Kapitel 23

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Ich bin ein nervliches Frack, während ich im Auto auf Noah warte. Bei jedem sich nähernden Scheinwerfer zucke ich zusammen und werde immer wieder von unkontrollierbaren Heulkrämpfen geschüttelt. Aber es hält niemand an und es taucht auch kein plötzliches Blaulicht auf, bis ein vertrautes Auto auf meiner Höhe langsamer wird. Ich habe die Fahrertür geöffnet und stolpere Noah entgegen, noch bevor er seinerseits die Tür aufreißt und auf mich zustürzt.

„May! Ist alles okay bei dir?"

Meine Antwort besteht aus einem bitterlichen Schluchzen, das ich an seiner Brust zu ersticken versuche, während er mich in eine so feste Umarmung zieht, dass ich unter anderen Umständen Angst gehabt hätte, zerquetscht zu werden. So bin ich einfach nur dankbar, dass jemand anderes die Aufgabe übernimmt mich zusammenzuhalten, während die Anspannung und Angst aus mir hervorbrechen.

Er ist da. Er wird mir helfen. Ich muss nicht ins Gefängnis oder bekomme den Führerschein entzogen. All die schrecklichen Szenarien, die mir die letzten Minuten durch den Kopf geschossen sind, mir die Brust zugeschnürt und mein Herz zum Holpern gebracht haben, verblassen langsam in Noahs Nähe.

Es dauert trotzdem mehrere Minuten, bis ich mich wieder fasse und um Luft ringe, in denen mich Noah einfach hält. Dann drückt er mich jedoch ein Stück von sich und schaut mich eindringlich an.

„Bist du verletzt?"

Ich schüttle den Kopf, da mein Hals für Worte noch zu fest zugeschnürt ist, aber das reicht Noah anscheinend. Mit einem erleichterten Seufzer sacken seine Schultern herab. Für einen Moment schließt er die Augen, als müsse er sich sammeln, und als sie sich wieder öffnen, wirkt seine Miene deutlich härter.

„Was hast du hier überhaupt allein zu suchen? Wo ist deine Begleitperson?"

Bei dem anklagenden Tonfall beginnen meine Augen wieder zu brennen, doch ich verbiete mir zu weinen. Noahs Wut ist mehr als gerechtfertigt. Entsprechend kleinlaut fällt meine Antwort aus.

„I...ich bin allein gefahren. Mom hat mich zum Einkaufen geschickt und i...ich hab gedacht, wenn sie das von mir verlangen kann, dann kann ich mir auch das Auto nehmen. Ich w...weiß nicht, wie das hier passieren konnte."

Noahs Gesicht ist versteinert. Ich rechne jede Sekunde damit, dass er wütend wird. Schreit. Mir sagt, was für eine Idiotin ich bin. Dass er schlussendlich gar nichts von sich gibt, sondern mich nur mit verschlossener Miene zur Seite schiebt, ist fast noch schlimmer.

Unsicher blicke ich ihm hinterher, als er sich vor den geplatzten Reifen kniet und ihn genau mustert. Der Anblick beschert mir eine Gänsehaut, denn er macht mir bewusst, wie glimpflich ich davongekommen bin. Was wäre passiert, wenn ich in den Gegenverkehr abgekommen wäre? Oder nicht mehr schnell genug hätte bremsen können? Ein Universum voller möglicher Ausgänge breitet sich vor mir aus und lässt mich die Arme um mich schlingen, als das Zittern wieder anfängt. Das hier war so knapp. So verdammt knapp.

Ohne ein Wort holt Noah das Ersatzrad. Er scheint genau zu wissen, was er tun muss, als er das Auto mit einer kleinen Vorrichtung aufbockt und innerhalb von Minuten das Rad wechselt. Ich stehe nur nutzlos nebendran und fühle mich elend. Ein, zwei Mal überlege ich, ein Gespräch anzufangen, weil ich die Stille nicht ertrage. Aber dann sehe ich Noahs grimmiges Profil und weiß, dass ich die Klappe halten sollte. Keine Ahnung, was ihm gerade durch den Kopf geht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es mit mir zu tun hat und nichts Schönes beinhaltet.

Als die Räder gewechselt sind und Noah den platten Reifen im Kofferraum verstaut hat, schaue ich ihn hilflos an. Er schafft es nicht mal mir ins Gesicht zu blicken. Stattdessen konzentriert er sich auf seine Hände, die er grob mit einem Taschentuch säubert. Diese Distanz, die unverhohlene Enttäuschung, machen mich verrückt, bis ich es nicht mehr aushalte.

F*ck Growing upWo Geschichten leben. Entdecke jetzt