9. Enya

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Irgendwann hatte mich die Luna zurück zu meiner Unterkunft gebracht. 
Doch seit dem ich hier wieder ankam waren Stunden vergangen. 
Man hatte Wachen vor meine Tür gestellt, doch gab mir niemand Auskunft darüber, was nun los war. 
Darmin war sicherlich schon angekommen, oder? Immerhin war er so furchtbar schnell, vor allem wenn er allein war. 
Mit mir ohne Pause war es einen Tag, mit Pause zwei. Doch so ganz allein und mit dem Wissen, dass das Rudel in Gefahr war, ist er sicherlich bei weitem schneller unterwegs. 
Dario würde sicherlich länger brauchen.
Unruhig lief ich auf und ab, ignorierte dabei den Teller mit Essen der auf dem Tisch im Wohnbereich war.
Allein beim Gedanken an Essen wurde mir schlecht.
Ich konnte doch nicht einfach in so einer Situation so tun, als wäre nichts gewesen und einfach weiter machen. 
Es machte mich viel mehr fast wahnsinnig so unglaublich hilflos in dieser Situation zu sein. 
Aber ich konnte einfach nichts machen. War nicht mehr als ein einfacher Mensch. Ja, ich war die Gefährtin eines Werwolfs, sogar die eines Alphas, doch brachte mir das ganze gar nicht. 
Ich konnte nicht einfach zu unserem Territorium zurück gehen, da man mich garantiert aufhalten würde. Ganz davon abgesehen, dass ich es allein sowieso garantiert niemals gefunden hätte. Viel eher hätte ich mich hoffnungslos verlaufen. 

Von draußen ertönte das heulen von Wölfen. Nicht von drei oder vier, sondern von unglaublich vielen.
Erschrocken lief ich zum Fenster, doch konnte ich aufgrund der Dunkelheit nichts sehen, außer die Umrisse der nächsten Bäume.
Was war da nur los?
Wurde das Rudel hier etwa auch angegriffen?
Ein Blick Richtung der Eingangstür verriet mir jedoch, dass meine Wache immer noch vor dem Haus stand und sich kein Stück von der Stelle bewegt hatte. 
Das Heulen hielt mehrere Minuten an, danach war es totenstill. 
Ich fühlte mich unwohl und auch nicht wirklich sicher. 
Meine menschlichen Augen waren einfach nicht gut genug dafür irgendetwas draußen zu erkennen.
Ich hatte aber ehrlich nicht weiter vor, hier einfach im Haus zu hocken. 
Also ohne groß weiter zu zögern verließ ich das Haus.
Verblüfft sah mich der wache haltende Werwolf an. 
,,Ist alles in Ordnung?", fragte dieser irritiert. 
,,Was ist da los?", fragte ich.
,,Der Alpha und die Luna, sowie ihre Gäste haben ihre Empörung laut gemacht. Nicht nur euer Rudel scheint in Gefahr zu sein, sondern auch noch eine große Anzahl an anderen Rudeln. Es ist jedenfalls eine immerhin nicht unbedeutende Menge bedroht worden."
,,Und was soll das bringen? Das ändert doch nichts an den Tatsachen."
,,Das stimmt sicherlich, aber es hat etwas symbolisches. Es ist sicherlich für dich als Mensch vermutlich nicht ganz einfach zu verstehen, warum wir was genau tun."
,,Ich dachte eigentlich, dass ich mittlerweile genug über Werwölfe wüsste. Aber von sowas hab ich wirklich keine Ahnung."
,,Warum glaubst du so viel über uns zu wissen?", fragte er und wirkte ehrlich überrascht.
,,Ich war immerhin sechs Jahre in diesem verdammten Institut."
,,Sechs Jahre?", fragte der Mann nach. 
Ich nickte: ,,Sie haben mich von Darmin entführt und dort eingesperrt. Ich dachte ehrlich sie lassen mich niemals zurück. Aber der Alpha von hier hat es dann doch organisiert. Auch wenn wohl nicht alles so lief, wie er es geplant hatte."
,,Aber sechs Jahre... Die Kurse da sollen doch nur ein paar Wochen bis Monate dauern. Was hast du bitte die ganze Zeit da gemacht?"
,,Nicht viel. Ich hab hauptsächlich versucht mich von Ärger fern zu halten. Und das war schon schwer genug", antwortete ich schlicht.
Der Mann schien zu zögern, fragte dann aber doch: ,,Ist es wirklich so schlimm da?"
,,Kommt darauf an. Wir würdest du es halten, wenn alles an die als Mensch schlecht geredet wird? Und deine baldige Verwandlung in einen Werwolf das große Ziel ist, ganz egal was man selbst davon hält oder wie viel Angst man hat. Man wird sogar noch dafür bestraft."
Der Mann wirkte betrübt. 
,,Alles okay?"
,,Ach... ich hätte nicht fragen sollen", sagte er nur mit belegter Stimme und sah weg. 
,,Es tut mir leid", sagte ich leise. 
,,Du weißt doch nicht mal wofür du dich entschuldigst." 
,,Ich hab aber offensichtlich etwas gesagt, was für dich verletzend war."
Er sah mich wieder an. Seine Augen glitzerten verdächtig. Ich war ehrlich erschrocken, dass dieser eigentlich fremde Mann so emotional wurde.
,,Weißt du, es ist zwar schon einige Zeit her, aber ich werde den schönsten, aber zeitgleich schrecklichsten Tag meines Lebens niemals vergessen. Es war noch unter der Herrschaft von Alpha Tylers Vorgängers, Alpha Mason. 
Ich bekam diese unglaubliche Nachricht. Man hatte über die Blutanalyse herausgefunden wer meine Gefährtin ist. Unverzüglich hatte ich mich auf dem Weg gemacht , um sie abzuholen. Sie hatte es geschafft, keine fünf Minuten bevor ich ankam, ihrem Leben ein Ende bereitet. Alle Hoffnungen und Wünsche, die ich für mein Leben hatte waren dahin. Bis zum Ende meines verdammt langen Werwolfsleben werde ich also allein sein."
,,Das klingt nach einem schrecklichen Schicksal."
,,Glaub mir, dass ist es. Aber es gibt nichts was man machen kann."

     

Wolfsseele - unerwartete FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt