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So vergingen weitere 2 Tage. Ich lag einsam in meinem Bett und wollte niemanden treffen. Ich hatte keine Lust mir irgendwelche Mitleidspredigten anzuhören. In meinen Augen war irgendwie alles vorbei.
Morgen früh fliegt meine Familie in die Türkei um an der Beerdigung von Can teilzunehmen.
Ich konnte einfach nicht mit, wie soll ich bitte da stehen. Ich liebte ihn immer noch obwohl ich voller hass war. Aber was brachte jetzt noch mein Hass gegenüber ihm? Ich kann ihm ja nicht mal wehtun..
Am nächsten morgen beobachtete ich vom Fenster wie meine Familie in den Wagen stieg um zum Flughafen zu gelangen. Leblos und trocken platzierte ich meine Fingerspitzen auf dem Fensterglas. Wollte ich mit? Nein, das geht nicht... ich glaub ich würde es nicht übers herz bringen. Die Beerdigung war schon morgen. Ich hatte doch nichts verarbeitet..
Plötzlich fühlte ich mich wie vom Blitz erschlagen. Ich riss mein Schrank auf und zog meinen Koffer raus. Ich schmiss wahllos irgendwelche Kleidungsstücke hinein und packte meine kleine Tasche mit Pflege und Make-Up. Keine Ahnung was ich hier tat und wieso. Ich schnappte mir mein Handy und rief ein Taxi. Danach zog ich mir eine enge blaue Jeans, einen Schwarzen Pulli mit Halskragen an und kombinierte meine Adidas dazu. Es war mir so egal was ich gerade an hatte. An Make-up und Haare war gerade nicht zu denken. 10 Minuten später war endlich mein Taxi da. Der nette Herr tat mein Koffer in den Kofferraum und wir fuhren los. Alles was ich sagte war „zum Flughafen bitte".
Nach viel Stau und vielen roten Ampeln parkte der Fahrer endlich vor dem Flughafen. Ich zahlte schnell und er lud noch schnell meinen Koffer aus. Als ich mir die große Eingangshlle anschaute fing mein Herz an schneller zu schlagen. Ich spürte meine Hintergedanken wo mir verrieten das es falsch war was ich hier machte. Aber einmal in meinem Leben, eineinziges mal musste ich auf mein Herz hören. Ich rannte vom Schalter zum Schalter um noch ein Last-Minute-Ticket zu ergattern aber es war fast wie unmöglich. Die Fluggesellschaft war mir absolut egal, der Preis ebenso. Am Ende bekam ich zum Glück noch ein Ticket von Turkish Airlines und war richtig erleichtert darüber. Ich musste zwar 459€ hinblättern aber das war für mich gerade so unwichtig. Mein Flug war schon in einer Stunde, also gab ich schnell mein Koffer ab, ging aufs Klo und setzte mich in Mein Gate. Ich starte aus dem Fenster und spielte mit einer Haarsträhne. Was mach ich denn überhaupt wenn ich lande? Ich wollte doch gar nicht zur Beerdigung.. oder vielleicht doch? Soll ich nach Edirne zu meinen Großeltern und meine Ruhe genießen, weit weg vom Stress und von allen..
Oder sollte ich nach Istanbul, da wo Can beerdigt wird.. Als ich diese Gedanken verspürte wurde mir ganz heiß. Er war tot. Ich konnte es mir nicht eingestehen. Der Mann den ich umarmte, an den ich mich schmiegte, neben dem ich mich so wohl fühlte, den ich küsste.. war weg. Was auch passiert war, Can hat mir immer das Gefühl gegeben wunderschön zu sein. Neben ihm fühlte ich mich attraktiv, sexy, anziehend und auch aufregend, da er mich auch so behandelte. Ich fasste mit meiner Hand an meine Stirn und versuchte nicht in Gedanken verloren zu gehen. Meine Eltern, Freunde, Familien, alle werden jetzt in Istanbul sein. Ich hatte keine Kraft dafür. Ich entschied mich gleich nach der Landung nach Edirne zu fahren.
Meine Eltern werden ausrasten.. ich weiß es schon ganz genau.
In dem Moment durften wir endlich in das Flugzeug. Der Flug verging auch wie im Flug, blitzschnell.
Wir landeten sicher auf türkischem Boden.
Ich stieg wie gewohnt aus und machte mich rasch auf den Weg zu meinem Koffer, ich war erleichtert in meiner Heimat angekommen zu sein.. ich liebte es hier. Das Wetter, die Menschen, die Atmosphäre alles war besser hier. Als ich schlussendlich meinen Koffer hatte lief ich endlich raus aus dem Istanbul Atatürk Flughafen. Wenn ich jetzt hier in Istanbul bleiben würde, könnte ich direkt zu meinen Eltern.. Ich entschied mich dagegen. Ich sprang in ein Taxi und sagte:,,Edirneye doğru lütfen.."(Bitte nach Edirne).
Die Fahrt kam mir vor wie 10 Stunden. Umso mehr war ich erleichtert als ich nach ca. 2 Stunden in dem Dorf ankam, in dem meine ganzen Verwandten und Freunde lebten. Ich war schon lang nicht mehr hier gewesen. Meine Großeltern hatte ich zuletzt vor 1 und halb Jahren gesehen. Früher als wie jünger waren sind wir in jeden Sommer- und Weihnachtsferien hierher geflogen, doch dann wurden wir größer und alles passte nicht mehr so optimal mit den Ferien. Wir hatten auch ein super schönes Haus hier bauen lassen. Ich glaub es war das Luxuriöseste in diesem Viertel. Damals gefiel es mir sehr, doch jetzt mag ich das ganze Schnickschnack gar nicht mehr so. Ich wollte nicht so ins Auge stechen als die deutschen, die eh reich sind.. Das ist die Philosophie von den ganzen Bekannten irgendwie aber das kotzte mich so an. Wir waren auch ganz normale Menschen, nur mein Vater arbeitete halt einfach sehr hart und wir bekamen dafür auch als Familie die Belohnung. Das Taxi hielt vor unserem Haus an und ich stieg langsam aus. Die Straßen und Gassen waren voll, voller Leben einfach. Laute Musik, schreiende Kinder und Köfte-Geruch, ich musste schmunzeln. Es tat enorm gut. Der Taxifahrer gab mit dann endlich mein Koffer und döste davon. Ich schaute zu unserem Haus hoch und war immer noch der Meinung das es viel zu auffällig in diesem Dorf war. Die Bodenlangen-Fenster, die LED-Beleuchtungen, die Granit-Fliesen. Einfach zu viel. Ich spürte schon neugierige Blicke von Kindern auf mir. Manche winkten mir und manche lächelten mich nur an. Ich öffnete das Tor und lief auf das Haus von meinen Großeltern zu. Wir lebten auf dem Gleichen Grundstück, ihr Haus war gleich unter uns. Als sie mich sahen warfen sie alles aus den Händen und waren überglücklich. Ich sagte nicht den echten Grund weshalb ich hier war, ich sagte das ich einfach etwas abschalten wollte. Wir redeten noch Stunden zusammen, bis es dann anfing mit dem Besuch. Es hatte sich rumgesprochen das ich gekommen war und alle jungen und alten Frauen wollten mich unbedingt sehen. Ich war trotz allem traurig aber versuchte es mir nicht ansehen zu lassen. Also hieß es gefühlt 10.000 mal ,,Hoşgeldiniz" und 10.000 mal die Hand küssen.
Als dann endlich die ganzen Menschen weg waren, setzte ich mich neben meine Oma und umarmte sie einfach. Zu gerne würde ich mit ihr gerade über das Geschehene sprechen, doch ich wollte niemanden weiter sorgen bereiten. Ich war so froh darüber das meine Großeltern auch deutsch sprechen konnten, da die teilweise auch in Deutschland gelebt hatten.
Oma: Heute Abend ist eine Hochzeit..
I: Echt? Wer heiratet denn schon wieder, wir haben doch gerade erst Juni..
Normalerweise war hier die Hochzeitssaison erst im August. Ab diesem Zeitpunkt war spätestens alle 2 Tage eine Hochzeit.
Oma: das wirst dur mir nicht glauben mein Schatz, Ezgi heiratet..
Ich machte große Augen. Ezgi war einer meiner besten Freundinnen von hier. Ich hatte viele Freunde hier im dorf aber sie und noch ein Mädchen namens Ayca waren mir am nähesten. Ich hatte sie schon seit Jahren nicht gesehen und war geschockt als ich das hörte. Mit wem heiratete sie denn überhaupt, damals hatte sie einen Freund aber das war ca. vor 6 Jahren.. Waren sie wirklich immer noch zusammen und würden jetzt heiraten? Wenn ja, wäre ich einer der glücklichsten Menschen der Welt für sie. Ich erinnerte mich an die alten Zeiten wo ich hier war im Sommer und wir enorm viel Spaß hatten zusammen. Wir waren eine riesige Mädchengruppe und taten dies was Mädchen eben taten. Ich erinnerte mich wie wir damals immer von den Jungs geneckt wurden.. Ich schätze es war einer der schönsten Zeiten in meinem Leben.
Oma: Erde an Nihan.. Bist du noch bei mir?
Meine Oma winkte mit der Hand vor meinen Augen und ich lächelte.
I: ja oma ich bin noch da.. ich bin nur so geschockt darüber dass sie heiratet.. ich wusste absolut gar nichts davon.
Oma: sie haben sich schon im Dezember letzen Jahres verlobt.. sie passen so gut zusammen und man sieht wie glücklich beide doch sind!
I: Mit wem heiratet sie denn überhaupt?
Oma: ha natürlich mit dem gleichen jungen, mit dem sie schon seit einer Ewigkeit zusammen ist, mit Gökay!
Jetzt war ich erst recht erleichtert. Gökay war ein toller Junge. Er war nett, süß und hatte Ezgi schon immer wie eine Prinzessin behandelt.
I: komm schon Oma wir müssen uns hübsch machen!
Sagte ich aufgeregt und brachte sie zum Schmunzeln.
Ich schnappte mein Koffer und rannte mit dem Schlüssel hoch in unser Haus.
Es war kaum staubig hier oben. Ich lüftete kurz und kramte währenddessen nach meinem Makeup. Es war viel wärmer als ich es erwartet hatte, also schnappte ich mir ein hautenges, schwarzes Kleid das mir bis zu den Knien ging und ganz dünne Spaghetti-Träger hatte und zog es schnell an. Ich war schon immer so eine Person, die sich nicht scheute etwas kurzes oder Enges anzuziehen. Eine Frau soll das anziehen können was sie mag ohne an komische Blicken ausgeliefert zu werden. Ich freshte kurz mein Makeup auf, zog meine Ohrringe an und gab meinen glatten, langen Braunen Haaren etwas Volumen. Ich betrachte mich im Spiegel und mir stach meine Kette, die mir Can zum Geburtstag geschenkt hatte ins Auge. Es war ein kleines Herz mit Swarovski-Steinen. Mir kamen wieder die Tränen aber ich gab mein bestes um sie zu verdrängen. Ich griff nach meinem Handy, zog meine Schwarzen, hohen schuhe an die mit Zwei Riemen am Knöchel und über den Zehen verziert wurden an. Ich war ready, aber sowas von.
Und schon ging es los für uns. Ich hackte mich bei meiner Oma im Arm ein und wir liefen gemeinsam zum offenen Ort wo die Hochzeit statt finden würde. Es war nicht weit weg von uns. Auf dem weg dort hin, trafen wir ca. 363994 Frauen die meine Oma kannte und ich die Hand küssen musste. Langsam kotzte es mich an, doch ich gab trotzdem ein höfliches ,,Merhaba" von mir.
ENDLICH waren wir angekommen. Während wir auf unsere Sitzplätze zuliefen merkte ich wie manche Leute uns anschauten. Es war einfach eine Seltenheit dass einer von uns ins Dorf kam, also regte ich mich nicht darüber auf. Ich sah soooo viele Freunde und begrüsste sie. Wir redeten viel, tratschten, lachten uns erinnerten uns an die früheren Zeiten zurück. Alle machten mir Komplimente darüber wie schön und anders ich doch aussehen würde. Auch Ezgi's Eltern begrüßte ich mit einem Kus auf die Hand. Ich liebte sie und sie liebten mich. Gerade als ich auf mein Platz zurück wollte hörte ich ein kleines Quiecken hinter mir. Es war Ayca. Sie rannte auf mich zu und drückte mich so fest dass ich kaum mehr atmen konnte. Wir lachten und freuten uns. Sie war wie immer, immer noch verrückt. Wir setzten uns und redeten.
Stellte euch die Gespräche auf Türkisch vor.
A: Ich glaubs nicht, dass du hier bist! Wieso hast du nichts gesagt????
I: Es war total ungeplant.. ich wollte einfach bisschen U..Urlaub machen.
Sie hörte mir mit glänzenden Augen zu und umarmte mich alle 20 Sekunden.
A: Ezgi wird sich so freuen, wenn sie dich sieht! Du wirst ihr schönstes Hochzeitsgeschenk!!
Wir lachten und plauderten weiter bis Ayca plötzlich mit den Augen rollte und versuchte sich hinter mir zu verstecken.
A: Scheisse Alter, versteck mich!
I: Was ist denn los?
A: Na sieh doch!!!
Sie zeigte mit dem Finger auf einen Jungen in unserem Alter der direkt auf uns zukam.
Ich musste los lachen. Es war Alihan.
Alihan war ebenfalls ein Junge den ich noch aus der Kindheit kannte. Er war schon seid Jahren in Ayca verliebt, doch Ayca war nur genervt. Er kam strahlend auf uns zu.
I: der steht immer noch auf dich?
Ich konnte gar nicht aufhören zu lachen.
A: Lach nicht!!! Das ist nicht witzig!
I: Doch, Doch!
Alihan: Ayca meine Süße Frucht? Wo bist du die ganze Zeit! Ich suche dich die ganze zeit...
A: Verzieh dich Alihan, mein Vater ist hier!
Alihan: Na, ist doch besser! Wir können endlich auch ihm unsere Liebe gesteh-..
Gerade als er weiter reden wollte landeten seine Augen auf mir.
Alihan: Ach du Scheisse! Nihan????
Wir umarmten uns und gaben uns Wangenkuss rechts links. Wir waren alle zusammen aufgewachsen auch wenn wir uns nur 2 mal im Jahr gesehen hatten. Ich liebte all meine Freunde.
Alihan: Was machst du denn hier?
I: Na Urlaub!
Alihan: ich freu mich so sehr dich zusehen.
I: Hahahaha ich auch meine Süßen... ihr habt euch ja kaum verändert.
Alihan flüsterte mir schmunzelnd zu.
Alihan: Sie kann es einfach nicht zu geben, dass sie mich auch liebt..
I: Jaa, da bin ich ganz deiner Meinung.
Ayca schaute ihn wütend an und gab ihm ein Kick in sein Schienbein. Er krümmte sich aber verschwand dann grinsend.
I: Ayca was hast du gegen ihn.. Er ist doch gar nicht zu schlimm.
A: hahahah jaaa klar, er ist einfach nicht mein Fall. Nimm du ihn doch!
Ich lächelte kurz und hoffte so sehr dass keiner nach Can fragte und es geschah auch zum Glück nicht. Dann began endlich die Hochzeit. Ezgi weinte vor Freude als sie mich sah, auch Gökay war sehr froh darüber. Wir lachten, redeten, tanzten und hatten den ganzen Abend spass. Es kam mir so vor als würde die Hochzeit immer voller werden, als leerer.
Als ich wirklich nicht mehr tanzen konnte setzte ich mich zu meiner Oma und schaute den tanzenden Leuten zu. Plötzlich hörte man hinter uns lautes Geschrei und Glasflaschen klirren. Alle erschraken und sprangen auf. Ich drehte mich geschockt um und sah eine Jungshaufen die sich zu streiten schien. Sie brüllten und versuchten 2 Personen die aufeinander losgingen zu trennen. Es wurde immer lauter und die Menge wurde immer größer. Man konnte sachen wie ,,du Hurensohn" oder „ich fick dein ganzes Leben" raushören. Ich nahm meine Oma an der Hand und versuchte etwas weiter weg zu gehen, da wir angst hatten. Was war passiert. Die 2 Personen schlugen sich und man konnte hören wie ein Mädchen „hör auf Yigit" schrie. Dann gab einer endlich nach und man sah wie er dem gegenüber stehenden eine Faust mitten ins Gesicht verpasste. Der Junge kippte auf den Boden und das Mädchen krallte sich an ihn und schrie „Yigit gehts dir gut!!!?? Yigit?"
Ich sah wie Oma's Tasche noch auf dem Stuhl lag und rannte kurzerhand dort hin.
Ich wollte sie grad greifen da kam etwas enorm hartes gegen meine Schulter. Ich guckte schnell hoch und sah in gift-grüne Augen. Ein Junge, der so in etwa so alt wie ich war. Er war groß, sodass ich hochschauen musste und er war breitgebaut. Gebräunt war er und hatte braune Haare. Doch ich glaube das wichtigste Merkmal war das ganze Blut in seinem Gesicht und an den Händen. Er hatte eine Schnittwunde am Hals, die höchstwahrscheinlich von der Glasflasche kam. Das war der Junge der dem anderen gerade eine Faust gegeben hatte. Er schaute mich aggressiv an und ich dachte er gibt mir jetzt auch eine. Er konnte nicht gerade stehen, ich schätze das kam vom Alkohol und er roch sehr nach Zigaretten. Sein aggressiver Blick ruhte weiter auf mir, bis er sich dann umdrehte und einfach ging. All seine Freunde, schätze ich, rannten hinter ihm her. Es war eine ganze Horde von Jungs die das Gelände verließen. Ich war immer noch wie in Trance und sah ihm zu wie er ging.

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