2/Das doppelte Lottchen

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Valeria

„Hast du auch an das Schwimmzeugs gedacht?", ruft meine Schwester aus meiner Küche. Ich höre, wie sie mein dreckiges Geschirr spült und mehr als einmal poltert es so lautstark, dass ich versucht bin nachzusehen, ob auch wirklich noch alles heile ist.

„Natürlich", schreie ich zurück. „Ich nehme extra die Pille weiter, damit uns das rote Zeugs nicht in die Quere kommt. Hoffentlich spielt das Wetter mit."

Die restliche Arbeitswoche verlief wie in Zeitlupe, umso glücklicher bin ich, dass es endlich Freitagnachmittag ist. Morgen geht es für Sienna und mich in den lang ersehnten Schwarzwaldurlaub. Allerdings bin ich jetzt doch noch ziemlich gestresst, weil ich noch den Koffer packen muss, wozu ich mich die letzten Tage nach Feierabend einfach nicht mehr aufraffen konnte.

„Ich bin nur gespannt, ob Lip sich oft bei mir melden wird." Sienna steht urplötzlich neben mir. Die Hände in die Seiten gestemmt, schaut sie zu mir auf den beigen Teppichboden hinab, auf dem ich gerade knie und verzweifelt versuche den Slip, der mir hinter das Regal gerutscht ist, wieder von dort hervorzuholen.

„Was suchst du da eigentlich genau?", meint Sienna und lässt sich auf mein Bett plumpsen. Das nasse Geschirrtuch, das sie noch über dem linken Arm hängen hatte, fällt dabei auf meine Bettdecke.

„Mein Lieblingsslip", stöhne ich genervt und puste mir eine meiner hellbraunen Strähnen aus dem Sichtfeld. „Kannst du das nasse Geschirrtuch bitte von meinem Bett nehmen?"

„Ach so", kichert mein Zwilling und ignoriert meine Bitte eiskalt. „Du erhoffst dir wohl diesen Urlaub, dass du einem heißen Typen begegnest, der es dir mal wieder so richtig besorgt, stimmts oder habe ich Recht? Dein letztes Mal ist ziemlich lange her. Zu verübeln wäre es dir wirklich nicht, Süße."

„Halt doch die Klappe", zicke ich sie an. „Wenn das mein Plan gewesen wäre, dann hätte ich uns kein Ferienhaus im Schwarzwald gemietet, sondern einen Flug nach Malle gebucht oder irgendwo anders in Spanien am Meer. Ich will diesen Urlaub einfach meine Ruhe und mal richtig ausspannen. Die Typen können mich gerade mal kreuzweise. Seit Björn habe ich einfach keine Lust mehr auf die. Auf keinen von denen, nicht einmal für eine schnelle Nummer."

Genervt stehe ich vom Boden auf, nehme das nasse Geschirrtuch an mich und gehe damit zurück in die Küche, um es auf seinen vorgesehen Platz zum Trocknen aufzuhängen. Meine Augen wandern über die makellos saubere Küche.

„Aber untervögelt bist du definitiv", lässt Sienna einfach nicht locker, als ich wieder in mein Schlafzimmer gehe.

„Das sagst gerade du. Wetten, dass du es spätestens am zweiten Tag bereust, dass du dich von mir zu einem Schwesternurlaub ohne Männer und damit auch ohne deinen Philip hast überreden lassen. Und das Ganze sogar für dreieinhalb Wochen."

Zur Antwort schnaubt Sienna nur noch empört und schüttelt dabei ihre Haarpracht, die meiner exakt ähnelt. Da wir eineiige Zwillinge sind sehen wir uns sowieso gleich. Als Kinder hat das vor allem unserer Mutter immer gut gefallen und viele Jahre sahen wir immer exakt identisch aus. Ma hat keine Gelegenheit ausgelassen, uns immer in die selben Klamotten zu stecken. Das wiederum führte zu vielen Missverständnissen seitens unserer Lehrer und Klassenkameraden. Nur unsere gemeinsame beste Freundin Lina konnte uns immer auseinanderhalten.

Unser Opa nannte uns immer nur „Das doppelte Lottchen" und seit diesem Tag war dieser Film unser Liebling. An den Wochenenden haben wir ihn immer rauf und runter geschaut, was irgendwann dazu geführt hat, dass Mama das Video heimlich verschwinden hat lassen. Eine Weile waren wir ihr ziemlich böse deswegen, bis wir es tatsächlich interessanter fanden, an den Wochenenden mit unseren Freunden abzuhängen.

Ab diesem Zeitpunkt, wir waren elf oder zwölf, haben wir angefangen uns verschieden anzuziehen, damit wir uns äußerlich zumindest ein wenig voneinander... unterscheiden.

„Ich kann es kaum abwarten, bis es morgen endlich losgeht", holt Sienna mich aus meinen Gedanken. „Die letzten Tage waren wirklich sehr anstrengend. Die Kinder sind ja nicht das Schlimmste, sind sie wirklich nicht, das Grauen sind doch tatsächlich die meisten Eltern. Am Donnerstag hat die Mama von Charlotte doch wirklich behauptet, dass Miri und ich besser aufpassen sollen, dass die Kleine sich beim Essen nicht alles auf einmal in den Mund stopft. Anscheinend hat das Mädchen in der Nacht gespuckt, was sie natürlich sofort auf uns abgeschoben hat. Dabei ist Charlotte eine der Kinder, die wirklich langsam isst."

„Unmöglich... Was sich manche Eltern erlauben. Dabei sollten sie doch froh sein, dass ihre Kinder betreut werden, während sie arbeiten müssen. Nimm dir das nicht zu sehr zu Herzen. Du bist eine wundervolle Erzieherin. Die beste, die ich kenne, wenn man es genau nimmt."

Sienna lächelt mich dankbar an.

„Sag mal Valeria...", sagt sie nachdem es kurz ziemlich still war. Meine Schwester schaut mich aus den hellbraunen Augen an, die sich auch in meinem Gesicht finden lassen. „Kannst du dir vorstellen, dass ich mal irgendwann eine Mama sein werde?"

„Ist da etwa was im Busch? Gibt es da was, was ich wissen sollte?"

Sienna kann mir nichts vormachen. Ich bin ihr Zwilling und es klingt wie ein doofes Klischee, aber ich merke sofort, wenn sie etwas auf dem Herzen hat. Wahrscheinlich hätte jeder bemerkt, dass sie etwas plagt bei dieser Frage, die sie eben in den Raum geworfen hat. Umsonst offenbart man solche Gedanken nicht. So empfinde ich das zumindest.

„Ich glaube... ich bin schw...schwanger", stottert sie sofort eine Antwort.

Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt