Für einen Moment sah Harry mich verwirrt an. Er antwortete nicht, vermutlich dachte er gerade darüber nach, wie er mich vorsichtig abservieren könnte. Ich wurde mit jeder Sekunde unsicherer. „Harry, können wir los?", hörte ich eine weibliche Stimme hinter ihm sagen und riss sofort die Augen auf. Sie schlang einen Arm um ihn, war ebenso schön, wie all die anderen Frauen, die sich bislang in seiner Wohnung aufhielten. „Jetzt nicht, Gemma", sagte er, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Das war eine dumme Idee. Sorry", sagte ich und lief so schnell es ging in meine Wohnung zurück.
Kurz darauf klingelte es an meiner Wohnungstür, doch ich wollte sie nicht öffnen. Was hab ich mir nur dabei gedacht, ihn so etwas zu fragen. Er sah mich als Schwächling, unter keinen Umständen könnte er Interesse an mir haben. „Louis, mach die Tür auf", rief er und betätigte unaufhörlich die Klingel zu meiner Wohnung. „Louis!", wurde er zunehmend lauter und ich öffnete die Tür zunächst einen Spalt. „Geh bitte, Harry", sagte ich leise, deutlich unsicherer als zuvor. „Darf ich dir meine Schwester vorstellen? Das ist Gemma Styles", sagte er mit einem Lächeln und zog sie am Oberarm vor meine Wohnungstür. Ich öffnete die Tür vollständig.
Irritiert sah ich zwischen den beiden hin und her. In der Tat war eine Ähnlichkeit nicht zu verleugnen, sie hatten sogar die selben Grübchen, wenn sie lächelten und die selben strahlend grünen Augen. „Oh, das ist deine Schwester", sagte ich, als mir klar wurde, dass ich mich gerade absolut dämlich verhalten hatte. „Ja, Hi, ich bin Gemma", sagte sie und reichte mir die Hand. Ich erwiderte den Handschlag. „Hi, Louis. Sorry, ich weiß nicht, was gerade in mich gefahren ist", sagte ich. Harry verdrehte lächelnd die Augen. „Gemma und ich wollten gerade noch etwas trinken gehen. Möchtest du uns begleiten? Und danach kannst du selbstverständlich bei mir schlafen", sagte er. Ich nickte ihm zu, ging zurück in meine Wohnung und suchte meine Sachen zusammen.
„Was war das gerade?", fragte Harry, der mir in die Wohnung folgte und hinter mir stehen blieb. „Harry, sorry, das war... Es tut mir leid, es geht mich ja auch überhaupt nichts an", sagte ich. „Warum bist du eifersüchtig?", fragte er. „Ich weiß es nicht, lass uns gehen", sagte ich, doch Harry hielt mich mit seiner Hand auf meiner Brust auf. „Nein. Du beantwortest jetzt bitte meine Frage", sagte er leise, schaute mir währenddessen tief in die Augen. „Ich weiß es wirklich nicht. Du bist immer für mich da und ich fühle mich einfach wohl in deiner Gegenwart. Ich bin glücklich, wenn du bei mir bist und unglücklich, wenn du es nicht bist. Ich dachte, dass du mich vielleicht auch magst. Das war dumm", sagte ich und entlockte ihm mit meinem unvorbereiteten Monolog ein kleines Lächeln.
„Du musst jetzt nichts dazu sagen. Ich weiß, dass du mich für einen Schwächling hältst. Das hast du mir oft genug gesagt", sagte ich und sofort verschwand das Lächeln in Harry's Gesicht. „Lou, ich halte dich überhaupt nicht für ein Schwächling. Das habe ich doch nur aus Spaß gesagt und werde es definitiv nie wieder sagen. Allein was du heute gemacht hast, ein Schwächling hätte das niemals geschafft. Du bist stark. Viel stärker, als du denkst", sagte er. „Harry, hättest du vielleicht Lust... Also... Wenn du möchtest...", begann ich wieder zu stammeln. „Willst du mich gerade nach einem Date fragen?", fragte er leicht lachend. „Ich bin so schlecht in sowas", sagte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Harry entfernte die Hände von meinem Gesicht und sah mir in die Augen. „Louis, darf ich dich morgen zum Essen einladen? Nur du und ich. Ein richtiges Date?", fragte er. Ich verdrehte genervt die Augen. „Was denn?", fragte er. „Ich wollte dich fragen", sagte ich. „Es ist doch völlig egal, wer wen fragt. Ich möchte ein Date mit dir. Du auch mit mir?", fragte er. Ich nickte sofort zufrieden. „Jetzt wo wir das geklärt haben, könnten wir einen romantischen Abend mit meiner Freundin verbringen", sagte er scherzhaft, woraufhin ich ihm mit der flachen Hand auf seinen Oberarm schlug. „Arschloch", murmelte ich. „Eifersüchtiges Monster", erwiderte er und nahm meine Hand, um mich aus der Wohnung zu führen.
Wir kamen in einem kleinen Pub nahe unseres Wohnhauses an, in dem es lediglich drei Tische gab. Es war gemütlich, viel schöner als das Pub, in dem Harry sonst auftritt. „Was wollt ihr trinken?", fragte er Gemma und mich. Wir entschieden uns beide für Bier und Harry begab sich zur Bar, während ich ihm mit meinem Blick folgte. „Süß", bemerkte Gemma, woraufhin ich sie fragend ansah. „Was ist süß?", fragte ich sie. „Wie du meinen Bruder anschmachtest". „Mach ich doch gar nicht", sagte ich und wurde sofort rot. „Er mag dich auch", sagte sie und ignorierte somit meine vorherige Aussage. „Wirklich?", fragte ich nach und sie nickte zuversichtlich.
„Lästert ihr?", fragte Harry, als er mit den Getränken zurück an unseren Tisch kam. „Was denkst du denn? Natürlich lästern wir!", sagte Gemma, während ich mit kleinen Herzen in den Augen zu Harry sah. Er war so lieb zu mir, wie niemals jemand zuvor. Die letzte Zeit hätte ich ohne ihn nicht überstanden und ich war ihm von ganzen Herzen dankbar. „Was ist los, Zwerg?", fragte Harry, der offenbar meinen gedankenversunkenen Blick entdeckte. „Nenn mich nicht Zwerg!", sagte ich und schlug ihn erneut gegen seinen Oberarm.
„Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?", fragte Gemma. „Wir wohnen nebeneinander. Dein Bruder war ein Arschloch. Ende", sagte ich und ließ somit kein Detail unserer Kennenlerngeschichte aus. „Und was hat sich geändert?", fragte sie weiter. Die Herzen in meinen Augen schienen zu auffällig zu sein. „Irgendwann war er kein Arschloch mehr. Im Gegenteil. Er wurde von Tag zu Tag toller", schwärmte ich und bemerkte gar nicht, dass Harry mich während meinen Erzählungen beobachtete. „Ich lass euch kurz allein", sagte Gemma und verließ mit ihrem Telefon in der Hand das Lokal.
„Du starrst, Harry", sagte ich. „Sorry", sagte er, löste seinen Blick dennoch nicht von mir. „Was ist los?", fragte ich. Er beugte sich zu mir vor und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Warum immer nur auf die Wange?", fragte ich und erschrak vor meinen eigenen Worten. Diese Frage sollte in meinem Kopf bleiben und nicht meinen Mund verlassen. Ich lief sofort rot an und drehte mich von ihm weg. „Warum machst du das?", fragte er. „Ich weiß nicht was du meinst", erwiderte ich, ohne ihn noch einmal anzusehen.
Er drehte meinen Körper in seine Richtung, während ich auf den Boden blickte. „Hör auf, dich vor mir für irgendwas zu schämen. Du kannst du selbst sein und sagen, wonach auch immer dir ist", sagte er und führte meinen Kopf mit seinem Zeigefinger in seine Richtung. „Möchtest du, dass ich dich küsse?", fragte er ganz ruhig. Ich presste meine Lippen aufeinander, um mein Grinsen nicht zu groß werden zulassen. Sanft presste er seine Lippen auf meine. „Widerlich", sagte Gemma, noch bevor ich den Kuss erwidern konnte. Harry zog sich zurück und lachte leise auf, blickte anschließend zu mir und warf mir ein sanftes Lächeln zu.
Über irgendwas redeten die beiden, doch ich hörte überhaupt nicht zu. Zu versunken war ich in meinen Gedanken, während ich Harry mit meinem Blick fixierte. „Du starrst, Louis", sagte Harry und riss mich aus meiner Gedankenwelt. „Gar nicht wahr", sagte ich und verschränkte die Arme vor meinem Körper. „Red dir das nur ein", sagte er mit einem Grinsen in meine Richtung. „Gemma, wir gehen nach Hause. Wir sehen uns am Wochenende bei Mom", sagte er, stand auf und reichte mir seine Hand. Unsere Finger verflochten sich ineinander und wir verließen gemeinsam das Lokal und verabschiedeten uns vor der Tür von Gemma.
Als wir an Harry's Wohnungstür ankamen, wurde ich zunehmend nervöser, was nicht unbemerkt an Harry vorbeiging. „Hey, alles okay?", fragte er mich leise. „Ich bin ein bisschen nervös", gab ich zu. „Warum?", hakte er nach. „Weil ich gleich in deinem Bett liegen werde", sagte ich. „Diesbezüglich müsste ich dir noch etwas gestehen", sagte Harry und sah mich ernst an. „Was ist passiert?", fragte ich erschrocken. „Du musst jetzt wirklich stark sein. Aber auf meiner Bettwäsche sind keine Blümchen", sagte er und sah mich noch immer ernst an. „Du bist so ein Idiot".
Er öffnete lächelnd die Tür und blieb am Rand des Türrahmens stehen. „Komm rein", sagte er.
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Neighborhood | L.S.
FanfictionLouis verfolgt seinen Traum und studiert Kriminologie an der City University in London. Eine neue Stadt und neue Herausforderungen für den jungen Mann aus Doncaster. Es hätte so aufregend sein können, wäre da nicht sein Nachbar Harry, der ihm das Le...