5. WIR

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Annas Tod stand nur wenige Tage in der Zeitung.
Wie andere Opfer zuvor, wurde auch sie mit einen Schnitt durch die Kehle ermordet, ihr Bauchraum geöffnet und sämtliche Eingeweide entfernt und sorgsam neben ihren Leichnam gelegt.
Es war das typische Bild des Schlachters.
Immer die selbe Taktik.
Seit Annas Tod schlief ich unruhig.
Ich träumte oft von der erlebten Szene.
Immer und immer wieder.
Und jeden Morgen wachte ich mit dem Gedanken auf, dass jemand diesen Mörder beseitigen musste.
Er musste verschwinden.
Einfach verschwinden.
Doch so einfach war das leider nicht.
Außer dem Schlachter würde einfach so etwas passieren.
Ein Unfall.
Ein plötzlicher Blitzeinschlag.
Eine Krankheit.
Ein Sturz von der Treppe.
Doch es wollte einfach nicht passieren.
Die Nachrichten füllten sich immer mehr mit gefundenen Opfern seinerseits.
Es wurden immer mehr.
An einem stillen Abend stand ich vor meiner weißen Wand, die ich normalerweise hinter meinen gelben Vorhängen versteckte.
Sie war beklebt mit Zeitungsartikeln und Bildern.
Alle mit den vergangenen Morden und der großen Frage nach der Identität des Schlachters.
Ich schrieb einige Worte auf ein Blatt Papier und hängte es mit einer Stecknadel an die Wand.
Dann trat ich einige Schritte zurück und betrachtete die Wand.
Ich wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau.
Es war kein Muster erkennbar.
Warum tat er es?
Das war die Frage, die ich mir immer wieder seit Annas Tod stellte.
Warum?
Kurz nahm ich einen Schluck von meinem Apfelsaft bevor ich mein Handy nahm und ein wenig durch die Nachrichten stöberte.
Mein Bruder Aaron war ausgegangen.
Ich wusste nicht wohin und mit wem, aber er war weg.
Und er ging mal wieder nicht ans Handy.
Nachdenklich blickte ich an die Wand und verfolgte den roten Faden, den ich mit einigen Stecknadeln befestigt hatte.
Sie führte von einem Kreis unbekannter Personen und wandte sich wie eine Schlange hin und her.
Eine Frau aus dem Altenheim.
Ein Barkeeper.
Der Postbote mit dem Schnurrbart.
Die Frau aus dem Blumenladen.
Ein ehemaliger Lehrer meiner alten Schule.
Ein alter Mitschüler.
Anna.
Und mein Vater.
Ich sah lange auf das Bild was sich mir bot.
Unbekannte und bekannte Gesichter.
Der rote Faden, der sie wie eine Schlange wandte.
Wie eine Spirale.
Je länger ich an die Wand starrte, desto größer wurden meine Augen.
Eine Spirale!
Das war es!
Eine Spiral, die sich langsam auf ein Zielobjekt, nein, eine Zielperson hin drehte.
Der Schlachter hatte mit fremden Leuten begonnen und sich dann mittendrin einfach eine Zielperson in den Kopf gesetzt.
Er wollte die Zielperson wahnsinnig machen, indem er alle Personen um sie herum nach und nach tötete!
Ich hatte ihn an der Angel!
Doch wer war die Zielperson?
Die Frau aus dem Blumenladen.
Ein ehemaliger Lehrer.
Ein alter Mitschüler.
Anna.
Dad...
Meine Augen starrten an die Wand.
Ich konnte kaum atmen.
Waren wir die Zielpersonen?
Ich drehte den Kopf und sah auf die Zeitungsartikel.
Erst wurden Leute ermordet, die mein Bruder und ich nicht kannten.
Dann nach und nach welche, die wir per Namen und Gesicht kannten.
Und dann Leute, die uns nahe waren.
Wir waren die Mitte.
Das Ende der Spirale.
Ich schluckte leicht, während ich langsam realisierte, dass das die Realität war.
Wenn wir nicht etwas unternahmen, würden wir sterben!
Ich griff wieder nach meinem Handy und ging ins Internet.
Ich tippte auf der Tastatur herum.
Was tun, wenn mich jemand umbringen will?
Ich scrollte und scrollte, tippte auf den ein oder anderen Artikel.
Doch die Antwort war immer die selbe.
Geh zur Polizei.
Nur würde die Polizei hier nur wenig machen können.
Sie schafften es selbst nicht einmal den Schlachter zu fragen und zu enttarnen, weil sie immer zu spät waren.
Ich seufzte leise, stoppte es jedoch ruckartig, als ein Artikel meine Aufmerksamkeit erregte.
Ich tippte auf den Artikel und las.

LisaXx:
Mein Ex-Mann (35) hat mich nach unserer Scheidung belästigt und sogar versucht unsere Kinder an sich zu nehmen.
Er wurde schnell gewalttätig und brachte eines Abends meine Mutter um.
Ab diesem Moment wusste ich, dass meine Kinder und ich nicht mehr sicher sind.
Vor dem Tod meiner Mutter, habe ich mich bereits an die Polizei gewandt, ohne Erfolg.
Also brauchte ich etwas anderes:
Einen Auftragskiller.

Einen Augenblick lang starrte ich auf den Bildschirm.
Einen Auftragskiller?
Gab es so etwas überhaupt?
Legal war es nicht, das war klar.
Doch...
Es war eine Möglichkeit.
Du sollst nicht töten.
Das war etwas, was mir von klein auf beigebracht wurde.
Und es war richtig.
Töten war falsch.
Doch war es falsch jemanden umzubringen, der selbst tötete?
Oder umbringen zu lassen?
Ein Auftragskiller...
Ich wollte diesen Schlachter aus meinem Leben entfernen.
Wäre er erst einmal fertig mit mir und meinem Bruder, würde er sich den nächsten suchen und immer so weiter machen.
Er musste von der Bildfläche verschwinden.
Er war ein böser Mensch.
Und ein Auftragskiller könnte die Lösung sein.

EMPTY // VILLAIN Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt