Kapitel 3

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„May! Es ist Zeit aufzustehen!“

Stöhnend drehe ich mich im Bett herum und verstecke den Kopf unter meinem Kissen. Aber das bringt reichlich wenig, als es meiner Mom nicht mehr reicht durch die Tür zu schreien. Stattdessen tritt sie in mein Zimmer und zieht bestimmt den Rollladen hoch. Sofort ist mein Zimmer Licht durchflutet und zugleich drei Grad wärmer.

„Mom!“

„Es ist fast zwölf Uhr. Komm endlich aus dem Bett raus, wie jeder anständige Mensch auch.“

Erneut stöhne ich, aber ich kenne meine Mutter gut genug, um zu wissen, dass sie mich nicht in Ruhe lassen wird, bis ich aufgestanden bin. Denn es gehört sich nicht den ganzen Tag zu verschlafen, außer man ist krank oder hat eine Nachtschicht hinter sich. Um vier Uhr vom Feiern nach Hause zu kommen, zählt leider nicht zu Zweiterem.

Mit einer Hand die Sonne abschirmend versuche ich mich langsam an die Helligkeit zu gewöhnen und bin Eva fast dankbar, dass ihr Absturz mich gestern Nacht die letzten Stunden hat ausnüchtern lassen. Dann blitzt ein Bild von Noah vor meinem inneren Auge auf und das mit der Dankbarkeit ist auch vorbei. Ist das gestern wirklich passiert? Ich wünschte nicht.

„In zehn Minuten gibt es Mittagessen. Oder Frühstück, je nach dem wie du es nennen willst.“

Meine Mom schmunzelt und ich verdrehe die Augen, doch zumindest lässt sich mich damit allein. Erschöpft lasse ich mich zurück in die Kissen fallen und gebe mir ein, zwei Minuten, um zu mir zu kommen. Dabei laufen Bilder des gestrigen Abends vor meinem inneren Auge vorbei. Wie ich Eva weggezogen habe, nachdem sie sich erbrochen hatte, die überraschten und angeekelten Laute von Noahs Freunden in den Ohren. Wie ich ihre Haare gehalten habe, während sie ihren Magen in ein Gebüsch entleert hat, Noahs Blick im Rücken. Und wie ich alles dafür getan habe, ihm bloß nicht mehr unter die Augen zu treten, bis wir die anderen aus dem Club geholt und uns auf den Heimweg gemacht haben.

Schlimm genug, dass Noah und seine Freunde uns jetzt bestimmt für kleine Kinder halten, die ihre Grenzen nicht kennen. Aber hat Eva mich wirklich mit „Ist das nicht dein heißer Nahbar, in den du so verknallt warst?“ angekündigt? Ich bete, dass Noah nur für das Wochenende hier ist. Dan kann ich mich in meinem Zimmer verstecken, bis er wieder weg ist und ich so tun kann, als wäre das alles nie passiert.

Für den Moment funktioniert das leider noch nicht so gut und am liebsten hätte ich das Gesicht in meinem Kissen vergraben, bis ich nicht mehr vor Scham vergehen will. Gleichzeitig hat sich Noahs Anblick in meinen Kopf gebrannt. Er sah… erwachsener aus. Breitere Schultern, kantigere Gesichtszüge. Und leider steht es ihm verdammt gut.
Ich habe früher gedacht, dass niemand schöner sein könnte als er. Habe seine verwuschelten Locken geliebt und diese intensiven blauen Augen. Wahrscheinlich ist David deswegen für mich auf diese Art und Weise interessant geworden, als Noah zum Studieren fortgezogen ist. Weil die beiden mit ihren Haaren und dem breiten Grinsen sich mit etwas Fantasie  doch sehr ähnlich sehen. Aber so attraktiv David auch ist… Noah hat früher mein Herz zum Aussetzen gebracht. Und der kurze Moment gestern lässt mich befürchten, dass er es noch immer kann.

Nachdem ich fünf Minuten mit Selbstmitleid verplempert habe, zwinge ich mich doch zum Aufstehen und tapse in einer kurzen Sweat-Shorts und einem Top nach unten. Tim sitzt schon am Esstisch und Mom hantiert am Herd herum, von dem sie aufblickt, als sie mich hört.

„Spätzchen, könntest du bitte Teller bringen?“

Ich stoße ein Brummen aus und Tim grinst mich schadenfroh an, wohlwissend, dass er genauso gut Teller holen könnte. Also strecke ich ihm die Zunge raus, erhebe aber keine Widerworte. Das ist die Energie nicht wert.

Dankbarerweise habe ich keinen empfindlichen Magen und kann auch direkt nach dem Aufstehen deftig essen. Alles andere hätte mir meine Mom sowieso nicht durchgehen lassen. Entsprechend tun die Spaghetti Bolognese sogar gut, um das noch leicht flaue Gefühl in meinem Magen final verschwinden zu lassen.

F*ck Growing upWo Geschichten leben. Entdecke jetzt