   »Mal wieder der beste Empfang. Aber nur weil du so unhöflich bist, heißt das nicht, dass ich es bin. Hallo.« Er grinste uns an, als wolle er jeden Moment mitmachen und erwarte eine Aufforderung. Darauf konnte er lange warten.
   Scarlett schob ihren Körper vor meinen, obwohl wir beide noch vollständig bekleidet waren. »Nun... ich habe meinem Werten Bruder und deiner Schwester gesagt, sie sollten noch etwas warten. Ich wollte ihnen ja keinen Schock versetzen.«
   »Ja, natürlich wolltest du das nicht. Wie edelmütig du doch bist.« Meinte Scarlett spöttisch und schritt mit mir zum Parkplatz, Julian folgte uns dichtauf.
   Als Julians Bruder, Ethan und Scarletts Schwester, Adlayn zögerlich aus dem Auto traten, begegneten sie sogleich Scarletts scharfen Blicken, die die beiden mit Argusaugen beobachtete.
   »Dann sind ja jetzt alle da.« Scarletts Stimme war kühl, während sie das mit blitzenden Augen sagte. Nur eine Minute des Ankommens gönnte sie den beiden, dann befahl sie harsch. »Kommt, ich bring’ euch zu eurer Hütte.« Dabei schien sie regelrecht mit den Zähnen zu knirschen. Dann wandte sie sich Julian zu. »Und du kommst mit uns. Du kommst in die Singlehütte.«
   Julian schien klar zu sein, dass das nicht bei uns wäre, denn er verzog schmollend das Gesicht. Ich beobachtete das Ganze und mir schien, als würde das Verhältnis von Scarlett und ihrer Schwester mehr und mehr ins Wanken geraten.
   »Adlayn, du kennst den Weg.« Stellte Scarlett ohne jegliche Gefühlsregung klar und ließ Ethan und Adlayn dann einfach stehen, während sie Julian dazu aufforderte, mitzukommen. Dieser ließ sich das nicht zweimal sagen und lief sogleich neben mir her.
   »Na, wie geht’s?«
   »Nicht antworten.« Wies Scarlett mich an, ohne sich zu uns umzusehen. Ich zuckte die Schultern in Julians Richtung und lief dann schweigend den Weg hinter Scarlett entlang.
   »Ihr seid langweilig.« Meckerte Julian wie ein Kleinkind und warf mir immer wieder schnelle Seitenblicke zu.
   Schließlich gab ich nach. »Was ist?« Den bösen Blick, den Scarlett mir daraufhin zuwarf, ignorierend.
   »Du kennst dich ziemlich gut aus.« Rückte er mit der Sprache heraus.
   »Womit?« Stellte ich mich dumm, weil ich gerade keine Lust auf dieses Gespräch hatte.
   »Wie man jemanden entflieht. Bist du sowas wie eine Agentin?«
   Ich hob den Blick und starrte Julian etwas verwundert an. Ich, eine Agentin? »Nicht wirklich.«
   »Also, warum wurde ich verfolgt?« Fragte Julian weiter. Diesmal antwortete keiner von uns ihm. Und irgendwie schien ihm klar zu sein, dass weitere Fragen ihn nicht weiterbringen würden, denn den Rest des Weges schwieg er.
   Vor einer Hütte blieben wir stehen. »Du kannst deine Sachen hereinstellen. Später kannst du mit Jackson und Valentin hier hergehen.«
   »Keine Frauen?«
   Scarlett fuhr herum und funkelte ihn wütend an. Ich war überrascht über diese starke Gefühlsregung Julian gegenüber. »Nein, keine Frauen. Und wir haben auch Wichtigeres zu tun, als uns mit deiner Frauenbesessenheit abzugeben.«
   Beleidigt erwiderte Julian. »Brauchst nicht so bösartig zu sein, weil wir einmal Sex hatten. Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre es nie dazu gekommen.«
   »Ja, das wäre schön.« Zischte Scarlett, während bei mir sich Überraschung breit machte. Scarlett und Julian? Zusammen in einem Bett? Konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen. Und warum auch immer, verspürte ich keine Eifersucht. Womöglich, weil die beiden nicht gerade harmonisch wirkten.
   Aber irgendwie hatte ich im Gefühl, dass da noch mehr war. Nicht nur, dass sie Sex gehabt hatten. Doch es erschien mir falsch, nachzufragen, weshalb ich schwieg.
   Julian nahm den Schlüssel von Scarlett entgegen, öffnete die Tür der Hütte und tat dann seine Sachen hinein, um die Tür dann wieder abzuschließen. »Kannst du für die Zeit hier oben behalten.« Meinte Scarlett knapp und lief auch schon weg, mit mir im Schlepptau. Julian kam etwas später, hinter uns her gelaufen, bei uns an. Er sagte nichts.
   Wir betraten die Gemeinschaftshütte, in der bereits Valentin und Jackson an einem Tisch saßen und Karten spielten. Und Valentin allen Anschein gewann. Er ließ sich nichts anmerken, doch ich sah, dass er etwas misstrauisch Jackson gegenüber geworden war.
   »Wollen wir Dart spielen? Da bin ich zumindest gut.« Warf Julian in den Raum.
   Scarlett hob eine Braue. »Gut? Das trifft es wohl. Mehr nämlich auch nicht.«
   »Du weißt wirklich, wie du das Ego eines Mannes zerstörst.«
   »Dir braucht das Ego nicht gestreichelt zu werden. Du hast genug davon.« Kommentierte Scarlett lapidar, holte aber aus einem Schrank sogleich ein Ziel und Dartpfeile heraus.
   Jackson und Valentin erhoben sich von den Stühlen und gingen zu uns herüber. Ich konnte so gut wie alle traditionellen Spiele. Dart, etliche Kartenspiele oder Denkspiele. Man hatte es mir früh gelernt und meine Eltern hatten bemerkt, dass ich gut darin war. Deshalb hatten sie mich darin gefördert. Das war auch das einzige, was ich meinen Eltern zugutehalten konnte. Auch wenn ihre Methoden oft fragwürdig gewesen waren. Und es immer noch waren.
   Bei Dart war es nicht dumm, zuerst zu sehen, wie gut die anderen waren. Und dann konnte man einschätzten wie gut man sein musste, das man nur knapp gewann und die anderen nicht bemerkten, das man sie alle eigentlich locker im Spiel überholen konnte. Es war klug, nicht zu zeigen, wie gut man war. Und es aussehen zu lassen, als würde man immer nur knapp gewinnen. Das ließ die anderen glauben, gewinnen zu können, obwohl sie keine Chance hatten.
   Ein Spiel ist nichts anders als bitterer Ernst. Nenn mir jemand, der sagt, es ist nur ein Spiel. Und derjenige ist dumm. Ein Spiel ist niemals nur ein Spiel. Es ist viel mehr als das. Es offenbart, wer die andere Person ist. Ich konnte mich noch genau an die Stimme meines Lehrers erinnern, der mir das gesagt hatte. Und ich hatte vor, in diesem Spiel Jackson kennenzulernen und einzuschätzen.
   Es gibt Spieler, die nicht rücksichtslos spielen können. Sie sind zu nett, als dass sie andere extra aus dem Spiel werfen wollen. Sie meinen es gut, doch mit ihrer Gutherzigkeit gewinnen sie kaum ein Spiel. Oder die anderen, die einfach spielen und nicht sehen, was ein Spiel wirklich ist. Sie spielen drauflos, ohne zu wissen, was taktisch klug wäre. Oder die, die fixiert, darauf zu gewinnen spielen. Sie spielen um den Preis und achten dabei zu wenig auf die anderen, weil sie denken, die Karten, der Gegenstand ist wichtig, obwohl auch die Reaktion anderer entscheidend ist. Oder die, welche die gesamte Zeit nur vorgeben, dies oder das zu tun, weil sie darauf vertrauen, ihre Mitspieler dadurch zu verwirren. Sie sind Schwindler und ihre Spielzüge Lügen. Manche, die gut darin sind, kommen damit durch, andere, die sich auf diesem Gebiet schlechter auskennen, nicht. Es gibt noch viele anderen Typen von Spielern. Und es würde sich zeigen, wer von ihnen, was für ein Spieltyp Jackson war. Daraus war zum Teil auch Charakterzüge wiederzuerkennen.
   Aber die Wahrheit ist, man muss alles sein. Gut nachdenken. Das Gewinnen im Auge behalten und gleichzeitig seine Mitspieler nicht vergessen.
   Ich war bereit, herauszufinden, was an Jackson faul war. Und dann würde ich ihn zerstören. Langsam und qualvoll. Ich lächelte.
   Doch nun erst einmal, lasset das Spiel beginnen!

__________________________

3039 Wörter

𝗦𝗪𝗘𝗘𝗧𝗜𝗘 - kleines, devotes Kätzchen (1) (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt