Ich war selten so nervös, wie während der Fahrt zum Supermarkt. Vor dem Ausflug mit Dad ist es Wochen her gewesen, dass ich das letzte Mal am Steuer saß, und leider fühlt es sich bisher noch so gar nicht wie Fahrrad fahren an. Entsprechend habe ich gewartet, bis Mom fort war, bevor ich mich mit einem Einkaufskorb, der Einkaufsliste und ein m Kaugummi gegen die Nervosität bewaffnet ins Auto gesetzt habe. Sie muss ja nicht unbedingt sehen, wie ich beim rückwärts Ausparken aus der Auffahrt schon den ersten Bordstein mitnehme. Obwohl, vielleicht hätte sie das zumindest zur Vernunft gebracht.
Ich fahre durchschnittlich zehn Kilometer pro Stunde weniger als erlaubt und bekomme einen halben Herzinfarkt, als ich an einer leichten Steigung anfahren muss. Aber inzwischen hat mich eine grimmige Entschlossenheit gepackt, das hier durchzuziehen. Sollen sie doch alle sehen, dass ich das kann. Ich habe es satt mich wie ein kleines Mädchen behandeln zu lassen. Von Noah, von Mom, von allen!
Als ich eine geschlagene Stunde später vollbepackt mit Einkäufen zurückkomme, hat sich dieser Entschluss in mir festgesetzt. Wenn Mom meint, ich bin so weit, mit dem Auto allein einkaufen zu gehen, dann beschließe ich, dass ich auch soweit bin, allein woanders hinzufahren. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir allerdings, dass ich mich beeilen muss, wenn ich es noch zu meinem heutigen Ziel schaffen will. Also schreibe ich Eva einen kurzen Einzeiler („Ich komme!") und verräume alles in Windeseile. Dabei ist es mir ziemlich egal, ob ich Moms Küchenordnung einhalte oder nicht. Soll sie doch beim Kochen nach den passierten Tomaten suchen.
Dann flitze ich nach oben, schlüpfe in ein Strickkleid, welches für das Ereignis angebrachter erscheint als mein derzeitiges Outfit, und schminke mich grundlegend, um zumindest nicht wie eine wandelnde Leiche auszusehen. Normalerweise hätte ich das Outfit mit meinen Stiefeletten mit Absatz kombiniert. Aber ich will meine Fahrkünste nicht überstrapazieren, also werden es stattdessen meine Chucks und schon verabschiede ich mich mit einem lauten „Tschüss!" bei Tim. Die Wahrscheinlichkeit, dass er meinen Hausarrest schon wieder vergessen hat, stehen gut. Und selbst wenn er es Mom petzen sollte, kann sie ja gerne versuchen, sich mit mir anzulegen. Ich lass mich nicht länger hier einsperren, um ganz Aschenputtel gemäß die Hausarbeiten zu verrichten.
Es fühlt sich berauschend an, sich ins Auto zu setzen und den Zündschlüssel umzudrehen. Freiheit. Die Fenster runtergelassen, um die laue Herbstnacht einzulassen, atme ich tief durch. Dann setze ich mit einem breiten Grinsen zurück. Am Haus der Millers vorbeizufahren, versetzt mir einen kurzen Stich, aber ich will mich nicht länger von irgendjemandem oder meinen Gefühlen einengen lassen. Ich habe ein Leben ohne Noah und das habe ich vor, in vollen Zügen zu genießen.
Die ganze Fahrt fühlt sich wie ein Hoch an. Ich drehe die Musik laut auf, singe mit und trommle auf dem Lenkrad, während ich die Landstraße entlang fliege und den Anweisungen der Navigation folge.
Die Aufführung findet jedes Jahr im Gemeindehaus eines benachbarten Stadtteils statt. Die Strecke ist also nicht allzu lang und mir vertraut. Das gibt mir genug Selbstvertrauen, trotz schnell klopfenden Herzens die Unabhängigkeit zu genießen, die das Auto mir gibt. Mit dem Bus hätte ich umsteigen müssen und sicherlich doppelt so lang gebraucht. So komme ich tatsächlich noch rechtzeitig zu Beginn der Vorführung an und kann einen Sitzplatz an der Abendkasse ergattern.
Eva sehe ich nicht mehr. Ich weiß genau, was für ein Chaos jetzt hinter der Bühne herrscht und bin beeindruckt, dass sie die Zeit gefunden hat, um mir ein „OMG yay!" zurückzuschicken. Umso gespannter bin ich, als die Lichter im Raum ausgehen und alle Aufmerksamkeit sich nach vorne richtet. Die ganze Veranstaltung läuft unter dem Namen „Cinderella revised", was mich ironisch auflachen lässt. Da will mir das Schicksal wohl etwas sagen.
Aber alle Gedanken an Mom, Dad, Noah und das Chaos, was sich mein Leben nennt, sind vergessen, als die ersten Tänzer die Bühne betreten und mich in eine andere Welt entführen. Die Aufführung ist fantastisch. Cinderellas Geschichte mit Frauenpower, statt Prinzen, und moderner Musik. Mir steht zudem nicht schlecht der Mund offen, als Eva ihren ersten Auftritt hat und uns alle als wunderschöne Cinderella verzaubert. Sie hat nie erzählt, dass sie die Hauptrolle ergattert hat! Es dauert bestimmt eine Minute, bevor ich mich wieder gefasst habe. Aber dann juble ich am lautesten von allen.
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F*ck Growing up
Teen FictionMay will nichts lieber, als ihr letztes Schuljahr richtig mit ihren Freunden zu genießen. Das gestaltet sich allerdings schwer, seitdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen, ihre Mutter Schicht arbeitet und sie im Haushalt mithelfen muss. Da hilft...