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Song: I'll Be Home - Meghan Trainor

Die geballte Kraft der jungen Frau trifft auf Harpers zierlichen Körper.
Sie springt in ihre Arme und schlingt ihre Beine um Harpers Hüften. Untermalt wird die Szene von lautem Gekreische und Lachen, das an sich an der Grenze zu Weinen befindet.
Ich vermute, dass es sich um Nicole, die ältere Schwester, handelt.

"Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr!", ist das Erste, was ich von ihren Ausrufen verstehen kann.
Meine Freundin kommt erst gar nicht zum Antworten, denn aus der weit aufgerissenen Haustür erklingt die nächste aufgeregte Stimme.
"Jetzt verschreck unsere Gäste nicht und bring sie endlich rein!"

Ich stehe mit den Koffern leicht versetzt hinter Harper und weiß nicht recht, was ich machen soll.
Gehe ich zum Haus vor? Warte ich, bis die Schwestern mich ansprechen?
Nicole nimmt mir die Entscheidung ab, als sie von Harper herunterrutscht und mit ihren Plüsch-Hausschuhen im Schnee landet.

"Dexter", sagt sie mit schief gelegtem Kopf.
Es ist keine Feststellung, keine Frage und keine Begrüßung.
Dennoch werde auch ich in eine Umarmung gezogen, die ich viel zu spät erwidere, weil ich mich an den Koffergriffen festhalte.

"Ihr habt die Hausherrin gehört", grinst Nicole. "Rein mit euch."
Harpers helle Augen landen auf mir, ein fragender Ausdruck in ihnen.
Im nächsten Moment schießt ein weißer Pfeil an uns vorbei, macht kehrt und springt an ihren Beinen hoch.

"Skippy!"
"Ihr habt einen Hund?"
Das alles überfordert meine Sinne und wir haben noch nicht mal das Haus betreten.
Das kleine weiße Exemplar eines Hundes rennt aufgeregt um uns herum, bellt, schnüffelt, bellt wieder.

"Oh Gott, du bist hoffentlich nicht allergisch? Ich habe völlig vergessen, dich vorzuwarnen, er-"
"Ist schon gut", unterbreche ich ihren nervösen Redeschwall.
Alle sind so unglaublich aufgekratzt.
"Ich bin mit Hunden aufgewachsen, also kein Problem."

Mit Hunden aufwachsen und ein Hundemensch sein sind zwei verschiedene Dinge, aber ich habe Harper beruhig, das ist vorerst alles, was zählt.
Skippy hält einen großen Sicherheitsabstand zu mir ein und geleitet uns zu der Holztreppe, die zur Haustür führen.

"Los geht's", höre ich Harper sagen.
Ich würde die Hand nach ihr ausstrecken, aber ich manövriere immer noch beide Koffer.
In der Tür steht eine große Frau. Ihr freundliches Lächeln ist im Gegenlicht der Eingangsbeleuchtung nicht gut zu erkennen, dennoch verraten ihre strahlenden Augen, wie sehr sie sich freut, uns zu sehen.

Ich lasse Harper den Vortritt, die von ihrer Mutter geherzt wird. Dann verschwindet sie aus meinem Sichtfeld.
Alles, was mir gerade durch den Kopf geht, ist, dass ich nicht verstehen kann, warum Harper es für nötig hält, diesen Menschen unbedingt einen Freund vorstellen zu müssen.

Die Stufen sind rutschig und das Gepäck schwer, aber mit aller Mühe und Muskelkraft, die ich aufbringen kann, gelingt es mir, mich nicht zu blamieren und vor versammelter Mannschaft auszurutschen.
Innerlich zähle ich einen Countdown runter. Es ist zu spät, mir selbst Mut zuzusprechen, alle Augen sind auf mich gerichtet. Ich habe keine Zeit, nervös zu sein.
Wird schon gutgehen.

"Du musst Dexter sein", begrüßt mich Harpers Mutter.
Mit ihrer stattlichen Größe befinden wir uns beinahe auf Augenhöhe.
Ich bin im Begriff meine Hand auszustrecken, da werde ich in die nächste Umarmung gezogen.
Ich hätte nicht gedacht, dass Harper aus einer Familie kommt, in der so viel umarmt wird. Dafür wirkt sie viel zu distanziert.

"Wir haben schon so viel von dir gehört", wird gegen mein Ohr gesagt.
Eine Lüge, denn ich weiß, dass Harper so gut wie nichts über Dexter erzählt hat.
Aber ich spiele mit.
"Es freut mich wirklich sehr, Sie kennenzulernen, Mrs. Kyle. Ich hoffe inständig, dass Harper nur die guten Dinge über mich preisgegeben hat."

Not like last Christmas ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt