MÜCKE
Das Sugus, welches mich an der Stirn traf, liess mich zusammenzucken. Ich blickte über meinen Bildschirm nach oben. Giuliana, welche mir gegenüber an ihrem Schreibtisch sass, zwinkerte mir mit einem schiefen Grinsen zu. «Kommst du mit zum Feierabendbier, ja oder nein?»
Stirnrunzelnd rieb ich über die Stelle, an der mich das Bonbon getroffen hatte. «Und dafür musstest du mich abschiessen?»
Giuliana zuckte mit den Schultern. Sie schob ihre Brille nach oben auf ihren Kopf, ehe sie ihre langen schwarzen Haare aus dem Dutt befreite. Die Grafikerin trug, wie so oft einen, übergrossen Hoodie, dessen Ärmel sie hochgekrempelt hatte, während ihre modellangen Beine in einer schwarzen Culotte mit schwarzen Stiefeletten steckten. «Du hast nicht reagiert», lautete die Antwort meiner Mitarbeiterin, «Also musste ich zu etwas drastischeren Mitteln greifen.»
«Ich hoff mal, das gibt keine Beule», seufzend löste ich das Papier des Bonbons und steckte mit das Sugus in den Mund. Ironischerweise schmeckte es nach Birne.
«Also Marin», schaltete sich jetzt auch Catherine von ihrer Informatikerecke aus ein, «Feierabendbier, ja oder nein?»
Mein Blick wanderte zum Polaroid von Birne und mir, welches ich vorhin neben die bereits hängenden Polaroids gehängt hatte. Marla hatte mir, als sie sich um meine Haare gekümmert hatte, insgesamt vier Polaroids in die Hand gedrückt, welche an Silvester entstanden waren. Eines war ein Bild, das Birne von mir gemacht hatte, das andere hatte ich von ihm gemacht, sowie zwei Bilder von uns zusammen. Ich war der Meinung gewesen, dass Marla nur ein Bild von uns zusammen gemacht hatte, aber Marla war, wenn es ums Fotografieren geht, schon immer eine kleine Magierin gewesen.
«Definitiv nein», antwortete ich auf die Frage meiner Kollegen, «Ich bin eh gleich weg.»
Neugierig musternd lagen nun die drei paar Augen meiner Kollegen auf mir. Serge, welcher gegenüber Catherine sass, wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, «Date?»
Ich schluckte leer. Zu meinen Kollegen hatte ich ein gutes Verhältnis und obwohl ich nicht trank, ging ich des Öfteren freitags mit zu den Feierabendbierchen. Jedoch war mein Verhältnis jetzt auch nicht so gut, dass ich die drei in mein Liebesleben einweihte und ihnen jedes Detail davon erzählte.
«Gut möglich?», presste ich etwas gequält hervor. Mein Blick wanderte auf die Uhr am unteren Rand meines Desktops. Wenn ich rechtzeitig bei der Berufsschule sein wollte, bevor Birne mit der letzten Prüfung durch war, musste ich langsam los. Also beendete ich meine letzte Arbeit, speicherte alles, ehe ich den Computer herunter fuhr.
«Hallo, wir wollen Details?», rief Giuliana mir zu, während ich etwas hektisch meinen Tisch aufräumte und mein Zeugs zusammenpackte.
Ich winkte ab, «Tschüssi, schönes Wochenende, bis Montag», rappelte ich hastig rufend hinunter, während ich aus dem Zimmer raus, in den Flur und die Treppe hinunter spurtete. Einen letzten prüfenden Blick warf ich auf mein Handy.
Vielleicht war ich etwas zu konzentriert auf die Informationen zur Tram auf meinem Handy, sodass ich nicht sah, wie jemand mir die Arme um die Hüfte schlang. Nur knapp schaffte ich es, mein Handy noch in der letzten Sekunde festzuhalten, bevor es mir runtergefallen wäre.
«Hi», fiepte Birne hyperaktiv. Im nächsten Moment presste er mir einen Kuss auf die Wange.
Sichtlich überrascht blickte ich zu dem Jungen mit den türkisfarbenen Haare, welcher nun an meiner Hüfte klebte, hinunter. «Solltest du nicht noch deine Prüfung schreiben?»
Schmollend löste Birne die Umarmung etwas. «Freust du dich gar nicht, mich zu sehen?»
Leise lachend lehnte ich meinen Kopf gegen den von Birne. «Natürlich», antwortete ich, «Nur wollte ich eigentlich zur Berufsschule fahren und dich da überraschen.»
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in case I fall for you
Aktuelle LiteraturDie große Liebe gibt es. Oder? Wo Mücke die Hoffnung, Liebe zu finden, fast aufgegeben hat, ist Birne fleißig am Suchen. Der eine hält sich lieber fern vom Zwischenmenschlichen, während der andere zwischen Tinder-Dates und hoffnungslosen Schwärmerei...