„Ich schaff das allein. Halt dich bitte raus, Harry", sagte ich ihm nach wie vor mit zittriger Stimme. „Einen scheiß schaffst du", sagte er leise in meine Richtung und wandte sich Jacob zu. „Lass sofort deine Pfoten von ihm, du bist übergriffig", sagte er, wobei seine Stimme zunehmend wütender wurde. „Was bin ich?", fragte Jacob lachend. „Übergriffig. Oder wäre es dir lieber, wenn ich dich Vergewaltiger nennen würde? Denn das könnte ich sicher nach dem heutigen Abend, wenn ich euch zusammen gehen lassen würde. Was ich im Übrigen unter keinen Umständen tun werde", sagte er zu Jacob, während er einen weiteren Schritt auf ihn zu ging.
Zwischen ihren Gesichtern war kaum Platz, Harry's Augen waren feuerrot. „Wie hast du mich gerade genannt?", fragte Jacob mindestens ebenso aufgebracht wie Harry und packte ihn am Kragen seines Hemdes. „Großer Fehler", sagte er verhältnismäßig ruhig, während er seine Faust ballte und ausholte. Kurz darauf traf Harry's Faust unvermittelt auf Jacob's Gesicht, der sofort zu Boden ging. „Lou, alles okay?", fragte Harry, der sich nach dem Schlag zu mir drehte und meinen Kopf mit seinem Zeigefinger nach oben führte, sodass ich gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen.
„Was ist denn hier los?", fragte Zayn, der hinter Harry auftauchte, welcher umgehend die Augen verdrehte. „Ich brauch jetzt nicht auch noch Louis' neuen Toy Boy hier. Verpiss dich", sagte er und drehte sich genervt zu meinem besten Freund. Zayn sah Harry verwirrt an. „Toy Boy? Ich bin sein bester Freund", sagte er irritiert. „Oh, sorry. Hi. Ich bin Harry", sagte er und reichte Zayn die Hand. „Harry, schön dich kennenzulernen. Und das ist?", fragte Zayn und zeigte auf Jacob, der sich gerade wieder aufrichtete. „Jacob", sagte Harry. „Louis' Jacob?", fragte Zayn. „Ich würde ihn ungern so nennen, aber ja", erwiderte Harry.
Zayn schob Harry beiseite und schlug nun ebenso unvermittelt mit seiner Faust in Jacob' Gesicht, welcher erneut zu Boden ging. Ich beobachtete das Szenario, während mein Blick zwischen den drei Personen hin und her wanderte. Harry und Zayn vergaßen offenbar, dass wir uns in einem Pub voll alkoholisierter Menschen befanden, denn nach den ersten durch die beiden verteilten Schlägen, schlossen sich weitere Personen der Schlägerei an und das Ganze artete schneller aus, als mir lieb war. Ich sah Harry an, der gerade von Jacob zu Boden gebracht wurde, während Zayn Harry mit einem Tritt gegen Jacob befreite.
Als sich die anfängliche Auseinandersetzung allmählich zu einer Massenschlägerei entwickelte, nutzte Harry die Ablenkung, um Zayn und mich hinter sich aus dem Pub zu ziehen. „Lou, ist alles okay bei dir?", fragte er erneut, während er mein Gesicht in seinen Händen hielt und meinen Blick fixierte. Ich fühlte mich für einen kurzen Moment geborgen und sicher. Er hätte seine Hände für immer an meinem Gesicht behalten dürfen. „Lou? Bist du noch anwesend?", fragte er, nachdem ich nicht auf die erste Frage reagierte.
Zögerlich nickte ich. „Wie ist's bei dir, Kumpel?", fragte er meinen besten Freund, als er mein Gesicht gerade wieder losließ und Zayn ansah. „Mir gehts gut, aber ich wollte noch nicht gehen", sagte Zayn, der immer noch außer sich war vor Wut. „Ich auch nicht, aber ich wollte es nicht riskieren, dass Lou mit reingezogen wird", sagte er. Die beiden redeten miteinander, als würde ich gerade nicht neben ihnen stehen. Sie behandelten mich wie ein kleines Kind und es nervte mich. „Dann viel Spaß euch beiden", sagte ich genervt, drehte mich weg und lief schnell in Richtung der Hauptstraße.
„Lauf mir nicht nach", fuhr ich Harry an, der kurz darauf neben mir Schritt hielt. Während mich mein zügiger Schritt zunehmend körperlich anstrengte, sah er mit seinen langen Beinen total entspannt neben mir aus, was mich ebenso nervte, wie die ganze Situation. „Wollen wir kurz stehenbleiben? Dich strengt das mehr an als mich", sagte Harry schmunzelnd. Wütend blieb ich stehen und verschränkte meine Arme vor meinem Körper. „Was, Harry?", fragte ich aufgebracht.
Vorsichtig griff er mit seinen Händen an meine Oberarme und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Entschuldige bitte, dass ich dich nicht mit ihm hab mitgehen lassen", sagte er. „Du bist doof", sagte ich. „Ein bisschen", erwiderte er zwinkernd. „Bitte verzeih mir, dass ich gestern so unfair dir gegenüber war. Das hast du wirklich nicht verdient, nachdem du für mich da warst", sagte ich leise, konnte ihm dabei nicht einmal in die Augen sehen, so unangenehm war es mir. „Entschuldigung angenommen", sagte er und zog mich in seine Arme. Ich spürte seinen Herzschlag, der zunehmend schneller wurde. Mir ging es nicht anders, ich fühlte mich auf einmal so wohl in seiner Gegenwart.
„Ich will euch ungern unterbrechen bei was auch immer ihr da tut, aber wir sollten gehen", sagte Zayn. Die Straßen erstrahlten in blauem Licht. Wir stiegen noch vor dem Eintreffen der Polizei in Harry's Auto. „Du hast deine Freundin im Pub vergessen", sagte ich, nachdem wir losfuhren. „Sie ist nicht meine Freundin", sagte er. „Und ich bin übrigens auch nicht Louis' Toy Boy, wenn wir schon dabei sind", sagte Zayn von der Rücksitzbank aus. „Sorry, ich dachte, er wollte mich mit dir eifersüchtig machen", sagte Harry, während er über den Rückspiegel zu Zayn sah. „Das würde ihm ähnlich sehen", erwiderte Zayn. „Hallo? Ich bin auch hier", mischte ich mich ein.
Einige Minuten später kamen wir am Wohnhaus an und liefen den Flur entlang nach oben. „Gute Nacht", sagte Harry, der gerade seine Wohnungstür öffnete. Ich blieb direkt hinter ihm stehen. „Willst du nicht noch mit rüber kommen?", fragte ich ihn leise. „Nein, ihr habt euch sicher viel zu erzählen, da will ich nicht stören", sagte er. „Du Harry, warum dachtest du, dass ich dich eifersüchtig machen wollte?", fragte ich. „Bitte. Du kommst mit einem attraktiven Unbekannten in den Pub, in dem ich auftrete. Was hättest du gedacht?", fragte er. „Vermutlich genauso", sagte ich und zuckte mit den Schultern.
„Danke für deine Hilfe. Gestern und heute", sagte ich. Harry kam einen Schritt auf mich zu und gab mir einen Kuss auf meine Wange, bevor er seine Wohnungstür hinter sich schloss. Verwirrt sah ich auf die geschlossene Tür. „Los", sagte Zayn und zeigte lächelnd auf meine eigene Wohnungstür, die immer noch geschlossen war. Ich nickte und schloss sie auf.
Am nächsten Morgen wurde ich etwas gerädert durch das Klingeln meines Weckers aus dem Schlaf gerissen und bewegte mich wie in Trance ins Badezimmer. Ein furchtbarer Tag stand mir bevor, denn bis auf meine erste Vorlesung, hatte ich ausschließlich Vorlesungen bei Jacob. Ich wusste nicht, wie ich das die nächsten Jahre überstehen sollte. „Wann bist du wieder zu Hause?", fragte Zayn mich verschlafen, den ich vermutlich ebenso durch den lauten Ton meines Weckers aus dem Schlaf riss. „Ich hab bis 15:00 Uhr Vorlesung, also gegen 15:30 Uhr. Bis nachher", sagte ich und verließ die Wohnung.
„Guten Morgen", sagte Harry, der neben meiner Wohnungstür lehnte. „Etwas unheimlich", sagte ich scherzhaft und lief an ihm vorbei. Er folgte mir. „Was soll das werden?", fragte ich verwundert. „Du denkst nicht ernsthaft, dass ich dich allein zur Uni lasse? Ich fahre dich und hol dich ab", legte er fest. Ich wollte kurz widersprechen, nickte ihm dann jedoch lieber dankend zu, denn ich war tatsächlich dankbar. Ich wollte nicht allein zur Uni fahren und auch nach der Uni nicht allein nach Hause fahren. „Hier", sagte Harry und reichte mir einen Zettel mit einer handschriftlich niedergeschriebenen Telefonnummer darauf. „Deine Nummer?", fragte ich. „Melde dich bitte, wenn irgendwas sein sollte. Ich bleibe in der Nähe", sagte er. „Danke", sagte ich.
Ich atmete tief durch, als wir das Gelände der Universität erreichten. „Hey, alles wird gut. Ich bin da", sagte Harry und gab mir ein Gefühl von Sicherheit, wie ich es nie zuvor hatte. „Warum tust du das für mich?", fragte ich ihn. „Du bist ein Schwächling", sagte er breit grinsend und war sofort wieder der Alte. „Und du ein Arschloch", sagte ich und sah ihn gespielt böse an.
„Du, Harry, darf ich dir eine Frage stellen?", fragte ich ihn leise. Er nickte und sah mich erwartungsvoll an. „Wer war der Mann gestern in deiner Wohnung?", fragte ich. „Ein Freund, du brauchst nicht eifersüchtig sein", sagte er und streichelte mir mit dem Zeigefinger kurz über das Gesicht. „Ich bin nicht eifersüchtig, nur neugierig", sagte ich. „Red dir das nur ein", erwiderte er lachend. „Arschloch", murmelte ich und stieg aus dem Fahrzeug, hielt jedoch noch einmal kurz an der Fahrerseite an. Harry öffnete sein Fenster, unsere Blicke trafen sich. „Danke".
Mit einem äußerst unguten Gefühl betrat ich das Gelände, blickte vorher noch einmal zu Harry, der mir beschwichtigend zunickte, bis ich schlussendlich die Tür zum Gebäude öffnete.
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Neighborhood | L.S.
FanfictionLouis verfolgt seinen Traum und studiert Kriminologie an der City University in London. Eine neue Stadt und neue Herausforderungen für den jungen Mann aus Doncaster. Es hätte so aufregend sein können, wäre da nicht sein Nachbar Harry, der ihm das Le...