BIRNE
Gähnend stehe ich am Drucker und warte darauf, dass er endlich den Probedruck eines Flyers rauslässt. Ich will mir ansehen, wie die Farben auf Papier aussehen, bevor ich alles weiterleite.
Die letzten Tage bin ich viel müde. Ich glaube, ich habe den Schlaf, der mir während unserer Zeit im Chalet durch die Finger geglitten ist, immer noch nicht aufgeholt.
Die zweite Nacht ist gut gelaufen. Jedoch hat sich meine Fähigkeit, schlafen zu können, nicht zwingend gesteigert. Ich bin so ziemlich die ganze Nacht angespannt und wach gewesen, während Mücke schlummernd in meinen Armen gelegen hat. Da wundern sich dann alle, warum ich tagsüber schlafe.
Wir haben gekuschelt und das ist auf meinen Mist gewachsen. Ehrlich gesagt bin ich immer noch etwas überrascht, dass er eingewilligt hat, seinen Arm um mich zu legen. Ob das jetzt allerdings etwas bedeutet, weiß ich nicht. Ich frage mich auch, ob er bereits begriffen hat, dass er derjenige ist, auf den ich stehe.
Seit wir zurück sind, werden mir immer wieder skeptische Blicke zugeworfen. Ob Kilian mich schon seit meinem Geständnis beobachtet, kann ich nicht sagen. Meine Aufmerksamkeit ist ganz woanders gewesen.
Ihn zu meiden ist schwerer, seit wir zusammen wohnen, aber ich gehe ihm dennoch aus dem Weg.
Etwas gelangweilt nehme ich den fertigen Druck von der Vorrichtung und sehe ihn mir an. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber das Türkis ist nun mal Türkis.
«Hey.» Erschrocken zucke ich zusammen und starre Lissy mit großen Augen an. Wie konnte ich nicht merken, dass jemand den Kopie-Raum betritt?
Sie trägt mal wieder einen ihrer berüchtigten Hosenanzüge, heute allerdings in grau. «Du gehst mir aus dem Weg.»
«Nicht nur dir», schnaube ich und entspanne mich etwas.
Die Blonde hebt ihre Brauen. «Ach ja? Wem denn noch?»
«Kilian», brumme ich und ziehe meinen USB-Stick aus dem Drucker. «Willst du irgendwas von mir?»
«Gehst du ihm aus dem Weg, weil du mit ihm oder weil du mit seiner Freundin geschlafen hast?»
Das ist der Punkt, an dem sich mein Gehirn aufhängt und ich keine Ahnung mehr habe, was sie von mir will oder wie man überhaupt noch spricht. «Wie kommst du auf sowas?», frage ich nach einer gefühlten Ewigkeit, begleitet von einem unerträglichen Krächzen in meiner Stimme.
Sie zuckt mit den Schultern. «Du meidest mich seit zwei Monaten. Ich dachte, wir wären cool miteinander?» Nun sind es ihre blauen Augen, die sich geschockt weiten. «Aber du stehst doch jetzt nicht auf mich, oder?»
Langsam beginne ich wieder den Weg zu meinem Platz zu beschreiten und hoffe ein wenig, dass Lissy es gut sein lässt. Doch sie folgt mir.
«Ich steh auf wen anders», nuschle ich und halte meinen Druck mit beiden Händen fest.
Aufgeregt macht sie zwei Hüpfer, um mich einzuholen. «In wen? Kenn ich die Person? Ist dieser jemand männlich oder weiblich?»
Irritiert runzle ich meine Stirn. Seit wann interessiert sie sich für mein Privatleben?
«Ich verliebe mich nur in Männer», seufze ich und hoffe, dass sie weg geht.
Kurz stockt sie, ehe sie wieder zu mir aufschließt. «Das ist interessant. Aber nicht in Kilian, oder? Hab gehört, dass ihr zusammengezogen seid», brabbelt sie weiter.
«Was redest du denn da? Kilian ist wie ein Bruder für mich.»
«Ich frag doch nur», blafft sie. «Du machst es echt schwer, ein Gespräch mit dir zu führen.»
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in case I fall for you
General FictionDie große Liebe gibt es. Oder? Wo Mücke die Hoffnung, Liebe zu finden, fast aufgegeben hat, ist Birne fleißig am Suchen. Der eine hält sich lieber fern vom Zwischenmenschlichen, während der andere zwischen Tinder-Dates und hoffnungslosen Schwärmerei...