Kapitel 23: Ungewissheit

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Jonas:
Als ich am nächsten Morgen wach wurde fühlte ich mich, als hätte mich ein Lastwagen überfahren. Ich hatte die Nacht kaum geschlafen und dies lag nicht nur daran, dass meine Freundin nicht bei mir war. Inzwischen hatte ich mich viel zu sehr daran gewöhnt sie jeden Abend bei mir zu haben. Im Moment überwog allerdings immer noch die Sorge um Jacki. Sie hatte zwar „nur" ihr rechtes Sprunggelenk gebrochen und dazu eine Gehirnerschütterung, aber trotzdem musste der Bruch heute operativ versorgt werden. Miriam war heute Morgen direkt zu ihrer Tochter gefahren und ich hatte meiner Freundin versprochen mich um die Pferde zu kümmern. Besonders um ihren Hengst Santano machte sie sich Sorgen und deshalb hatten wir gestern vorsichtshalber den Tierarzt angerufen, ob er heute vorbei kommen könnte. Ich hatte natürlich schon nach dem Hengst von Jacki geschaut und mir war nichts aufgefallen. Trotzdem war ich kein Fachmann und so wäre Jacki sicherlich beruhigter. Die Ärzte meinten, dass sie viel Ruhe brauchte und deshalb zur Beobachtung noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben musste. Zum Glück trug meine Freundin beim Reiten immer einen Helm, denn ansonsten wäre ihr Unfall ganz anders ausgegangen.

Nachdem ich mich endlich aus dem warmen Bett gequält hatte, wollte ich eigentlich direkt zu den Pferden. Allerdings schlich sich ein köstlicher Duft in meine Nase und deshalb schaute ich doch noch einmal kurz in der Küche nach. Über das Bild welches mir dort geboten wurde war ich doch etwas verwundert. Lia stand zusammen mit Friedrich in der Küche und machte irgendwas am Herd. Friedrich allerdings lehnte nur an der Theke und schaute lächelnd zu seiner Patentochter. Seit wann war Lia hier und wie ist sie vor allem hier hin gekommen? Laut Markus Erzählungen wollte sie doch mit ihrer Mutter in den Urlaub. Ich schloss die Tür hinter mir und so wurden Lia und Friedrich auf mich aufmerksam.
„Jonas! Hast du einigermaßen gut geschlafen?" begrüßte sie mich. Ich lief auf die Blondine zu und lungerte über ihre Schulter. Es sah so aus als würde sie Rührei machen und auf dem Herd stand auch noch ein Topf mir Milch.
„Ja so weit schon. Seit wann bist du überhaupt hier?" fragte ich Lia und diese lächelte mich nur an.
„Gestern bin ich mit Mama und Sebastian spät Abends angekommen. Markus hat erzählt was passiert ist und wir wollten euch nicht alleine lassen." Erzählte sie mir. Genau das machte Lia aus und genau für diese Eigenschaft schätzte ich sie so sehr. Sie war immer für einen da und selbst, wenn sie dafür Kilometer weit fahren musste.
„Du kannst dich gerne schon setzen. Jens holt zusammen mit Mama und Sebastian Brötchen und Katharina ist noch im Bad." Bot Lia mir an, aber ich musste dieses Angebot dankend ablehnen.
„Danke, aber ich muss vorher noch einmal nach Santano schauen. Ich habe es Jacki versprochen." Teilte ich Lia mit und diese nickte. Ich wollte grade gehen, aber dann fing sie wieder an zu reden.
„Es könnte sein, dass du Sunny im Stall triffst. Sie meinte heute Morgen zu mir, dass sie zu Jackis Pferd wollte und bis jetzt war sie noch nicht wieder da." Erzählte Lia mir. Es war wirklich verwunderlich, dass alle vor mir wach waren. Als sie das erste mal auf dem Reiterhof Urlaub gemacht hatten, waren Jacki und ich immer deutlich vor den anderen wach. Allerdings konnten sicherlich alle genauso schlecht schlafen wie ich. Sunny machte sich sicherlich große Sorgen um Jacki und ich würde gleich sicherlich mit ihr reden können. Eigentlich wollte ich ihr gestern schon Bescheid geben, aber sie war schon am schlafen.

Als ich im Stall ankam traf ich wie erwartet auf Sunny dort. Sie war bei Santano und redete mit ihm was ich erst nicht verstanden hatte. Ich wollte sie nicht belauschen, aber genauso wenig wollte ich sie erschrecken.
„Ich hatte mir diesen Urlaub wirklich anders vorgestellt. Jacki und ich hatten so viel gemeinsam vor..." seufzte Sunny und legte ihre Arme um den Hals von Jackis Hengst. Ich stand vor dem Gattertor und dann schien Sunny mich zu sehen. In ihren Augen blitzte sofort die Hoffnung auf und ich schenkte ihr ein Lächeln.
„Ihr werdet auch noch ganz viel Zeit mit einander haben. Vielleicht könnt ihr nicht das machen, was ihr geplant habt, aber Jacki wird bald nach Hause kommen." Meinte ich zu Sunny und sah wie ihr die Last von den Schultern abfiel. Vielleicht war es gestern die falsche Entscheidung von Jackis Unfall zu erzählen, denn ich konnte niemanden mitteilen, was genau meine Freundin an Verletzungen hatte. Ich war selber in dem Moment so in Sorge, dass ich gar nicht daran gedacht hatte, wie sich zum Beispiel Sunny fühlen muss.
„Das heißt es geht ihr gut?" fragte Sunny noch einmal nach und ich nickte. Sunny atmete erleichtert aus und drückte Santano noch einmal etwas fester.
„Sie wird grade operiert, aber es ist wirklich nur ein kleiner Eingriff. Jacki hat sich das Sprunggelenk gebrochen und eine leichte Gehirnerschütterung. Ansonsten ist sie wirklich gut davon gekommen und das haben wir viel ihm zu verdanken." Nickte ich in die Richtung von Santano. Ich öffnete das Tor und ging ebenfalls in die Box um den Hengst kurz zu streicheln.
„Wäre er nicht zurück zum Hof geritten, dann hätte Jacki noch einige Zeit im Wald gelegen. Danke mein Großer." Bedankte ich mich zum Schluss bei Santano der kurz schnaubte. Sunny schaute nur lächelnd zu mir und wir schwiegen eine ganze Weile.

„Weißt du schon, wann ich sie besuchen kann?" brach Sunny irgendwann die Stille. Wir standen die ganze Zeit schweigend bei Santano im Stall. Es war eine angenehme Stille.
„Miriam wollte sich melden so bald sie wach ist. Ich weiß nicht wie viel Besuch Jacki empfangen darf, aber du kannst heute Nachmittag bestimmt zu ihr. Immerhin war ich gestern schon bei ihr und dich sieht sie nicht so oft wie mich." Zwinkerte ich Sunny zum Schluss kurz zu und ihr blieb der Mund offen stehen. Sie schüttelte den Kopf und wusste wohl nicht was sie sagen sollte.
„Nein...Du bist ihr Freund und sie will dich sicherlich lieber sehen als mich." Stammelte Sunny und ich grinste kurz.
„Du bist ihre beste Freundin und ihre Cousine. Ich bin mir auch relativ sicher, dass Jacki dich genauso gerne sehen würde wie mich. Wir warten erst einmal ab was Miriam sagt okay?" schlug ich Sunny vor und diese nickte. Augenblicklich später fiel mir Sunny auch schon um den Hals und ich legte meine Arme auch um sie.
„Ich bin so froh, dass es ihr gut geht." Murmelte sie. Ich war auch mehr als erleichtert, dass es Jacki den Umständen entsprechend gut ging. So etwas wie gestern wollte ich erst einmal nicht erleben.
Nachdem Sunny sich von mir gelöst hatten beschlossen wir in die Küche zu gehen um zu frühstücken. Immerhin sollte sich Lia die ganze Mühe nicht umsonst gemacht haben.

Lia:
Nachdem Markus mich angerufen und über Jackis Unfalls informiert hatte, war natürlich sofort klar gewesen, dass ich mich auf dem Weg zu den Keilmanns machen würde. An Mamas Verständnis hatte ich nicht gezweifelt und freute mich sehr, dass sie nun mit Sebastian auch hier war. Wir hatten schon gestern besprochen, dass wir unseren Urlaub verschieben würden. Mama und ich könnten noch jedes andere beliebige Wochenende zur Nordsee fahren. Jacki war meine Freundin und sie brauchte mich im Moment. Sie würde das selbe auch für mich machen. Außerdem tat es Sunny sicherlich gut, wenn etwas weibliche Unterstützung hatte. Sie hatte Maxi nicht Bescheid gegeben und wollte es auch nicht. Dieser war im Moment so mit seinen Prüfungen beschäftigt und würde sich ebenfalls sofort auf dem Weg machen. Deshalb wollte sie nicht, dass er vorerst von Jackis Unfall wusste. Herr Maximilian würde Sunny nur weiter die Schuld geben und sie hatte doch so schon genug mit den ganzen Vorurteilen zu knacken.

Die Stimmung beim Frühstück war trotzdem irgendwie gedrückt. Sunny stocherte die ganze Zeit in ihrem Rührei rum und erntete dafür einen besorgten Blick nach den anderen.
„Sunny was hältst du davon, wenn wir nachher eine Runde mit Peanut und Whiskey gehen?" fragte ich die Blondine und diese zuckte nur mit den Schultern. Als hätte Whiskey uns verständen bellte er kurz auf. Peanut hatte wohl nicht damit gerechnet und zuckte kurz zusammen. Dann legte sich meine Hündin allerdings wieder zu den Labrador auf die Decke. Ich war wirklich froh, dass die beiden Hunde sich so gut verstanden. So hatte ich keine Bedenken und konnte Peanut immer unbesorgt mit zu den Keilmanns nehmen.
„Das ist eine gute Idee. Jacki würde sich sicherlich sehr darüber freuen." Legte Jonas eine Hand auf die Schulter von Sunny. Diese erhob ihren Blick und schaute mich mit traurigen Augen an.
„Und was wenn Miriam sich in der Zeit meldet?" fragte Sunny nach. Wir hatte noch keine Informationen, wie die OP verlaufen war und ob Jacki heute Besuch empfangen durfte.
„Wir gehen nicht weit und haben unsere Handys mit, okay?" schlug ich der Schwester meines Freundes zu und diese stimmte zu. Friedrich lächelte mir dankend zu und auch Markus legte mir eine Hand aufs Knie.

„Wie spät fahrt ihr denn, Lia?" fragte Markus mich. Es fühlte sich komisch an, wenn er meinen Namen aussprach. In den meisten Fällen nannte er mich doch Prinzessin oder doch Schatz. Allerdings machte Markus dies so gut wie nie, wenn seine Eltern anwesend waren.
„Gar nicht. Mama und ich haben unseren Urlaub verschoben." Erzählte ich den anderen. Alle schauten mich wirklich sehr geschockt an und Jens war der erste der seine Sprache wieder fand.
„Wegen uns braucht ihr euren Urlaub wirklich nicht verschieben. Wir kommen hier schon klar." Meinte er und ich wollte grade etwas dazu sagen, aber Mama kam mir zu vor.
„Es ist eh schon alles geklärt und Lia und ich können hier genauso ein paar schöne Tage verbringen. Wir helfen euch wirklich sehr gerne." Gab Mama als Antwort. Jens bedankte sich bei uns beiden und auch noch bei Sebastian, dass er ebenfalls hier blieb. Der Plan war, dass Jens und Miriam so viel Zeit wie sie wollten bei Jacki im Krankenhaus verbringen konnte. Wenn dies hieß, dass ich Pferdemist oder sonstiges beseitigen musste, dann war es eben so.

Nach dem Frühstück hatte ich mich mit Sunny direkt auf dem Weg gemacht. Wir wollten mit Whiskey und Peanut ein bisschen um das Gestüt rum laufen. Sunny war wirklich sehr schweigsam, aber ich wollte sie auch nicht bedrängen. Die Blondine würde reden, wenn sie wollte. Ich wusste wie es war im einen lieben Menschen zu bangen. Bei Jacki war es nicht all zu schlimm, aber Sunny kannte so eine Situation noch nicht und für sie musste es sich sehr schlimm anfühlen.
„Hattest du bei deinem Vater auch solche Angst?" riss Sunny mich auf einmal aus meinen Gedanken.
„Sorry..." murmelte sie sofort. Früher hätte ich sehr empfindlich auf diese Frage reagiert, aber inzwischen kam ich einigermaßen damit klar. Natürlich fehlte Papa mir und es gab schlimmere und bessere Tage. Ich hatte allerdings gelernt mit diesem Schmerz umzugehen und dies hatte ich den Urlaub bei Jacki zu verdanken. Hier wurde ich mit all den Erinnerungen konfrontiert und hatte keine Chance vor meinen Gefühlen zu flüchten. Zusammen mit Whiskey bin ich zu den Orten gelaufen, wo ich viel Zeit mit Papa verbracht hatte. Er kannte meinen Vater nicht und hörte mir die ganze Zeit zu.
„Alles gut, Sunny. Ich hatte wirklich sehr Angst, aber ich war nicht alleine. Mama, Markus, Katharina und Friedrich waren die ganze Zeit für mich da und bei dir ist es genau so. Wir sind alle für dich da und Jacki wird ganz bald wieder nach Hause kommen." Versuchte ich die Blondine zu beruhigen. Sunny nickte und schwieg wieder etwas. Es muss wirklich sehr schwer für sie sein und das verstand ich auch.
„Jonas meinte genau das selbe zu mir. Ich habe nur solche Angst um Jacki, weil ich kenne es nicht, wenn jemand im Krankenhaus liegt, den ich gerne habe." Seufzte sie. Ich schenkte Sunny ein Lächeln und kurz erwiderte die Blondine dies.
„Das verstehe ich Sunny. Mir würde es an deiner Stelle nicht anders gehen." Meinte ich zu der Blondine und diese nickte. Sie wollte grade etwas sagen, aber dann klingelte ihr Handy und sofort ging Sunny natürlich dran.
„Jonas?" fragte sie schon fast panisch ins Telefon. Sekunden später zeichnete sich auf Sunnys Lippen allerdings ein breites Lächeln.
„Wir kommen sofort. Ja bis gleich." Legte sie erfreut auf und schaute mich strahlend an.
„Ich darf mit Jonas zu Jacki." Erzählte sie mir und sofort hielt ich meine Hand hin um ihr die Leine abzunehmen.
„Na los geh schon zurück. Ich laufe mit den beiden noch ein bisschen." Meinte ich zu ihr und Sunny nickte lächelnd. Sekunden später rannte sie auch schon los und machte sich auf den Weg zurück zu dem Gestüt Keilmann. Ich würde noch ein bisschen mit Whiskey und Peanut durch die Gegend laufen und meinen Gedanken nach gehen.

Unser letzter SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt