Kapitel 37

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Adela

„Dela!" Eine Stimme dringt zu mir durch, aber wo kommt sie her? Sie ist so weit weg. Ist es meine Mom? „Dela!" Nein. Eindeutig männlich. Vielleicht Alex? Oder ist es doch Mike? Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich höre die Stimme wieder. Immer noch so weit entfernt, als wäre eine Barrikade zwischen uns. Ist es...Dad? Ich sehe nämlich sein Gesicht vor mir. Es ist blutverschmiert. Genauso wie sein Hemd. Sein Kopf ist in meinen Schoß gebettet, aber seine Augen sind zu. Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. Aber ich achte gar nicht darauf, nur auf Dads Mund, der sich aber nicht bewegt, als ich meinen Namen wieder höre. Etwas Nasses tropft auf Dads Wange. Wo kam das denn her? Weine ich? Als mich die Hand auf meiner Schulter nun leicht schüttelt, reiße ich den Kopf herum und erstarre.

Mit einem Schrei setze ich mich sofort auf, vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und merke, dass ich tatsächlich geweint habe. Im Schlaf. Die Tatsache dass ich aus irgendeinem unerfindlichen Grund nackt bin, schiebe ich beiseite.

Starke Arme empfangen mich, als ich in der Realität angekommen bin. Sie drücken mich an eine Brust, wo mir augenblickblich ein unverkennbarer Duft in die Nase steigt. Jayden! Ich seufze an seiner Brust. Unter meinem Gesicht spüre ich, dass sein Oberkörper frei ist. Da ich mich aber irgendwo festhalten muss, Jayden mit meinen Nägeln aber nicht verletzten will, kralle ich mich an der Decke fest. Meine Knie sind angewinkelt. Jayden kniet links von mir, hält mich im Arm, sagt nichts. Er streichelt nur beruhigend über meinen Rücken, während ich mir fest auf die Innenseiten meiner Backen beiße, um nicht noch mehr zu weinen. Ich hasse es zu weinen. Zum einen, weil es nichts bringt. Es bringt Dad nicht zurück, ich kann nichts ungeschehen machen und erst recht nicht die Zeit zurück drehen. Wenn das möglich wäre, hätte ich es schon vor Monaten getan.

Zum zweiten, weil es einfach schrecklich aussieht, wenn ich weine. Niemand sieht so richtig schön dabei aus, aber bei mir ist es richtig schlimm. Meine Wangen sind dann immer von roten Flecken bedeckt. Meine Stimme ist heiser und mein Magen schmerzt, weil er sich bei jedem Schluchzen zusammen zieht.

Aber als Jayden mich noch fester in den Arm schließt, kann ich das Schluchzen, das meiner Kehle entkommt, nicht unterdrücken, auch wenn ich es gewollt hätte. Nun vergrabe ich doch meine Finger an seinem Rücken. Mein Gesicht habe ich an seiner Halsbeuge versteckt. Er sagt immer noch nichts. Wartet einfach ab, bis ich mich beruhigt habe. Er drängt mich zu nichts, hat er noch nie.

Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Immer, wenn Jayden bei mir geschlafen hat, hatte ich keinen Alptraum mehr. Er hat mir den Rücken gestreichelt, dann bin ich eingeschlafen. Wenig später hat er aufgehört, meine Wirbelsäule entlang zu fahren. Das ist es. Mein Unterbewusstsein hat gedacht, er sei gegangen. Aber nein. Er ist genau da, wie am Abend davor auch. Er ist hier, hält mich stumm im Arm. Verlangt keine Erklärungen, wobei ich sie ihm spätestens morgen in der Früh – heute in der Früh – geliefert hätte.

Verzweifelt kralle ich mich fester an ihn und ich weiß, das würde höllische Spuren hinterlassen, aber er gibt keinen Piep von sich. Schiebt mich nicht weg, versucht nur, mich zusammenzuhalten. Das zusammenzuhalten, was noch von mir übrig ist.

Nach einigen Minuten – oder waren es doch bereits Stunden? – hat mein Körper aufgehört zu zittern. Meine Schluchzer sind verebbt. Mein Magen krampft sich nicht mehr zusammen und ich kann auch klarer sehen. Dennoch verharrt Jayden ein kleines Weilchen länger in dieser Position, bevor er mich loslässt und auf Armeslänge von sich schiebt, damit er mich ansehen kann. In seinen Augen liegt so viel Besorgnis, wie ich noch nie zuvor gesehen habe. Eine steile Falte hat sich auf seiner Stirn gebildet, über die ich einem Impuls folgend streiche.

„Dela." Pause. „Prinzessin. Was..." Er stoppt, sieht mich an. Irgendwas sucht er. Bestätigung, dass er weiter sprechen kann? Scheinbar hat er sie gefunden. „Was war das? Was ist passiert?" Oh, wow! Wow! Ich dachte, mein Körper könnte keine Flüssigkeit mehr produzieren. Dass ich schon alles ausgeweint habe. Tja. Fehlanzeige, da mir erneut de Sicht verschwimmt. Mit einer schnellen Bewegung trockne ich mir mein Gesicht.

Not you. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt