31/3. - Gina

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,,Gina mein Schatz! Schön das du mich besuchen kommst", rief meine Oma, als sie mich erblickte, nachdem ich zur Tür herein kam.
,,Hallo Oma. Wie geht es dir?"
,,Ach ich merke meine alten Knochen ein wenig, aber wie geht es dir Liebes? Komm setz dich ins Wohnzimmer. Ich hab vorhin noch Kuchen gebacken."
Liebevoll lächelnd dirigierte sie mich in das kleine Wohnzimmer ihres Hauses. 
Tyler hatte wirklich dafür gesorgt, dass meine Oma hier alles hatte und das sogar ebenerdig, was sicherlich ganz gut war, im Anbetracht ihres Alters. 
Leise seufzend setzte ich mich auf das Sofa, neben den Korb mit ihren Stricksachen. 
,,Also Kind?", sagte Oma, als sie wieder herein kam und dabei ein kleines Tablett trug und auf den Tisch stellte.
,,Soweit geht es mir recht gut. Das mit dem laufen geht jetzt überraschend viel besser", sagte ich. 
Sie sah mich ein wenig skeptisch an, als sie mir ein Stück Apfelkuchen mit Sahne vor die Nase setzte. 
Sie setzte sich auf ihren Lehnensessel und nahm einen Gabel voll vom Kuchen.
,,Gina liebes... Ich kenne dich doch. Irgendetwas verschweigst du mir doch? Du kannst mit mir doch über alles reden. Ich bin doch für dich da", sagte sie besorgt klingend. 
,,Ach Oma", versuchte ich sie abzuwiegeln. 
,,Nein Gina, nichts 'ach Oma'. Behandeln dich Jared und Luke etwa nicht gut?"
,,Nein, nein, das ist es nicht. Es ist einfach alles etwas sehr kompliziert."
,,Aber vielleicht hilft es dir ja, wenn wir darüber reden? Ich hab doch auch schon meine 80 Jahre auf dem Rücken. Da hab ich sicherlich einen guten Rat für dich."
Ich seufzte. 
,,Na gut. Das Ding ist einfach, dass ich ehrlich gesagt nicht weiß was ich hier soll. Ja, ich bin die Gefährtin von zwei extrem wichtigen Werwölfen im Rudel, aber was sonst? Außer Lily hab ich keine Freunde hier und ich fühle mich, gerade wenn keiner von ihnen Zeit hat allein."
Ich versuchte mich so kurz wie möglich zu fassen. 
Es waren eben doch meine Probleme und ich wollte eigentlich nicht, dass Oma sich so viele Sorge darum machen muss. Im Prinzip ging es mir ja gut. Niemand war gemein zu mir und Krank war ich auch nicht. 
Ich wusste wie schwer es auch noch immer für sie war, den Tod unserer Familie zu verarbeiten. 
Jared kam auf seinen Rundgängen häufiger an dem Ort vorbei, an dem meine Familie bestattet wurde. Er sah dann doch sehr häufig meine Großmutter dort, zu allen möglichen Uhrzeiten.
Sie schien es zu brauchen, wann immer das Wetter es zu ließ, dorthin zu gehen und zu trauern. 
Ich selbst konnte das nicht. 
Seit dem Tag, wo ich zum ersten Mal dort war, war ich noch ein einziges Mal dort gewesen. Nämlich an dem Tag, an dem ich es Oma gezeigt hatte.
Ich kam ehrlich gesagt einfach noch nicht mit dem ganzen klar. 
Und ich kam besser mit mir selber aus, wenn ich um die Gräber einen großen Bogen machte. 
Allein der Gedanke, dass sie wirklich alle Tod waren...
'Lieber Tod als Gefangen von Werwölfen'
Sie wären garantiert enttäuscht von mir. Besonders mein Vater. Meine Mutter hätte vielleicht noch irgendwie Verständnis für mich aufbringen können. Tja und meine Schwester... Das war eine ganz andere Sache. Immerhin war sie der offensichtliche Liebling von unserem Vater. Sie hätte zu hundert Prozent hinter ihm gestanden und hätte vermutlich auch alles versucht um mich auf Linie zu halten. Auch wenn es meinen Tod bedeutet hätte. 
Rückblickend merkte ich, dass das eigentlich schon fast dogmatisch von meinem Vater war, die eigenen Kinder lieber Tod sehen, als ein Leben bei Werwölfen...
,,Gina mein Schatz, es ist doch eigentlich recht einfach", sagte meine Oma und sah mich offen an.
Fragend sah ich sie an. Einfach?
,,Ja ganz genau. Nimm einem Bissen von diesem Kuchen und hör mir zu", sagte sie und lächelte mich an.
Schweigend kam ich ihrer Aufforderung nach, sah sie neugierig an und genoss den Geschmack des noch leicht warmen Kuchens in meinem Mund. 
,,Wenn du Teil einer Gruppe sein willst und darin Freunde finden willst, musst du auf bestehende Gruppen zu gehen."
Das Klang tatsächlich recht einfach, wenn man nicht so lange darüber nachdachte. Doch beim zweiten Gedanken war es nicht so einfach.
,,Oma, so einfach ist es einfach nicht... Diese Gruppen bestehen schon so lange, teils seit vielen Jahren. Ich will mich nicht irgendwo einfach aufdrängen und will auch nicht das fünfte Rad am Wagen sein, bei irgendwelchen Freundschaften. Ganz davon abgesehen, dass ich nie in meiner Kindheit versuchen musste Teil einer Gruppe zu sein. Es gab nämlich nur eine Gruppe, unsere Familie. Ich bin in solchen Angelegenheiten garantiert nicht gut darin zu erkennen, wer einfach nur höflich ist und wer mich wirklich mag. Damit musste ich mich halt nie auseinander setzten und hatte eben auch nie Gelegenheit mich in meiner Jugend und Kindheit diese sozialen Gegebenheiten zu üben. Was ist wenn ich es komplett falsch mache? Ich die Leute eigentlich nur total nerve und sie dann im Rudel schlecht über mich reden?"

Wolfsseele - unerwartete FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt