15. VORAHNUNG

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Mit noch leicht zitternder Hand drehte ich meinen Schlüssel im Schloss herum.
Nach einem erneuten Mord vor meinen Augen, der Begegnung mit dem Schlachter und der Weitergabe der Nachricht seinerseits an Prim war ich mit den Nerven nun völlig am Ende.
Prim war zurück zur Villa gegangen und ich hatte den Weg nach Hause genommen.
Er hatte sehr ernst und grimmig gewirkt, als wir den Ort des Geschehens verlassen hatten.
Irgendetwas musste in dem Zettel stehen, was ihn sauer machte.
Das war eindeutig.
Ich tastete mit meiner Hand im Dunkeln nach dem Lichtschalter, knipste ihn an und erschrak mich verdammt noch mal vor Aaron, der mich ebeso überrascht ansah.
,,Sarah." sagte er nur.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und legte eine Hand auf meine Brust.
Mein Herz raste.
,,Aaron! Du kannst doch nicht einfach im Dunkeln herumschleichen!" fuhr ich ihn an.
Mein Bruder starrte mich nur von Kopf bis Fuß an.
,,Wie...siehst du denn aus?" fragte er irritiert.
Erst jetzt erinnerte ich mich, dass ich noch die Sachen von Primrose und das Make-Up trug.
Ein wenig beschämt sah ich weg.
,,Ich wollte mal was neues ausprobieren." erwiderte ich.
Aaron starrte mich weiter unüberzeugt an.
,,Du siehst aus, wie eine Prostituierte." sagte er einfach so heraus.
Ich sah ihn schockiert an.
Es war viel Schminke, da stimmte ich ihm zu.
Doch diese Aussage war einfach nur verletzend.
Ich konnte nichts dazu sagen.
Aaron sah weg.
,,Wo warst du überhaupt den ganzen Tag?" fragte er.
Ich starrte ihn kurz überrascht und mit rasendem Herzen an.
Ich konnte ihm doch nicht von Primrose, der Bar, dem Mann und dem Schlachter erzählen!
Lügen...
Du sollst nicht lügen.
Lügen war eine Sünde.
Doch...ich war bereits am sündigen, indem ich überhaupt Kontakt zu Prim hatte.
,,Ich habe ein Mädchen kennengelernt und war mit ihr in der Mall." log ich schließlich.
Aaron sah mich kurz überrascht an.
Dann zuckte er die Schultern.
,,Okay."
Er warf mir noch einen schnellen Blick zu.
,,Wasch das ab. Es sieht furchtbar aus." meinte er und ging ins Wohnzimmer.
Ich sah zu, wie er ging.
Dann seufzte ich kurz und trat meinen Weg ins Badezimmer an.
Dort nahm ich mir einen Waschlappen und Make-Up-Entferner und sah in den Spiegel.
Vor mir spiegelte sich mein völlig anders geschminktes Ich.
Der Lidschatten.
Der Eyeliner.
Die Maskara.
Der Concealer.
Der Lippenstift.
Primrose hatte mich so hergerichtet.
Mein Bruder hatte seine Meinung dazu geäußert.
Doch ich...
Ich fand es am Anfang unangenehm.
Doch jetzt?
Der Lidschatten schimmerte leicht im Badezimmerlicht in goldenen Farben.
Der Lippenstift passte gut zu meinem Hautton.
Es sah irgendwie...hübsch aus.
Ich begann es zu mögen und meinen Bruder nicht wirklich zu verstehen.
Und trotzdem begann ich langsam nach und nach das Make-Up zu entfernen.
Nach kurzer Zeit war es weg und ich war wieder Sarah Loren, wie jeder sie kannte.
Ich zog mir noch schnell andere Sachen and putzte meine Zähne.
Als ich das Badezimmer verließ, sah ich Aaron und wie er etwas in seine Tasche steckte.
Ich versuchte das dunkle Objekt zu identifizieren.
Ein schwarzer Handschuh?
Ein schwarzer Handschuh...
Es war nicht mal die nötige Temperatur für Handschuhe...
Aaron sah mich an.
,,Gehst du schlafen?" fragte er.
Ich nickte leicht.
,,Ja..."
"Aha. Dann gute Nacht." meinte er, drehte sich um und ging in sein Zimmer.
Einen kurzen Moment sah ich ihm nach.
Ein Gefühl stieg in mir auf.
Ein ungutes Gefühl.
Eine ungute Vorahnung, die ich sofort wieder verdrängte.
Ich schüttelte leicht den Kopf, drehte mich ebenfalls weg und nahm die Treppe noch in mein eigenes Zimmer.
Meine Gedanken wanderten zu Prim und dem Zettel.
Was hatte der Schlachter ihm geschrieben?
Es musste ihn definitiv frustriert haben.
Hatte Prim vielleicht schon eine Vorahnung, wer der Schlachter sein könnte?
Ich wusste es nicht.
Noch nicht.
Doch ich würde es sicherlich bald erfahren.

EMPTY // VILLAIN Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt