16/Faszinierendes Farbspiel

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Valeria

Sienna heult längst Wasser und Rotz, während meine Augen noch über ihren Handybildschirm wandern. Mein Mund ist aufgerissen und mein Atem geht hektisch. Mal ganz von dem Teil in meinem Brustkorb abgesehen, das gerade in tausende Splitter zerspringt, die sich von innen schmerzhaft in jede Faser meines Körpers bohren.

„Es ist... grr...auuu...ss..igg", schluchzt mein Zwilling. Sie legt ihren Arm auf meine Schulter und drückt sich von der Seite an mich, weswegen wir beide beträchtlich zu Schaukeln beginnen. Die letzten Zeilen des Artikels verschwimmen vor meinen Augen und besiegt lege ich das Handy auf den Couchtisch. Es fehlt nicht mehr viel und ich heule auch. Alleine die Tatsache, dass meine Schwester weint, reicht dafür auf jeden Fall aus. Ich kann es nicht ertragen, wenn sie traurig ist. Wenn sie flennt, dann tue ich es automatisch auch... Zumindest meistens.

„Sind das etwa schon die Hormone?", fragt Philip und betrachtet Sienna dabei genau. „Willst du, dass ich dich in den Arm nehme, Süße?"

„Neee...in", schluchzt diese. „Nimm es mir nicht übel, aber... ich glaube Valeria br..rraucht mich jetzt mehr."

„Ich glaube eher, dass du mich brauchst. Wo ich nichts gegen eine Umarmung hätte", sage ich schniefend.

„Wahrscheinlich ist es Vincent, der jetzt je...jeemanden braucht", erwidert Sienna, löst sich etwas von mir und greift nach dem Taschentuch das Philip ihr entgegen hält. Kurz schnäuzt sie hinein und macht damit jedem Elefanten Konkurrenz. „ Als ich den Artikel vorhin gelesen habe, da war nichts... Und jetzt... flenne ich wie so eine dumme Kuh, dabei kenne ich Vincent noch nicht einmal. Ich glaube, ich schaue jetzt Outlander. Und träume mich in eine andere Welt... Wobei ich eigentlich nur hundemüde bin."

Ich schiele auf meine Armbanduhr. Es ist schon beinahe zwei Uhr morgens.

„Ich glaube die Paparazzi schlafen auch endlich mal", mischt sich Philip ein, wahrscheinlich versucht er eine Ablenkung. "Hat noch wer Lust auf einen Spaziergang?"

„Ich geh saunieren", murmele ich. „Und ich denke ihr solltet euch hinlegen, vor allem du Sienna."

„Es ist mitten in der Nacht. Bist du sicher, dass du noch in die Sauna möchtest?", protestiert meine Schwester schniefend.

„Na und.. Wir sind doch im Urlaub und ich denke schlafen kann ich sowieso nicht wirklich. Nicht nach diesem grausigen Artikel. Mit Sicherheit träume ich sonst die halbe Nacht nur von Unfällen und anderem fürchterlichen Zeugs."

„Soll ich mitkommen? Ich könnte mich ja auch etwas auf einer der super bequemen Liegen ausruhen", fragt Sienna.

Ich schüttele verneinend mit dem Kopf.

„Du gehörst in ein Bett. Basta!"

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Der Wellnessbereich in unserem Ferienhaus ist unglaublich. Neben der Sauna und den Entspannungsliegen, findet sich hier noch eine offene Dusche mit Luxusbrause und eine freistehende Badewanne. Der Feuchtraum ist schön hell gestaltet, weil es bodentiefe Fenster sind, die für ein tolles Ambiente und Wohlfühlmomente sorgen. Durch eine Glastür gelangt man auf eine Terrasse, auf der noch weitere Liegen zu finden sind. Zu blöd, dass es jetzt dunkel ist und ganz nebenbei ist da ja immer noch diese Sache mit den Paparazzi.

Ich habe mir gerade eine eiskalte Dusche gegönnt, als mich ein Klopfen in unmittelbarer Nähe aufschreckt. Schnell schlinge ich ein Handtuch um meinen Körper. Mein Blick gleitet durch den Raum, ehe ich an dem Punkt neben der Badewanne stoppe, dort wo sich die Terrassentür befindet. Erschrocken schnappe ich nach Luft, als ich feststelle, dass das Licht einer Taschenlampe durch den Stoff des Vorhangs scheint.  Mir gefriert das Blut in den Adern, als es erneut klopft, diesmal dringlicher. Wackelig gehe ich die paar Schritte zur Tür und spicke vorsichtig durch den Vorhang nach außen. Ein Paar blauer Augen, das unverkennbar zu Vincent gehört, starrt zurück. Sein dunkelbraunes Haar fällt in Strähnen in sein Gesicht und als mein Blick etwas nach unten wandert, sehe ich das hektische Heben und Senken seiner Brust, die hinter einem hellgrauen T-Shirt verborgen ist. Meine Augen richten sich wieder auf Vincents Gesicht und seine Lippen formen Worte, die ich aber nur gedämpft verstehen kann, während seine Arme in Richtung der Terrassentür deuten.

Diese Lippen habe ich erst vor ein paar Stunden geküsst. So wunderbar weich. Aber...Was will er jetzt hier?  Vielleicht hätte ich mich doch ins Bett legen sollen, dann hätte er das Licht hier  auch nicht gesehen...

Für einen kurzen Moment bin ich erstarrt, bis ich wieder zu mir komme. Keine Ahnung warum ich es tue, aber ich drücke den Türgriff der Terassentür zur Seite und lasse Vincent rein, ehe ich hektisch wieder abschließe und den Stoff des Vorhangs wieder komplett verschließe.

Jetzt ist es still, bis auf Vincents hektisches Atmen, das sich schon etwas zu beruhigen scheint.

Schüchtern wage ich einen Blick in seine Richtung und stelle fest, dass wir uns sehr nahe sind. Er steht nur ein paar Schritte von mir entfernt und das Schlagen meines Herzen hallt laut in meinen Ohren. Vincents blauen Augen starren mich an und entsetzt stelle ich fest, dass ich bis auf das Handtuch komplett nackt und zu allem Überfluss auch noch triefend nass vor ihm stehe. Überfordert wende ich meinen Blick ab, erst vor ein paar Stunden waren wir in einer ähnlichen Situation und sie endete nicht... gut.

Ich wehre mich aber auch nicht, als seine Hand plötzlich mein Kinn festhält und die Finger seiner freien Hand erst über meine Wangen und dann meine Lippen fahren. Also starre ich offensichtlich zurück, betrachte Vincents vollen Lippen, die er nervös bearbeitet, sehe ein Glänzen in den blauen Augen, in denen sich ein paar grüne Sprenkel mischen. Ein faszinierendes Farbspiel.

Ich glaube ich küsse gleich den Boden, wenn er mich weiter so intensiv anstarrt und dabei auch noch berührt...

„Damn it, Valeria", keucht er schließlich mit rauer Stimme. Ich spüre, wie er einen bitteren Kampf mit sich selbst ausfechtet und weiß, dass ich erneut als Verlierer da stehen werde. Wie zur Bestätigung verschwindet das Glänzen in seinen Augen von jetzt auf nachher und seine Iriden wirken wieder kalt und emotionslos.

Ich sollte es verstehen, aber warum fühle ich mich schon wieder wie vor den Kopf gestoßen?

„Ich wollte dir nur kurz mitteilen, dass ich noch heute Nacht wieder abreise. Und dieses Mal wird es auch wirklich so sein", sagt er schließlich mit derselben Kälte in der Stimme, die sich auch in seinen Augen spiegeln.

„Das ist alles?", frage ich und kann die Häme in meiner Stimme nicht unterdrücken. Ich will es nicht, aber es kommt von alleine.

„Das ist alles", bestätigt er emotionslos.

„Und dafür hast du riskiert, dass die Paparazzi mich halbnackt sehen?"

„Die haben keine Ahnung, dass ich hier bin. Für den Moment denken sie, dass ich drüben im Haus bin und penne. Daher machen sie auch mal Pause. Wahrscheinlich ist auch wieder Schichtwechsel."

„Ach wie beruhigend", zische ich wütend und wende mich von ihm ab. Ich will es nicht, aber ich fühle mich schrecklich gedemütigt, ja fast schon verarscht.

Du hast den Artikel doch gelesen, Valeria... Warum bist du nur so gemein zu ihm?  Und vor allem...Warum sind die Paparazzi so scharf auf den Schmerz und das Leid eines berühmten Menschen?

„Gut, dann ist ja alles geklärt. Am besten gehe ich wieder über die Terrasse raus", holt Vincents Stimme mich aus meinen Gedanken.

Unsere Blicke richten sich gleichzeitig auf die geschlossenen Vorhänge, durch die jetzt gedämpft Stimmengewirr dringt.

„Ich glaube das ist keine so gute Idee", murmele ich, was Vincent nur mit einem tiefen Seufzer quittiert.

Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt