12/Quietschende Reifen

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Valeria

Natürlich schaffe ich es nicht bis zum Auto ohne die Aufmerksamkeit der Paparazzi zu erregen. Was dem Zustand geschuldet ist, dass ein durchaus sehr attraktiver braunhaariger Mann auf mich zugestürzt kommt, als ich gerade meine Karre aufschließen will. Hinter ihm natürlich die ganze Herde die in atemberaubender Geschwindigkeit auf uns zu trampelt.

Er tut mir schon irgendwie leid...

„Nimmst du mich?", presst Vincent atemlos hervor und lehnt sich gegen die Beifahrertür. Sein Brustkorb hebt und senkt sich im Rekordtempo und für einen klitzekleinen Moment verharren meine Augen auf seinem Gesicht, auf dem die Schweißperlen um die Wette glitzern.

Mehr Zeit bleibt nicht, weil die Aasgeier mittlerweile so nah sind.

Überrumpelt setze ich mich auf den Fahrersitz meines Opel Corsa und nehme im Augenwinkel wahr, wie Vincent sich auf den Beifahrersitz fallen lässt und dann die Tür zuschlägt.

„Fahr schon los, Valeria", keucht er und hebt dann beide Hände vor das Gesicht, wahrscheinlich um sich vor den Kameras zu verstecken. Ich dagegen habe keine andere Wahl und stelle entsetzt fest, dass sämtliche Paparazzi durch die Autoscheiben Fotos von mir machen. Wie ich, verdammt nochmal, im selben Auto sitze, wie Vincent.

Na danke auch! Auf diesen Gossip bin ich gespannt.

Noch immer habe ich keine Ahnung wer genau Vincent ist. Ich hätte es längst googeln sollen, aber irgendetwas kam immer dazwischen und hat mich davon abgehalten. Vielleicht ist es auch besser, dass ich nicht weiß, wer er wirklich ist. Es reicht mir schon, was die Paparazzi über Sienna und mich geschrieben haben. Im Internet finden sich doch sowieso meistens nur Halbwahrheiten. Fast alles von dem Gossip ist doch nur Fake.

Ein Wunder, dass Sienna sich nicht längst in die Recherche gestürzt hat. Vor allem, nachdem sie erfahren hat, dass Vincent in ihrer Lieblingsserie „Outlander", mitgespielt hat. Aber die ist im Moment eher mit Philip und ihrer Schwangerschaft beschäftigt.

Zum Glück gehen die Paparazzi zur Seite, als ich mit quietschenden Reifen losfahre. Noch immer geht Vincents Atem viel zu schnell und zur Sicherheit schiele ich für einen kurzen Moment zu ihm. Nicht, dass er mir noch hyperventiliert. Ich bin nur Altenpflegerin und keine Krankenschwester oder Sanitäterin.

Leider musste ich dem Tod trotzdem schon mehrere Male ins Auge sehen. Das Schlimmste an meiner Arbeit ist der Moment, wenn du in das Zimmer eines Bewohners kommst und ihn darin tot vorfindest... Ich schüttele die Gedanken ganz schnell zur Seite und halte auf der Landstraße, auf der wir uns jetzt befinden. Den Schotterweg haben wir hinter uns gebracht und somit mit aller Wahrscheinlichkeit auch genügend Abstand zu den Paparazzi.

Hoffentlich folgen die uns nicht.

„Magst du einen Schluck Wasser trinken?", frage ich und halte Vincent die Flasche Wasser entgegen, die in der Mittelkonsole gestanden hat. Fürsorglich schalte ich den Warnblinker an, obwohl weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen ist.

Gierig trinkt Vincent mehrere Schlucke aus der Wasserflasche, ehe er sie mir wieder überreicht. Dabei huscht ein zartes Lächeln über seine Lippen und für einen kurzen Moment verharrt mein Blick auf seinen Grübchen.

„Danke, Valeria", wispert er schließlich und seine Stimme klingt dabei furchtbar erschöpft. Genauso sieht er auch aus. Das dunkelbraune Haar hängt ihm strähnig ins Gesicht und bleierne Müdigkeit, spiegelt sich in den blauen Augen, die mich kurz mustern, ehe er sich abwendet. Er rutscht etwas nach unten, als er sich mit seinem ganzen Gewicht in den Autositz sinken lässt. Ein tiefes Brummen dringt aus seiner Kehle, ehe er die Augen schließt und die Arme vor der Brust verschränkt.

Wie kommt es, dass Vincent jetzt in meinem Auto sitzt? Eigentlich wollte ich doch nur meine Ruhe, um endlich meine Gedanken zu sortieren. Er bringt alles durcheinander...

„Wo kann ich dich hinbringen?", frage ich ihn, aber ich bekomme schon keine Antwort mehr.

Es scheint, dass Vincent eingeschlafen ist. Seine Atmung ist jetzt wieder im Normalbereich, ja schon beinahe friedlich. Alles an ihm ist das gerade. Keine Spur von der Hektik, die ihn noch bis vor Kurzem geplagt hat.

Auf der einen Seite bin ich versucht ihn aufzuwecken, weil ich keine Ahnung habe was genau ich jetzt machen soll. Ich kann ihn doch nicht alleine im Auto zurücklassen. Das wars dann wohl mit meinem Spaziergang. Sienna wäre sicher froh zu erfahren, dass ich nicht alleine in der Pampa unterwegs bin.

Auf der anderen Seite würde ich jetzt am liebsten alleine sein. Die Gefühle, die gerade in mir... toben überfordern mich. Die zarten Flügel mehrerer Schmetterlinge kitzeln von innen gegen meine Bauchdecke und obwohl dieses Gefühl wunderschön ist, macht es mir auch etwas...Angst.

Ich kann mich unmöglich in einen Promi verlieben.

Er ist mehrere Ligen über mir und auf ein gebrochenes Herz kann ich wirklich verzichten.

Wieso bringt Vincent alles in mir durcheinander?

Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt