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"Willst du gar nicht fragen, was er von mir wollte?"

Ich saß neben Ayaz in seinem neuen Leihwagen, während er das Radio eingestellt hatte und die leise Musik die unangenehme Stille überdeckte.

"Wieso sollte ich?", kam es daraufhin mit einem Lächeln von ihm. Irritiert darüber, starrte ich ihn viel zu lange von der Seite an und konnte aber sein Verhalten und seine Mimik überhaupt nicht deuten. Ich war so gut darin, doch er war in diesem Moment undurchschaubar für mich.

"Naja, ich meine-", fing ich schließlich an und sortierte die Worte in meinem Kopf, bevor ich sie laut aussprach. "Wir haben ja etwas Spaß gehabt und dann siehst du mich mit einem anderen und-"

"Eben", unterbrach er mich plötzlich und blieb dabei an einer Ampel stehen, um flüchtig zu mir herüber zusehen. "Etwas Spaß. Du wolltest doch nicht mehr als das."

"Bist du etwa eifersüchtig?"

"Nein", gab er mir kurz und knapp zurück und konzentrierte sich dann wieder aufs Fahren, was mich zunehmend nervöser machte. Diese Stille zwischen uns... Dazu die Tatsache, dass ich überhaupt nichts zu tun hatte. Es ließ in mir immer mehr den Drang hoch kommen, etwas zu sagen. Doch was sollte ich schon sagen? Er schien komisch drauf zu sein, ohne mir offenbaren zu wollen, warum. Vermutlich war er wirklich eifersüchtig...

Wir fuhren durch die Sonne immer weiter die Straßen entlang, bis wir dann auch schon fast vor der Villa ankamen. Ich wollte ein letztes Mal versuchen zu ergründen, was verdammt noch mal mit ihm los war.

"Hör zu. Riziero ist-"

"Nives", unterbrach er mich erneut und parkte den Wagen dabei am Straßenrand. Ich sah ihn abwartend an, bis er sich zu mir drehte und unsere Augen sich trafen. Selbst ein Blinder hätte in diesem Moment erkannt, welch grenzenlose Leidenschaft allein in unseren Blicken lag. Jedoch wandte Ayaz sich viel zu schnell wieder von mir ab und atmete mehrere Male tief durch. Ich bekam das grauenvolle Gefühl, dass meine Nähe ihm zu schaffen machte. Aber wieso? Was hatte sich so schnell geändert? "Es ist deine Angelegenheit, ob du mit ihm weiterhin Kontakt haben möchtest, oder nicht. Ich habe kein Recht dazu, eifersüchtig zu sein oder irgendwelche Ansprüche zu stellen."

Was war denn mit dem los?

"Ach, so ist das also", gab ich ihm zurück und wollte noch etwas zickiges hinzufügen, da klingelte jedoch sein Handy auf. Es war aber nicht dieser nervige Ton, der meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, sondern Ayaz selbst. Ich erkannte auf Anhieb, dass seine schlechte Laune etwas damit zu tun hatte, wer dort am Telefon war. Viel zu gestresst wirkte er schlagartig und dass er mir dabei komplett auswich, bestätigte meine Annahme. "Kein erfreulicher Anruf?"

Fragend blickte ich ihm entgegen, doch er drehte nur wortlos das Handy um und schmiss es in die Mittelkonsole, um den Wagen wieder auf die Straße zu lenken. Ich hatte also doch nichts falsch gemacht. Trotzdem konnte ich es nicht lassen, ihn weiterhin zu testen.

"Vielleicht sollte ich Riziero doch noch eine Chance geben. Ich meine, wenn es dir anscheinend nichts ausmacht", sprach ich in seine Richtung, da legte sich plötzlich ein dämliches Grinsen auf seine Lippen.

"Willst du mich gerade testen, um zu sehen, wie ich reagiere?"

"Natürlich nicht!", entkam es mir gespielt theatralisch, während er den Wagen vor der Villa parkte, die Handbremse anzog und zu mir herübersah.

"Sicher? Mir kommt es nämlich so vor."

"Absolut sicher. Ich habe nur das laut ausgesprochen, was in meinen Gedanken war", erklärte ich und merkte dabei, wie nervös ich dann doch wurde. Würde er mir wirklich sagen, es wäre ihm scheiß egal, würde es mir weh tun. Ich hasste diesen Schmerz und wollte mich nach Riziero nie wieder so fühlen.

"Soll ich laut aussprechen, was ich denke?"

Ayaz Blicke nahmen mich gefangen, während ich nickte und gespannt darauf war, was er jetzt wohl zu sagen hatte. Ganz vorsichtig kam er mir mit seiner Hand näher und nahm den Enten Anhänger meiner Halskette zwischen seine Finger, um ihn für kurze Zeit mit einem wunderschönen Lächeln zu betrachten. Als seine Augen schließlich wieder die meinen suchten, war ich aufgeregter denn je.

"Sanırım sana dokunmaya cesaret eden her adamin elini yakacağim", hauchte er und ganz plötzlich, da verstand ich rein gar nichts mehr. Nur anhand seines Blickes konnte ich deuten, dass er diese Worte, was auch immer sie bedeuteten, vollkommen ernst meinte. "Bir prenses gibi davranılmayı hak ediyorsun. Bize biraz daha zaman ver çünkü henüz sana tam olarak açılmaya hazır değilim. Ama bekle ve ikimize de güvenin. Geçmişim çok aci veriçi olsa da, geleceğimizden umudum var."

Vollkommen durcheinander starrte ich ihn einfach nur an und obwohl ich kein einziges Wort verstanden hatte, zog mir eine Gänsehaut über meine Arme. Seine Augen - so tief in meinen gefangen, dass es magisch wirkte.

"Ich würde die Worte gern verstehen", flüsterte ich mit einem sanften Lächeln, da nahm er plötzlich meine Hand in seine und hauchte einen liebevollen Kuss auf meinen Handrücken. Ich beobachtete ihn dabei und genoss selbst diese so unschuldige Berührung.

"Du wirst sie verstehen. Nicht heute, aber der Zeitpunkt kommt", erklärte er mit ruhiger Stimme und löste sich dabei leider wieder von mir. Ich war so gefangen in diesem Moment, dass ich alles andere ausblendete. Das musste doch etwas bedeuten... Sich so schwerelos bei jemanden zu fühlen, der Worte benutzte, die nicht die eigene Sprache waren... Doch wir brauchen anscheinend keine Worte. Es genügten seine Augen, um mich wahnsinnig zu machen.

"Aspetto con ansia il momento in cui capirò le tue parole", gab ich ihm zurück und nur widerwillig, löste ich meinen Blick von ihm und schnallte mich ab, um aus dem Wagen zu steigen. Am liebsten wäre ich sitzen geblieben, denn ich Ayaz Nähe, da gab es kein Chaos... Keine Fragen über meine Vergangenheit... Keinen Druck oder sonstiges. Es war einfach nur berauschend...

Mein Herz pochte wie verrückt, als ich seinem Wagen nachsah und alleine zurückblieb. Egal wie kurz wir uns kannten - wie wenig wir gemeinsam hatten. Diese Autofahrt hatte mir deutlich gemacht, dass da wirklich mehr zwischen uns war, als ich zuerst wahrhaben wollte. Das einzig schreckliche war, dass ich mir seine Worte nicht gemerkt hatte. Wie gerne ich die Übersetzung gehabt hätte.

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Leider nur ein Kurzes ❤️
Hoffe trotzdem auf euer Feedback 😘

Obsession with my bodyguard Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt