3. Enya

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Die Zeit verlief irgendwie in zweierlei Maß.
Gefühlt schien sie zeitgleich stehen zu bleiben, aber gleichzeitig zu rasen.
Während ich mich an Darmins Fell festhielt, während er mit voller Geschwindigkeit nach Hause rannte, schien alles ewig zu dauern, obwohl wir unglaublich schnell die Kilometer nach Hause hinter uns brachten und die Welt förmlich an uns vorbei flog. 
Doch war mir bewusst, dass noch viele Stunden verstreichen würden, bis wir wieder beim Rudel waren.
Doch hatte ich auch das Gefühl, dass ich mich niemals so lange noch in Darmins Fell bei dem Tempo halten könnte. 
Dario, der ja schon die Strecke hier her gerannt war, hielt immer noch mit uns Schritt. 
Doch machte ich mir auch um ihn sorgen. Ich merkte sehr wohl, dass das Tempo für Darmin anstrengend war, und für Dario war es eben nochmals schlimmer, da er dies gerade ohne Pause zum zweiten Mal tat. 
Doch, so weit ich es über sie in ihrer Werwolfsgestalt sagen konnte, wirkten beide mehr als entschlossen, so schnell wie möglich zurück zu sein. 
Ich konnte ehrlich immer noch nicht fassen, was Dario uns in der Kurzfassung erzählt hatte.
Elise und Madeleine waren allein vor der Höhle gewesen. Shane und Simon waren jedoch in der Nähe gewesen. Doch hatte wohl keiner bemerkt wie ausgerechnet Darmins Vater ins Territorium eindrang und die beiden angefallen hatte. 
Shane und Simon waren keine zwei Sekunden danach da gewesen, doch hatte es schon gereicht und Darmins Vater hatte sich auf die Beiden gestürzt und verletzt. 
Sie konnten ihn vertreiben und während Ray sich gleich daran gemacht hat, sich um die Beiden Mädchen zu kümmern, ist Dario gleich danach los gestürmt, um uns zu informieren.
Wir wussten nicht wie schlimm es war. 
Doch malten sich wohl Darmin und ich gerade das schlimmste aus. 
Dario war so überstürzt aufgebrochen, dass er noch nicht einmal sagen konnte, wie es den beiden Mädchen ging. 
Es könnte sein, dass wenn wir ankamen herausfinden würden, dass die beiden dies nicht überlebt hatten.
Shane und Simon würden wahrscheinlich durchdrehen. 
Ich krallte mich nur noch fester in Darmins Fell und betete, dass sich meine Befürchtungen nicht Bewahrheiten würden. Wie sollte es sonst jemals wieder normal werden? Ganz davon abgesehen, dass sowohl Elise, wie auch Madeleine das nicht verdient hatten. Immerhin hatte sich keiner der Beiden je freiwillig ausgesucht, mit Werwölfen etwas zu tun zu haben.
Und insbesondere Elise hatte sich doch nun so langsam geöffnet und auch bei Madeleine konnte man Ansätze dazu sehen, dass sie nicht mehr so extrem negativ eingestellt war. Auch wenn gerade sie, die Gefährtennummer immer noch nicht gut fand.
Von einem Werwolf dann auch noch angegriffen zu werden, war jedenfalls eine Erfahrung auf die ich selbst sicherlich auch sehr gut verzichten könnte. 
Vermutlich, wenn sie noch lebten, hatten sie gerade furchbare Schmerzen und Angst. 
Es passte eigentlich wunderbar zur Stimmung, dass ausgerechnet jetzt das Wetter umschlug. 
Fast von jetzt auf gleich prasselte der Regen vom Himmel.
Zu allem übel meinte ich auch noch Donnern zu hören. 
Ein Gewitter war jetzt wirklich das letzte was wir gebrauchen konnten. Der Boden schien sich innerhalb von Sekunden in Schlamm zu verwandeln.
Dario rutschte im vollen rennen aus und kam nach kurzem Schleudern an einem Gebüsch zum stoppen. 
So gut er konnte blieb Darmin schlitternd stehen. 
Es war ihm, trotz der Wolfsgestalt, anzusehen, dass er hin und her gerissen war, was er nun tun sollte: Weiter zum Rudel sprinten oder nach Dario sehen, der leise jaulend am Boden lag. 
Kurz entschlossen stieg ich von seinem Rücken. Verwirrt sah er mich an und schien Anstalten zu machen sich zurück zu verwandeln, doch ich schüttelte verneinend den Kopf. 
,,Lauf du zurück zum Rudel. Du bist da wichtiger gerade als ich. Ich kümmer mich so lange um Dario und wir kommen nach."
Er schien eine Sekunde zu zögern, nickte dann aber und sprintete weiter durch die Büsche und war schon Sekunden später nicht mehr zu sehen oder zu hören. 
Ich war vom Regen schon bis auf die Knochen nass. 
Mühsam stapfte ich durch den Matsch zu Dario. 
Vorsichtig berührte ich seine Wolfsgestalt an der Schulter. 
,,Hey, hast du dich verletzt?", fragte ich ihn besorgt. 
Er bewegte den Kopf und sah mich kurz abschätzend an, bevor er meine Hand ableckte. 
Vermutlich tat er das um mich zu beruhigen und zu zeigen, dass es nicht so schlimm wäre. Doch ehrlich gesagt glaubte ich das ihm nicht ganz. Wenn alles in Ordnung wäre, wäre er wahrscheinlich schon längst wieder auf den Beinen.
,,Kannst du aufstehen?", fragte ich weiter. 
Langsam rappelte er sich auf, schien aber Probleme mit der linken Vorderpfote zu haben. Doch durch den ganzen Schlamm, der sich auch in seinem Fell verfangen hatte, war es schwer zu sagen, ob es dort eine äußerlich sichtbare Verletzung gab. 
Ansonsten schien es ihm aber gut zu gehen. 
Er bewegte sich ein Stück vorsichtig vorwärts, hielt die entsprechende Vorderpfote in einer Schonhaltung. 
 

Wolfsseele - unerwartete FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt