achtundzwanzig

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BIRNE

Mückes Blick ist nach draußen gerichtet. Unsere Arme liegen auf der ausklappbaren Armlehne zwischen uns und unsere Finger sind miteinander verschränkt. «Manchmal vergesse ich, wie schön Baden-Württemberg eigentlich sein kann», murmelt er.

Ich kann kaum glauben, dass er tatsächlich eingewilligt hat und nun neben mir im IC nach Stuttgart sitzt. So richtig angekommen ist das bei mir erst, als wir in Zürich umgestiegen sind.

In der Schweiz habe ich mich noch in Sicherheit gewogen, während ich jetzt ein kleines Häufchen Elend bin.

Da wir beide den halben Tag gearbeitet haben, werden wir heute nicht mehr viel Zeit haben. Becca hat mir ein Hotel empfohlen, das eher außerhalb der Innenstadt liegt. Sie bieten Frühstück und Abendessen an, weshalb ich denke, dass wir uns einfach dort ein Plätzchen suchen werden. Je nachdem, wie faul wir sind.

Mücke drückt meine Hand, als wir in den Hauptbahnhof einfahren. Erst bin ich verwundert, bis ich bemerke, dass ich seine Hand zuerst gedrückt habe.

Der Rothaarige hält sich am Bändel meines Rucksacks fest, als wir hinter der großen Menge den Weg zur U-Bahn suchen. Ich komme mir vor, als hätte ich Tourist auf die Stirn gedruckt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier bin. Die letzten Male hat Kilian die Führung übernommen, der sich hier um einiges besser auskennt.

Da Großstädte natürlich nie schlafen, ist die U-Bahn gut gefüllt. Keine Ahnung was heute für eine Veranstaltung ist, aber sie treibt die Leute auf jeden Fall nach draußen. Mücke steht so dicht bei mir, dass mir der Geruch von Lavendel um die Nase weht. Er vermischt sich mit den anderen Parfumnoten um uns herum.

Am letzten Bahnsteig für heute angekommen, atmen wir erstmal tief ein. «Das nächste Mal gehen wir an den Bodensee», verspreche ich ihm und öffne gedankenverloren Google-Maps auf meinem Handy.

Da die Dämmerung weit fortgeschritten ist, hat sich die Straßenbeleuchtung bereits eingeschaltet. Unsere Hände finden sich wieder. Diese Gegend ist weniger belebt, was gerade unfassbar angenehm ist. Heute schweigen wir mehr und genießen eher die Gegenwart des anderen.

Es macht mich glücklich, dass wir gute Gespräche führen, aber auch genauso gut miteinander schweigen können.

Ich bin nervös und lasse von Mücke ab, als wir das kleine Hotel betreten. An der Rezeption lächelt uns eine Dame freundlich entgegen. Sie wird kaum älter als wir sein. Ich schätze sie auf Ende zwanzig.

«So Reservierung auf Rossier, zwei Nächte, ein Doppelbett.» Kurz stockt sie und mustert uns vorsichtig, ehe sie einen Seitenblick auf ihren Kollegen wirft. Dieser ist gerade mit einem anderen Gast beschäftigt. Die Rezeptionistin lehnt sich etwas über den Tresen zu uns. «Das mit dem Doppelbett passt so, oder? Ich möchte nicht diskriminierend wirken, sondern nur auf eventuelle Fehler bei der Buchung hinweisen.»

Vor Erleichterung lächle ich und krame in meinem Kopf nach einer Antwort, doch Mücke kommt mir zuvor.

«Das passt so, aber danke. Immerhin gehört das zu Ihrem Job.»

Sie richtet sich wieder auf und es ist deutlich zu sehen, wie Anspannung von ihren Schultern weicht. «Danke, dass ihr mich nicht zum Pfeffer schickt.»

Innerlich sterbe ich etwas, da er mir gerade vermittelt hat, dass er mit mir in einem Bett schlafen möchte.

Wir bekommen die Schlüsselkarten überreicht und machen uns in Richtung Aufzug. Das Erste, was ich auf dem Zimmer mache, ist aus meinen Schuhen schlüpfen und mich mit dem Gesicht voraus auf das große Bett werfen.

in case I fall for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt