Kapitel 3: Erinnerungen - überall

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Crowley

„Gib mir den Tod!", forderte Crowley theatralisch. Nun ja. So wollte er zumindest klingen. Tatsächlich lallte er allerdings leicht, während er sich mit einer Hand am Tresen abstützen musste. „Zum wiederholten Male Mr. Crowley: Ich. Verkaufe. Hier. Nicht. Den. Tod!" Bei diesen Worten verdrehte Nina genervt die Augen. Wie oft hatte sie genau diese Diskussionen in den vergangenen vier Monaten mit ihm geführt? Mindestens sieben Mal. „Ich kann ihnen ihren üblichen sechsfachen Espresso anbieten oder einen normalen Kaffee. Noch besser wäre wahrscheinlich ein Tee." Oder Wasser, ergänzte sie in Gedanken. „Aber ich will weder Espresso noch Kaffee und erst recht keinen Tee" grummelte Crowley wie ein bockiges Kleinkind, das seinen Willen nicht bekam. „Ich will den Tod. Und wieso heißt ihr Café überhaupt „Gib mir Kaffee oder gib mir den Tod", wenn letzteres dann doch gar nicht zur Wahl steht. Das ist teuflisch fieses und vor allem falsches Marketing meine Liebe!"

Nina seufzte. „Mr. Crowley, ich weiß, dass es Ihnen wegen ihrer Trennung von Mr. Fell..." „Shhhhhh", unterbrach er sie und legte ihr einen Finger auf die Lippen, wofür er sich weit vorbeugen musste und dabei fast auf die Theke fiel. „Erwähnen Sie nicht diesen ... diesen Namen. Und außerdem ... wie kann man sich denn trennen, wenn man gar nicht ... Und allein das Wort ist ja schon sowas von unpassend. Er hat mich fallen ... zurückgelassen, als ich nicht in seine Pläne passte. Als ich mich nicht wieder in meine persönliche Hölle ... also in den Himmel ... zurückbewegen wollte." Nach diesem Redeschwall nahm er den Finger wieder von ihren Lippen und schaute sie erwartungsvoll an. Sah er da sowas wie Mitleid in ihren Augen? Ein Mensch bemitleidete einen Dämon, so weit war es also schon mit der Welt und ihm gekommen. „Mr. Crowley. Ob Sie es glauben oder nicht, auch ich habe eine schwierige Trenn... Beziehung hinter mir. Doch seit ... ungefähr einem Monat geht es mir langsam wieder besser. Ich finde wieder zu mir, zu der Person, die ich sein will." Crowley schaute sie weiterhin nur durch seine Sonnenbrille hindurch an. Da er es auf die sanfte Art scheinbar nicht verstehen wollte fügte sie ruppiger hinzu: „Verdammt nochmal, fangen Sie an sich zusammenzureißen und nicht bereits um 12 Uhr betrunken in meinem Laden oder sonst wo rumzuhängen. Bekommen Sie ihr Leben wieder auf die Reihe."

„MEIN LEBEN AUF DIE REIHE KRIEGEN", fauchte Crowley sie wutentbrannt an. „Ich habe ihren unfassbar dummen „Ratschlag" befolgt und mit ihm geredet und was habe ich jetzt davon? Er. Ist. Weg. Treibt sich irgendwo da oben im Himmel rum und kriecht in irgendwelche gepuderten Ärsche und hat alles, was er an der Erde liebte dafür zurückgelassen. Und mich darüber hinaus. Und außerdem, wie lange hat ihre Beziehung überhaupt angehalten. Gehe ich mal undämonenhaft optimistisch geschätzt von etwa ... drei Jahren aus. Und nach drei Monaten ging es ihnen besser. Langsam besser. Nicht gut – ihre Worte nicht meine. Macht etwa einen Monat, pro Jahr Beziehung, bis man dieses Stadium erreicht. Überschlagen wir also weiter. Mr. Fell und ich haben etwa 6000 Jahre hier auf der Erde verbracht. Minus ein paar Jahre, die wir uns nicht sahen und plus die Zeit vor der Erde. Dies macht dann also etwa 1000 Monate oder in Jahren ... ", er legte die Stirn in Falten und versuchte grob zu überschlagen, was der Alkohol in seiner Blutbahn aber geschickt zu verhindern wusste. „Ist ja auch egal. Bedeutend länger also als diese lächerlichen drei Monate, die Sie mir hier denken zugestehen zu können." Von der dummen Rumrechnerei brummte ihm der Kopf.

„Schon gut, schon gut", resignierte Nina und blickte auf die sich hinter Crowley öffnende Tür. „Aber jetzt bestellen Sie bitte etwas Sinnvolles, oder sie verlassen meinen Laden. Ich habe Kundschaft." Grunzend erhob sich der Dämon, drehte sich zur Tür und wollte auf schnellstem Weg den Laden verlassen. Dabei hatte er allerdings unterschätzt, wie nah der eingetretene Kunde bereits gekommen war und stieß ziemlich unsanft mit diesem zusammen. „Können Sie nicht aufpassen", fluchte er wütend und hielt sich die Stirn, die Nase, die eine unschöne Bekanntschaft mit der Stirn seines Gegenübers gemacht hatte. „Ich dulde es nicht, dass sie sich so unhöflich meinen Stammkunden gegenüber benehmen Mr. Crowley", rügte Nina ihn sofort. „Entschuldigen Sie sich. Auf der Stelle."

Die Grautöne unserer SeiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt