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Song: Alma Mater - Bleachers

"Weiter im Text. Ich wollte dich nicht unterbrechen."
Was soll ich dazu sagen?

"Die Tradition will es, dass wir einen großen Sleepover haben. Am nächsten Morgen hat sich Dexter dann verabschiedet. Er musste zu dem Mädchen, das er zu dieser Zeit kennengelernt hat. Er hat natürlich jegliche Betrugsvorwürfe abgewiesen. Das Schlimme ist, dass ich ihm das sogar glaube. Dexter ist ein ehrlicher Typ. Er hat mit mir Schluss gemacht, um sich selbst grünes Licht zu geben, sein Glück bei einer anderen Frau zu versuchen."

Ich zucke mit den Schultern und betrachte Elliots schlanke Finger.
"Was für ein ehrenloser Hu-"
"Es liegt in der Vergangenheit", fahre ich ihm zwischen die Worte, bevor er noch mit Grandma Rosie unter dem Dach flucht.

"Ich hätte schon längst mit ihm abgeschlossen, hätte ich meiner Familie vor einem Jahr an Thanksgiving nicht von ihm erzählt. Sie haben sich so für mich gefreut. Es war, als wäre ich zum ersten Mal normal. Deshalb habe ich mich davor gedrückt, ihnen sofort zu unterbreiten, dass Dexter mich abserviert hat. Du hast meine Eltern selbst gesehen. Und Nicole mit Darren. Ich stamme aus einer Familie der Liebenden, der glücklich Vergebenen."

Elliots Hand verschwindet. Sein Blick ruht auf meinem Gesicht und ich lasse zu, dass er meine Emotionen sieht.
"Dann ist Onkel Tony an Krebs erkrankt und kurz darauf gestorben. Es ging alles unglaublich schnell und kein Telefonat, das wir während dieser Zeit gefühlt haben, hätte es hergegeben, dass ich reinen Tisch mache."

"Das tut mir leid."
Auf diese Aussage wusste ich noch nie etwas zu sagen.
"Und ich bin jetzt hier, weil deine Mutter Dexter letztes Jahr zu Weihnachten eingeladen hat, du und Dexter aber nicht kommen konnten und so die Einladung auf dieses Jahr verschoben wurde", schlussfolgert Elliot.
"Richtig", nicke ich.

Er fährt sich über das Gesicht.
"Du hast recht", seufzt er dann. "Das ist wirklich keine nennenswerte Geschichte."
Auf sein Zwinkern hin muss ich erneut lachen.
"Also... Wollen wir runtergehen und allen zeigen, was wir für ein tolles Paar sind?"

Ich hebe die gefalteten Kleidungsstücke hoch und wedle mit ihnen durch die Luft.
"Gibt mir zwei Minuten und ich bin da."
Elliot erhebt sich und ich höre, wie er die Tür hinter sich schließt.
Ich brauche noch ein paar Sekunden, bis ich ebenfalls aufstehe und mich anziehe. Die Nachempfindung von einem warmen Gewicht auf meinem Handrücken versuche ich dabei zu ignorieren.

Als ich in den Flur trete, werde ich am Fuße der Treppe erwartet.
Skippy bellt unten in der Küche und es riecht nach Gemüsesuppe. Grannys Lachen schallt durch das Haus und als ich die ausgestreckte Hand meines Fake-Boyfriends sehe, habe ich kurz das Gefühl, dass es Weihnachten ist. Dass es sich dieses Jahr wirklich wie Weihnachten anfühlen kann.

"Dann zeigen wir deiner Familie mal, wie perfekt wir sind", grinst Elliot und verflechtet unsere Finger ineinander.
Er erinnert sich an meine Worte von letzter Nacht.
"Ist das Okay?", fragt er dann mit einem Blick auf unsere Hände.
"Ja, klar."
Ich habe das Gefühl, dass da noch so viel mehr ist, was er sagen will, aber ich habe keine Zeit nachzufragen.
Wir betreten bereits das Wohnzimmer und Holly winkt uns neben sich auf die Couch.

Elliot wird von unserem unzuverlässigen Wachhund angesprungen und versucht ihn vergeblich mit dem Fuß wegzuschieben.
"Ich will ihm ja wirklich nicht wehtun, aber-"
Mom kommt zur Hilfe und zerrt Skippy an seinem Halsband zur Seite.
"Böser Hund!"

Grandma Rosie setzt sich neben mich, bevor Elliot den Platz für sich einnehmen kann.
Ihre runzlige Hand legt sich auf meinen Oberschenkel.
Wir vertiefen uns in ein Gespräch über das vergangene Jahr, was alles passiert ist, wie oft sie beim Scrabble gewonnen hat und dass ihre Freundin, mit der sie zusammen aufgewachsen ist, gestorben ist.

"Sie hat sich einfach so aus dem Staub gemacht, ohne sich zu verabschieden."
Sie schüttelt den Kopf, doch ich kann sehen, dass sie unter ihrer Fassade getroffen ist.
Es muss hart sein, zu spüren, wie die Zeit einen einholt. Wie Freunde alt werden und das im Umkehrschluss bedeutet, dass man selbst ebenfalls altert.

Holly rettet uns vor der traurigen Stimmung, die droht sich wie ein Rotweinfleck einzunisten, und erzählt von ihren Finals.
Ich beobachte Elliot aus dem Augenwinkel, der auf der Lehne vom Ohrensessel sitzt.
Irgendwann steht Dad auf und verlässt das Haus. Als er wiederkommt haben wir bereits die Gemüsesuppe gegessen und er trägt eine Tanne ins Wohnzimmer.

"Dad, ich wollte doch mit dir einen Weihnachtsbaum aussuchen gehen", rufe ich aus, als ich ihn mit nasser Jacke und klobigen Winterstiefeln, an denen grauer Schnee klebt, neben dem Kamin stehen sehe.
"Du hast so zufrieden in der kleinen Runde ausgesehen", schmunzelt er, seine Nase ganz rot. "Nächstes Jahr."

Ich will nicht widersprechen. Aber tief in mir weiß ich, dass ich es vorziehen werde, nächstes Jahr die Feiertage in D.C. zu verbringen.
Die kleine Runde hat sich bis eben in der Küche aufgehalten, die wir seit dem Mittagessen irgendwie nicht mehr verlassen haben.

Dads Ausbeute lockt jedoch zurück in das festlich geschmückte Wohnzimmer.
Er geht in seinem Element auf, während er den Tannenbaumständer aus der Ecke zieht. Darren geht ihm dabei mit geschwollener Brust zu Hand und schneidet das Netz vom Baum auf.
"Mach dir nichts draus", flüstert Granny zu Elliot. "Nächstes Jahr darfst du auch mithelfen. Phil ist da sehr streng."

Elliot und ich tauschen einen langen Blick über ihren Kopf hinweg.

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Hello you beautiful souls :)

Ist das Weihnachtsbaumaufstellen bei euch auch so eine strikte Tradition?

Bei uns war es das mal, als ich noch klein war. Der Baum kam erst am 23. ins Haus. Am Morgen des 24. wurde geschmückt. Das mit dem Schmücken haben wir so beibehalten, aber mittlerweile stellen wir ihn auf, wenn er gekauft wurde, was Mitte Dezember ist. Und dann bekommt er auch schon eine Lichterkette :)

All my Love,
Lisa xoxo

Not like last Christmas ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt