8. Gina

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Meine Zeit in Wolfsgestalt fiel doch sehr viel kürzer aus als erwartet. 
Erst diese nervige Gewitter und dann hatte wir auf dem Weg zurück auch noch Marcel getroffen, der ein Mädchen dabei hatte. 
Dieses hatte er auch gleich bei uns gelassen, damit Luke sie sich auch gleich einmal ansehen könnte. 
Also waren wir wieder zuhause. 
Das blonde Mädchen saß auf unserem Sofa und behielt uns skeptisch im Auge. Vor allem Luke, was ich irgendwie nicht ganz verstand. 
,,Wieso sieht sie dich so an?", fragte ich Luke leise.
,,Sie kennt Jared, aber wusste vermutlich nicht, dass dieser einen Zwilling hat. Vor allem da wir für quasi jeden, abgesehen von dir, identisch sind. Vielleicht denkt sie sogar, dass ich Jared bin und sie gerade ärgern will. Wenn ich Jared damals richtig verstanden hab, sind die Beiden alles andere als beste Freunde."
,,Dein Ernst? Was kann man gegen Jared haben?"
Luke pustete laut los vor lachen, so dass das Mädchen erschrocken zusammen zuckte und uns nur noch irritiert ansah. 
,,Das sagst gerade du", lachte er weiter: ,,Muss ich dich daran erinnern, dass du uns beide vor gar nicht all zu langer Zeit für Monster gehalten hast? Ganz davon abgesehen, dass mein lieber Bruder ganz gern mal über die Stränge schlägt und nicht immer der höflichste ist."
Ich seufzte. Ja, doch... Irgendwie wusste ich schon was er meinte. Immerhin hatte Jared mich ja auch schon mal total überrumpelt.
Langsam bewegte ich mich zum Sofa und setzte mich hin.
,,Hey", grüßte ich. Es war ja schon etwas absurd. Immerhin hatten wir uns ja schon vor einigen Minuten in Menschengestalt gesehen, doch hatte ich sie da nicht gegrüßt. 
Luke hatte sie gleich einmal ins Auge genommen, aber außer, dass sie komplett durchnässt war, schien es ihr gut zu gehen. 
Sie sah mich kurz an, aber warf aus dem Augenwinkel Luke noch mal einen kurzen kritischen Blick zu. 
,,Ich bin Gina", stellte ich mich vor.
,,Enya", antwortete sie. 
Es war mehr als offensichtlich, dass sie sich unwohl fühlte. 
Ich seufzte. 
,,Luke?"
,,Ja?", antwortete er. 
,,Besorgst du Enya ein paar trockene Klamotten? Du kannst dir gerne Zeit lassen." 
Ich hoffte mal, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat. 
Er sah mich kurz überrascht an, verschwand aber nach oben.
Immerhin etwas.
,,Ich weiß, dass er uns trotzdem hören kann. Ich hab schon lang genug mit Werwölfen zu tun."
,,Aber es ist doch immerhin etwas, oder?"
,,Irgendwie..."
,,Luke ist eigentlich nicht so übel."
,,Wie zur Hölle können zwei Werwölfe so gleich aussehen?"
,,Das hab ich ehrlich auch noch nicht ganz verstanden. Auch wenn ich sie irgendwie auseinander halten kann."
,,Wie das bitte?", fragte sie irritiert.
Ich zuckte mit den Schultern: ,,Keine Ahnung. Ich weiß es einfach. Dieser ganze Werwolf-Kram ist aber für mich aber auch noch relativ neu."
,,Okay...", antwortete sie zögerlich. 
Wir schwiegen.

Es klopfte an der Haustür, die sich auch kurz darauf öffnete. 
Lily kam herein. 
,,Lil... ich meine Luna", rettete ich mich gerade noch mit einem kurzen Seitenblick zu dem Mädchen.
Ich fand es komisch, dass ich Lily in Gegenwart von anderen mit Titel ansprechen musste. 
,,Hallo Gina, hallo Enya."
Sie kam zu uns und setzte sich neben mich. 
Enya nickte ihr kurz zu. 
,,Kannst du mir vielleicht erzählen was bei euch passiert ist?", fragte Lily Enya. 
Diese seufzte: ,,Wir wissen ja auch nicht viel. Nur eben das was Dario auf die schnelle mitbekommen hatte, bevor er los ist, um uns zu holen. Darmins Vater hat Madeleine und Elise angegriffen, nachdem er sich ins Territorium geschlichen hat."
Wieder einen Moment Schweigen.
,,Ach, Verdammt", fluchte Enya und raufte sich die Haare: ,,Ich versteh gar nicht warum ich hier bin. Ich bin hier absolut fehl am Platz und sollte mit Dario und Darmin auf dem Weg zum Rudel sein. Wenn Madeleine und Elise noch leben haben sie sicherlich furchtbar Angst und gerade Madeleine ist den Jungs immer noch extrem skeptisch gegenüber."
,,Ich kann mir gerade wahrscheinlich nicht mal im Ansatz vorstellen, wie es dir geht"; fing Lily sehr diplomatisch an: ,,Doch war Jareds Entscheidung auch in meinen Augen die Richtige. Hier bist du sicher. Wir hier sind im übergeordneten Sinne verbündete von Darmin, da wir und auch alle anderen Alphapaare hier, wie Darmin zusammen Ziele verfolgen. Dieser Angriff wird Konsequenzen haben, dass verspreche ich dir und auch die Mitglieder des Rudels werden beschützt." 
Enyas Blick allein zeigte, dass ihr diese Worte von Lily nichts wert waren. 
Sie schien den Mitgliedern ihrer Rudels sehr nah zu stehen. Das war zwar nichts was ich nachvollziehen konnte, aber das war eben auch nicht mein Problem.
Es ist nun mal niemand angegriffen worden, den ich kannte. 
Auch wenn ich sie ein Stück weit dafür bewunderte, dass sie augenscheinlich mehr Leuten als nur ihrem Gefährten wichtig war. 
Gefühlt war ich irgendwie nur für die Zwillinge relevant und vielleicht noch Lily. Bei allen anderen hatte ich nicht wirklich eine Verbindung und je schwerer ich mich mit dieser ganzen Werwolfsache tat, desto weniger hatte ich das Gefühl, dass die anderen mich ernst nahmen oder als einen Teil der Gemeinschaft sahen.      

Wolfsseele - unerwartete FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt