Kapitel 22: Angst

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Markus:
Nachdem ich die Shoppingtour mit Sunny überstanden hatte, wollte ich mir eigentlich eine schöne heiße Dusche gönnen. Meine Schwester wollte schon einmal alles für ihren Mädelsabend vorbereiten und ich konnte heute Abend sicherlich noch mit meiner Freundin telefonieren. Lia und ihre Mutter würden morgen los fahren und meine Freundin meinte schon, dass es an dem Ort wo sie sich befand nicht das beste Netz gab. Also musste ich die letzten Stunden mit ihr ausnutzen.
Sunny und ich betraten das Haus der Keilmanns und es war wirklich erschreckend ruhig. Normalerweise kam uns immer mindestens einer entgegen, aber dieses mal war niemand zu sehen. Als Sunny und ich die Küche betraten fanden wir dort auch nur unsere Eltern vor. An den Gesichtern von den beiden sah ich allerdings direkt, dass irgendwas passiert war.
„Na ihr zwei, wie war euer Ausflug?" fragte Mama uns. Sunny schaute mich an und schien auch direkt zu merken, dass etwas nicht stimmte.
„Gut. Was ist passiert?" wollte ich direkt wissen. Mama und Papa schauten sich an und dann klopfte Papa auf dem Stuhl neben sich.
„Kommt mal her. Es ist besser, wenn ihr euch dafür setzt." Wieder schauten Sunny und ich uns an und gingen auf die freien Plätze neben Mama und Papa zu. Selbst als wir beide saßen schwiegen die beiden immer noch.
„Was ist denn nun los? Ich muss noch alles für Jacki und meinen Mädelsabend vorbereiten." Brach Sunny nun die Stille. Mama und Papa warfen sich einen Blick zu und in dem Moment wusste ich, dass irgendwas mit unserer Cousine war. Hoffentlich war es nichts schlimmes, denn es würde Sunny den Boden unter den Füßen wegreißen, wenn sie ihre beste Freundin verlieren würde. Gleichzeitig wollten wir auch nicht unsere Cousine verlieren, aber ich war mir ganz sicher, dass es um sie ging.
„Sunny Süße... Jacki wird heute nicht kommen. Sie hatte einen Reitunfall und ist im Krankenhaus." Erklärte Mama uns. Sunny wich jegliche Farbe aus dem Gesicht und sie schüttelte den Kopf. Papa griff nach ihrer Hand und versuchte sie wohl so zu beruhigen.
„Nein, dass kann nicht wahr sein. Jacki reitet doch so gut. Ihr müsst euch sicherlich verhört haben." Sunnys Stimme klang mehr als brüchig und ich sah schon wie sich Tränen in ihren Augen bildeten.
„Jonas war vorhin kurz hier und hat es uns erzählt. Er wusste noch nicht genau wie es Jacki ging, aber sie war auf jeden Fall ansprechbar. Es wird sicherlich alles gut werden." Redete Mama auf Sunny ein, aber diese sprang sofort auf. Papa wollte grade zu ihr eilen, aber ich schüttelte den Kopf.
„Ich muss hier raus. Es tut mir leid." Schniefte Sunny und eilte aus der Küche. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie in den Stall gehen würde. Sunny wollte bestimmt schauen ob Santano da war. Er war wohl im Moment die stärkste Verbindung, die man zu Jacki aufbauen konnte.

Mama und Papa schauten sich nach Sunnys Flucht verzweifelt an und Papa wollte schon aufstehen. Vermutlich wollte er nach Sunny schauen, aber das war wohl keine gute Idee.
„Gibt ihr ein bisschen Zeit und dann werde ich nach ihr schauen. Für Sunny muss dies ein großer Schock sein. Jacki ist nicht nur ihre Cousine sondern auch ihre beste Freundin. Sie wird sich fürchterliche Sorgen machen, da keine sagen kann, wie es Jacki geht. Sunny wird einfach ein bisschen Zeit für sich brauchen." Erklärte ich unseren Eltern. Diese schauten sich an und Mama nickte dann. Natürlich fiel es ihnen schwer Sunny alleine zu lassen, aber genau das brauchte sie im Moment. Ich war mir ganz sicher, dass sie bei Santano war, denn ansonsten wäre sie hoch in Jackis Zimmer gerannt.
„Versprich uns, dass du gleich nach ihr schaust." Meinte Papa und ich nickte nur. Niemals würde ich Sunny jetzt alleine lassen. Die ganze Nacht würde ich bei ihr bleiben.
„Ich telefoniere gleich kurz mit Lia und dann schau ich nach Sunny, versprochen." Gab ich den beiden mein Wort und damit gaben sie sich zufrieden. Wir saßen dann noch einige Zeit schweigend bei einander und dann verabschiedete ich mich von meinen Eltern. Um mit Lia zu telefonieren setzte ich mich nach draußen auf die Bank, denn so könnte ich sehen, wenn Sunny den Stall verließ.

Nach ein paar Sekunden nahm meine Freundin das Telefonat schon entgegen und es raschelte am Anfang kurz, dass es ich den Hörer von meinem Ohr weg halten musste. Ich entschied mich dazu den Lautsprecher anzustellen, denn uns würde eh niemand hören.
„Sorry ich musste noch eben was in meinem Koffer packen. Sebastian will die Sachen unbedingt heute Abend schon ins Auto packen. Er sagt Mama und ich hätten dafür keine Geduld und zu wenig mathematischen Verstand das Auto zu beladen." Redete Lia los. Ich wollte grade was sagen, aber dann klopfte es auch schon an der Tür.
„Warte mal kurz, dass ist sicherlich Sebastian." Wandte sich Lia wieder an mich und hörte dann Schritte. Ihre Tür ging auf, die immer noch ein wenig quietschte und dann fragte Sebastian ob ihr Koffer fertig gepackt wäre.
„Ja also das hier ist mein Koffer und der hier ist von Peanut." Ich musste mir nach ihren Worten wirklich das Lachen verkneifen. Wofür brauchte der kleine Zwergspitz einen eigenen Koffer? Diese Frage stellte auch grade Sebastian, aber Lia kam natürlich mit allmöglichen Argumenten. Irgendwann war Sebastian dann wohl mit beiden Koffern abgezogen und Lia ging wieder an ihr Handy.
„Fragt der mich ehrlich wofür Peanut einen Koffer braucht. Mein Hund braucht auch Sachen an der Nordsee oder soll ich sie da nur frei laufen lassen. Außerdem brauchen wir viele verschiedene Decken. Es könnte kalt an der Nordsee werden." Redete sie drauf los und stellte mir wirklich grade vor wie das Auto der Familie Steffens aussah. Es war sicherlich randvoll beladen und Lia, ihre Mutter und Peanut waren nur fünf Tage weg.
„Unfassbar. Man müsste doch meinen, dass er dich besser kennt." Gab ich ihr als Antwort. Lia musste an meiner Stimmlage gehört haben, dass irgendwas passiert sein musste.
„Was ist los Markus? Ist irgendwas vorgefallen?" fragte sie direkt nach. Ich atmete noch einmal durch und schaute zum Stall. Es war noch nichts von Sunny zu sehen.
„Jacki hatte einen Reitunfall und ist im Krankenhaus. Jonas hat es Mama und Papa vorhin erzählt." Erklärte ich Lia und an der anderen Leitung war es direkt still. Einzig Lias atmen hörte man.
„Scheiße und wie geht es ihr?" harkte meine Freundin direkt nach. So wie ich Lia kannte ging sie direkt vom schlimmsten aus. Jeden einzelnen Unfall verglich sie direkt mit dem von ihrem Vater.
„Wir wissen es nicht. Jonas ist direkt wieder los ins Krankenhaus und wir warten quasi darauf, dass uns jemand benachrichtigt." Seufzte ich. Es war nicht nur so, dass meiner kleinen Schwester diese Situation schwer fiel. Auch ich machte mir Sorgen um meine Cousine.
„Wie hat Sunny darauf reagiert? Habt ihr Maxi informiert?" fragte Lia direkt nach. Tatsächlich hatte ich überlegt Maxi anzurufen, aber das müsste Sunny machen. Maxi schrieb morgen eine sehr wichtige Klausur und vermutlich würde er diese für Sunny sausen lassen und sich direkt auf dem Weg machen.
„Ich habe ihm nicht Bescheid gesagt, aber vielleicht hat Sunny mit ihm geredet. Sie war natürlich sehr geschockt und ist nach ein paar Worten auch schon aus dem Raum geflüchtet. Sunny hat glaub ich so eine Situation noch gar nicht miterlebt." Sunny war wohl einmal selber im Krankenhaus, aber das jemand von ihren Freunden oder Familie drinnen lag, hatte sie wohl noch nicht miterlebt. Dazu musste es auch noch ausgerechnet Jacki sein, ihre beste Freundin. Sunny hatte sich so sehr auf diesen Urlaub gefreut und nun konnte sie all ihre Pläne streichen. Hauptsache war natürlich, dass es Jacki den Umständen entsprechend gut ging.
„Kann ich euch irgendwie helfen?" riss Lia mich wieder aus meinen Gedanken. Es war wirklich süß, dass sie dies fragte, aber wie sollte sie uns helfen. Dafür war Lia viel zu weit weg und ich wollte nicht, dass sie den Urlaub mit ihrer Mutter absagte.
„Ach Prinzessin. Am liebsten würde ich dich grade einfach nur in den Arm nehmen." Rutschte es mir raus. Am anderen Ende der Leitung hörte ich es wieder rascheln und die Zimmertür quietschte auf.
„Lia was machst du?" fragte ich meine Freundin, aber diese meinte, dass ich kurz warten sollte.

„Mama ich telefoniere grade mit Markus. Jacki hatte einen Reitunfall und liegt im Krankenhaus." Erzählte Lia scheinbar ihre Mutter. Ich hörte wie diese entsetzt aufatmete und dann wohl auf Lia zuging.
„Weiß man wie es ihr geht?" fragte diese direkt und Lia erzählte nur, dass Jonas und Jackis Eltern bei ihr wären. Ich ihr allerdings keine Auskunft geben konnte und dann kam die Frage mit der ich niemals gerechnet hätte.
„Meinst du wir können heute Abend noch hinfahren? Ich wäre für Markus und Sunny gerne da" fragte sie ihre Mutter und ich wollte grade etwas dazu sagen, da stimmte ihre Mutter schon zu.
„Ich fahr mit meinem Wagen hinter. Falls die meine Hilfe dort brauchen ist es sinnvoller wenn ich dort bin, anstatt das ich hier alleine in diesem Haus sitze und Däumchen drehe." Meldete sich Sebastian zu Wort. Dann hatte ich auch schon wieder Lia am Telefon.
„Markus wir sind in spätestens vier Stunden da. Ich schreib dir, dann kannst du uns die Tür aufmachen okay?" Ich wollte Lia wiedersprechen, aber es hatte eh keinen Sinn. Sie würde sich hier hin auf dem Weg machen und ehrlich gesagt war ich doch etwas froh, dass meine Freundin gleich hier bei mir war.

Nachdem Lia und ich unser Telefonat beendet hatten machte ich mich auf dem Weg zum Stall um nach meiner Schwester zu schauen. Wie vermutet saß sie bei Santano im Stall und schniefte leise. Der Hengst von Jacki stand neben ihr und knabberte an seinem Heu rum. Vorsichtig öffnete ich das Boxen Tor und setzte mich neben meine kleine Schwester. Ich legte einen Arm um Sunny und sie lehnte sich direkt an mich.
„Meinst du sie wird sterben?" fragte Sunny. Ihre Stimme klang so zerbrechlich und kurz hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht früher nach ihr geschaut hatte. Ich dachte, dass sie diese Zeit für sich brauchte, aber da hatte ich mich wohl geirrt.
„Nein, dass wird sie sicherlich nicht. Schau mal, wenn Jacki wirklich in Lebensgefahr wäre, dann würde Jonas sie doch niemals alleine lassen und wäre kurz zum Hof zurück gefahren." Erklärte ich Sunny und sie nickte. Meine Schwester hatte noch nie so etwas mit bekommen. Nun und das es ausgerechnet Jacki passiert war, dass war natürlich das Schlimmste für sie. Es war eine andere Situation als Jacki vom Skatebord gestürzt und Sunny vom Pferd gefallen war. Den beiden ging es da einigermaßen gut. Allerdings war die Situation jetzt ganz anders. Wir wussten nicht wie es Jacki ging, aber ich war mir ganz sicher, dass sie nicht in Lebensgefahr schwebte.
„Lia war auch nicht bei ihr, als ihr Vater gestorben ist." Schniefte Sunny. Ich war in dem Moment wirklich froh, dass meine Freundin das nicht gehört hatte. Hoffentlich würde Sunny ihr nicht gleich so eine Frage stellen. Ich war mir nicht ganz sicher, wie Lia mit dem Thema inzwischen umging.
„Das mit Benedikt war etwas ganz anderes. Eigentlich war es von Anfang an klar, dass er diesen Unfall nicht überleben wird. So direkt hat es allerdings niemand zu Lia gesagt, denn sie war damals noch ein Kind. Vielleicht hätte man es ihr sagen sollen, aber du kannst die Situation mit Jacki auf keinen Fall mit dem Unfall von Benedikt vergleichen." Redete ich auf Sunny ein. Diese legte nur ihre Arme weiter um mich und weinte bitterlich.
„Ich habe solche Angst um sie." Schluchzte Sunny und ich hielt sie einfach nur in meinen Arm. Wir saßen lange in dem Stall und ich hatte Sunny auch vorgeschlagen, dass wir Maxi informieren könnten. Allerdings wollte sie dies nicht, denn er schrieb im Moment seine Prüfungen. Wir kannten Maxi und er würde alles sofort hier stehen und liegen lassen.
Etwas später kam dann allerdings der erlösende Anruf von Jonas. Jacki musste im Krankenhaus bleiben, aber es ging ihr so weit gut. Sie hatte eine Gehirnerschütterung und sich das rechte Sprunggelenk gebrochen. Dies musste auch operiert werden, aber es war eine Routine OP. Wir mussten uns keine Sorgen um sie machen. Für Sunny war dies erst mal eine kleine Erleichterung. Ihrer besten Freundin ging es dem Umständen entsprechend gut. Ich beschloss die Nacht auch heute bei ihr zu bleiben. Da Lia allerdings in knapp einer Stunde hier sein würde saß ich noch auf dem Bettrand neben Sunny, damit ich nicht einschlief.

Kurze Zeit später blinkte mein Handy auch schon auf und ich sah, dass ich eine Nachricht von Lia hatte. Sie waren wohl doch etwas schneller durch gekommen, aber die Straßen mussten auch leer sein. Langsam stand ich auf und schaute noch einmal zu meiner schlafenden Schwester. Dann ging ich zur Haustür und öffnete diese für Familie Steffens. Ehe ich mich versah fiel mir Lia auch schon um den Hals und Peanut bellte kurz.
„Peanut aus! Hier schlafen Leute!" ermahnte Lia ihren Hund und tatsächlich senkte Peanut ihren Blick als hätte sie es verstanden. Die Hundeerziehung klappte auf jeden Fall immer besser.
„Wisst ihr schon was neues Markus?" fragte Martha mich direkt. Ach ich hatte ihnen ganz vergessen zu schreiben, dass es Jacki so weit gut ging.
„Jonas hat vorhin angerufen. Sie hat eine Gehirnerschütterung und das rechte Sprunggelenk gebrochen. Der Rest war wohl nur der Schock." Erzählte ich ihnen und alle waren sichtlich erleichtert. Ich zeigte Martha und Sebastian noch wo sie schlafen konnten und dann führte ich Lia zu dem Zimmer wo Sunny schlief.
„Du kannst gerne bei uns bleiben, wenn du möchtest." Bot ich Lia an. Diese nickte und packte leise ihre Sachen auf ihr Bett. Dann kuschelte sie sich mit Peanut unter eine Decke und ich legte mich zu Sunny. Hoffentlich würde Jonas morgen vorbei kommen und genaueres erklären oder im besten Fall, dass Sunny zu Jacki könnte.

Unser letzter SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt