MÜCKE
Mit grossen Kulleraugen blickte Laika zu mir hoch, als er mir dabei zusah, wie ich in meinen Wintermantel schlüpfte. Ich ging in die Hocke, damit ich ihm über das struppige schwarzbraune Fell streicheln konnte. «Tut mir leid», flüsterte ich kaum hörbar, «dass ich dir heute Nacht keine Gesellschaft leiste, beim sich vor den Feuerwerken verstecken.»
Ich schnappte mir meinen Schal und schlang ihn um den Hals, ehe ich in den Wohnraum lief. Laika folgte mir dicht auf den Fersen. Meine Mutter sass zusammen mit Danica auf dem Sofa, während im Fernseher eine der Silvestersendungen des Schweizer Fernsehens lief. Mein Vater stand in der Küche und kochte sich Kaffee. Rümpfend verzog ich die Nase aufgrund des Geruchs des Gesöffs.
«Bin dann mal», begann ich mich von meiner Familie zu verabschieden, «Rüber zu Gustav.» Ich hatte bereits nach der Tortenglocke mit dem Dessert, welches ich gebacken hatte, gegriffen.
«Soll ich dich dann später bei Gustav abholen?», fragte mein Vater. Seine goldbraunen Augen musterten mich besorgt, während seine Stirn sich in Falten gelegt hatte.
Ich schüttelte den Kopf. «Du musst wegen mir nicht ausrücken.»
«Sicher?», hakte mein Vater nach. Er hatte nun das Bialetti beiseite gestellt, damit er mich direkt anschauen konnte. Es fehlte nur noch, dass er die Arme um mich schlang und mich fest an sich drückte, da er mich nicht gehen lassen wollte.
Etwas übermotiviert nickte ich. «Ja, ganz sicher», murmelte ich hastig, «Ich kann im schlimmsten Fall immer noch bei Gustav übernachten, okay?»
Nur ungern zeigte sich mein Vater einverstanden mit meinem Entscheid. Er konnte es nicht lassen mich in eine feste Umarmung zu ziehen. Für eine Sekunde fühlte es sich so an, als ob er mich erdrücken wollte. «Aber vergiss nicht vor lauter Party machen, uns zu gratulieren, sobald das neue Jahr da ist!»
Ich unterdrückte einen leisen Seufzer, nickte stattdessen nur stumm. Vorsichtig löste ich mich aus der Umarmung und ging hinüber zum Sofa, damit ich mich auch noch von meiner Mutter und meiner Schwester verabschieden konnte. Laika hatte es sich inzwischen im Körbchen bequem gemacht. Doch die braunen grossen Knopfaugen sahen mich immer noch kritisch an. Wer hätte gedacht, dass der Hund mich wie ein Verräter fühlen liess, nur weil ich mal wieder ein Silvester mit meinen Freunden verbringen wollte?
«Trink nicht zu viel», wies mich meine Mutter darauf hin, als sie mir die drei Küsse auf die Wangen zur Verabschiedung gab. «Du weisst, ich trinke nicht», murmelte ich, während die langen Finger meiner Mutter durch meine roten Haare strichen.
«Aber ich weiss, wie du und Dani als Kinder drauf waren, wenn ihr zu viel Globi Schampus getrunken habt», zwinkerte sie mir scherzend zu. Sie klopfte mir auf die Schulter, während ich vielsagende Blicke mit Danica austauschte.
«Rutsch gut», grinste Danica zur Verabschiedung, «Aber nicht zu weit. Wär ja Scheisse, wenn du plötzlich im Jahr 3020 landest und wir alle in dem Jahrtausend festsitzen.»
Ich schüttelte den Kopf, während ich meine Schwester zum Abschied drückte. «Dasselbe gilt auch für dich», zwinkerte ich ihr zu, ehe ich ihr durch die dunkelbraunen Haare wuschelte. Danica verzog das Gesicht. Dennoch klebte da ein gewisser Schelm in ihren graublauen Augen. Kurz blitzte dort die Idee auf, nach meiner Mütze zu greifen und mir diese ins Gesicht zu ziehen. Ohne dass meine Mutter es sehen konnte, streckte ich Danica die Zunge raus, was sie erneut dazu brachte, mit den Augen zu rollen.
Ein sanftes Vibrieren meines Handys war in meiner Hosentasche wahrzunehmen. Ich kramte das Teil hervor und wurde von einer Birn'schen Nachricht begrüsst.
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in case I fall for you
General FictionDie große Liebe gibt es. Oder? Wo Mücke die Hoffnung, Liebe zu finden, fast aufgegeben hat, ist Birne fleißig am Suchen. Der eine hält sich lieber fern vom Zwischenmenschlichen, während der andere zwischen Tinder-Dates und hoffnungslosen Schwärmerei...