Je näher wir uns zu Hause nähern, desto mehr schwindet das Hochgefühl und macht einem nervösen Kribbeln platz. Tim auf meiner Seite zu wissen, bedeutet mir viel, trotzdem weiß ich nicht, wie Mom und Dad begegnen soll. Meine Wut ist verraucht, gleichzeitig will ich es ihnen nicht zu leicht machen. Es ist nicht nur an mir, mich zu entschuldigen. Und sollten sie meinen, mich mit Vorwürfen begrüßen zu müssen, dann bin ich genauso schnell wieder weg, wie ich gekommen bin.
Entschlossen beiße ich die Zähne zusammen und sammle allen Trotz in mir, um mich für die Begegnung zu wappnen, als wir in unsere Straße abbiegen. Es ist inzwischen vier Uhr nachts und auf der ganzen Strecke sind wir keiner Menschenseele begegnet. Meine Augenlider fühlen sich schwer an, gleichzeitig hält das Adrenalin in meinen Adern mich wach. Trotzdem bemerke ich die Gestalt nur verzögert, die gerade auf dem Grundstück der Millers aus einem Auto aussteigt. Wäre mein Gehirn nicht so trainiert darauf, nach Noah Ausschau zu halten, wäre er mir wohlmöglich komplett entgangen.
So reiße ich zeitgleich mit ihm den Kopf herum.
„May?"
Noahs Tonfall schwebt zwischen Ungläubigkeit und Erleichterung und ich komme noch nicht Mal ganz mit dem Fahrrad zum Stehen, da schließen sich schon zwei starke Arme um mich. Sofort lehne ich mich in die Umarmung und schließe geborgen die Augen, während Noahs Hand sich schützend um meinen Hinterkopf legt und er mit seinen breiten Schultern den Rest der Welt ausschließt.
„Gott, ich hab mir solche Sorgen gemacht."
Es ist erschreckend und gleichzeitig beruhigend das Zittern in Noahs Stimme zu hören. Es lässt mich das Gesicht noch tiefer an seiner Brust vergraben und ihn fest an mich drücken. Dabei sind all die bösen Worte vergessen, die erst wenige Stunden zuvor zwischen uns gefallen sind. Oder mein Vorsatz endlich die Hoffnungen zu begraben, Noah könnte irgendwann mehr sein als mein Nachbar oder ein guter Freund. Aber wie soll ich das auch, wenn er mich so hält? Wenn mein Herz mir fast aus der Brust springt, weil es noch näher zu Noah will? Es ist das quälendste und schönste zu gleich.
„Das tut mir leid. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten. Ich... ich habe es nur einfach nicht mehr ausgehalten."
Als könnte er es erst jetzt fassen, dass ich es wirklich bin, da er meine Stimme gehört hat, atmet Noah mit einem Seufzen aus und lässt mich langsam wieder los. Am liebsten hätte ich ihn festgehalten, aber als seine Hände auf meinen Schultern liegen bleiben und ich ein Blick auf sein müdes Gesicht erhasche, schiebe ich den verliebten Teenie in mir zur Seite. Er hat sich wirklich Sorgen gemacht. Und egal was wir sind, das bedeutet mir etwas.
„Ich weiß. Ich... verstehe."
Ein Blick in Noahs Augen verrät mir, dass er es wirklich tut. In ihnen ist nichts als Anteilnahme und ein entschlossenes Funkeln zu sehen. Doch bevor ich fragen kann, was das genau heißt, drückt er meine Schultern und lächelt sanft.
„Aber du solltest erstmal reingehen. Da sind zwei, die es kaum abwarten können, dich zu sehen."
Die Erwähnung meiner Eltern lässt einen Knoten in meinem Bauch entstehen. Hoffnungsvoll schaue ich zu Noah auf, während ich unsicher die Lippen zwischen die Zähne ziehe. „Kommst du mit?"
Kurz zuckt Überraschung über Noahs Gesicht, doch sie verflüchtigt sich schnell wieder und macht einer aufmunternden Miene Platz. „Ich glaube, das solltet ihr als Familie klären. Ich habe vorhin lang mit deiner Mutter und deinem Vater geredet." Der bedrohliche Unterton in Noahs Stimme, lässt mich erschrocken die Augen aufreißen. „Ich glaube, dein Verschwinden hat beide zum Nachdenken angeregt. Außerdem sehe ich, hast du schon tatkräftige Unterstützung."
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F*ck Growing up
Teen FictionMay will nichts lieber, als ihr letztes Schuljahr richtig mit ihren Freunden zu genießen. Das gestaltet sich allerdings schwer, seitdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen, ihre Mutter Schicht arbeitet und sie im Haushalt mithelfen muss. Da hilft...