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Ich spürte den kühlen Wind an meinen Wangen vorbeiziehen. Mein Gesicht war schon ganz kalt und meine salzigen Tränen förderten das Brennen, welches vom Wind kam. Die Parkbank die ca. 100 Meter entfernt von unserem Haus war, wurde in letzter Zeit immer öfter mein Rückzugsort, hier fuhren kaum Autos vorbei. Es war meistens still und das einzige was man hören konnte war mein Schluchzen oder meine unregelmäßige Atmung. Es fühlte sich so an als ob ich immer weinen würde, immer endet jede schwierige Situation in Tränen. Immer wieder versuchte ich mich aufzurappeln aber das war wieder einer der Tage wo nichts so lief, wie es eigentlich laufen sollte. Es sind 5 Monate seit meiner Rückkehr aus der Türkei vergangen. Am Anfang war alles machbar, ich versuchte alles zu vergessen und weiterzumachen. Oft lenkte ich mich mit verschiedenen Sachen wie Lesen oder backen ab, Freunde traf ich nicht. Die meisten in meinem Umkreis waren der festen Überzeugung, dass ich Hilfe brauche, doch das sah ich absolut nicht ein. Auch wenn ich versuchte alles schwierige zu meiden, war es unumgänglich. So oft tauchten die Geschehnisse in meinem Alltag ungewollt auf. Sei es der Unfall von Can, meine "super" Karriereaussichten, Baris.. Da ist es auch schon, mein größtes Problem. Die wahrscheinlich größte Prüfung in meinem Leben, Fluch und Segen zugleich. Anfangs lief es gut mit dem telefonieren. Auch wenn es nur abends war, es reichte mir aus zu wissen dass es ihm gut geht. Wir redeten viel, aber nicht über ihn. Meistens über meinen Alltag, meine Vorlieben, mein Aussehen, meine Taten. Niemals verlor er ein Wort über sich selbst. Mittlerweile nervte es mich, dass es nur um mich geht. Wie ich schon erwähnt habe, habe ich keinen Kontakt mehr zu meinen Freunden. Sie fragen immer mal wieder nach mir aber mir kommt das alles einfach fake vor. Vor allem die Jungs aus meiner früheren Freundesgruppe. Sie wussten zu 100% über den Betrug von Can Bescheid, da war ich mir sicher. Der einzige zu dem ich meinen Kontakt halten konnte war Hakan, mein Cousin aus der Türkei. Er berichtete mir, sobald ich nichts von Baris hörte. Ich weiß dass er es hasste über Baris zu reden oder mir zu erzählen was für Ausfälle er wieder hatte, doch mir zu liebe tat er es. Manchmal hatte ich ein Gefühl als wäre er erleichtert wenn Baris etwas schlimmes tat, als würde ich mich dann von ihm distanzieren. Doch das alles war nicht so einfach.

Auch das Verhältnis zu meinen Eltern wurde schwerfällig, generell zur meiner Familie. Keiner von Ihnen wusste etwas von Baris, die Zeit war noch nicht reif um so etwas zu erzählen. Ich hatte Angst, dass es nicht ernst genommen wird. Meine jüngere Schwester reiste nach den Sommerferien nach London, um dort ein Auslandsjahr zu machen. Zu Hause gab es also mich meine Eltern und meinen Bruder. Das größte Problem war meine Karriere. Sie bestanden darauf, dass ich das Jura-Studium antritt. Eigentlich war es bereits zu spät, aber ich hatte noch eine Möglichkeit als Nachzüglerin einzusteigen. Für mich war es absurd ein Studium anzutreten, dass ich nur für meinen verstorbenen Ex-Freund machen wollte. Ich wollte keinerlei Mitleid aber etwas Verständnis würde nicht schaden. Die Sache mit Can versuchte ich zu verdrängen, mein Motto lautete einfach vergessen. Es musste ja keiner Wissen, dass ich nachts ab und zu weinte. War das eigenartig, ich meine ich habe doch jetzt jemanden neuen in meinem Leben. Manchmal könnte ich mir selbst den Kopf abreißen. Mein Gehirn ist überlastet, es schwirrten zu viele Gedanken. Mit einem Schwung nahm ich mein Handy aus der Hosentasche und tippte auf den Namen "Baris". Es klingelte ein paar mal und gerade wo ich auflegen wollte ging er ran.
Man hörte laute Stimmen im Hintergrund.
I:"Hallo?"
B:"Hörst du mich? Warte hier ist es zu laut?"
Seine stimme unterbrach kurz, er lief wahrscheinlich zu einem ruhigen Platz.
I:"Baris wo bist du?"
Fragte ich mit einer zerbrechlichen Stimme, sobald ich seine Stimmt hörte, könnte ich grad wieder losheulen.
Obwohl er scheinbar einen ruhigeren Ort aufgesucht hatte, hörte man noch immer laute Musik und Gebrülle.
Ich versuchte es zu ignorieren.
B:"wo ich bin... ehm draußen bin ich"
Sagte er spöttisch.
Sichtlich geschockt über seine Art und Weise wurde mir bewusst, dass er angetrunken war.
I:"du mir gehts gar nicht gut, ich hab mich schon wieder mit meinem Eltern gestritten und-"
Noch bevor ich meinen Satz zu Ende sprechen konnte, wurde ich unterbrochen.
Komplett uninteressiert an meiner Aussage rief er jemandem in der Ferne zu.
B:"ey wartet auf mich, wartet ein  Moment, bin sofort da! Nihan können wir später reden, muss jetzt sofort los..."
Ich war sprachlos und legte auf bevor er nochmal was erwidern konnte. Kurz wartete ich auf einen Rückruf, doch es kam keiner. Gefasst ließ ich mein Handy in der Hosentasche verschwinden und tritt den Rückweg an, es wurde auch schon langsam dunkel. Man würde sich jetzt denken, warum ich nicht geschockt über sein Verhalten bin. Ehrlich gesagt passiert das nicht zum ersten Mal. Seine angetrunkene Art war für mich nichts sonderlich neues. Jedes Wochenende war er angetrunken. Als ich endlich unseren Hof hinauflief kramte ich meinen Hausschlüssel raus und öffnete unsere Haustür. Die warme Luft tat gut. Schnell schlüpfte ich aus meinen Schuhen und wollte mich grad in mein Zimmer schleichen, als meine Mama aus der Küche lief.

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