35/Chips und Cola

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Valeria

„Lass mich raten, du wirst es mir gleich erzählen, auch wenn es mich eigentlich gar nicht sonderlich interessiert."

„Genau! Ich musste es jetzt einfach wissen und habe mal ein bisschen recherchiert und..." Sie imitiert Trommelwirbel. „Ich habe herausgefunden, dass er den Schauspieler, ich habe den Namen schon wieder vergessen, der die Rolle von Fergus spielt, für drei Monate vertreten hat. Ehrlich, Ria... Das sieht man in den einzelnen Folgen überhaupt nicht. Die haben entweder eine super Ähnlichkeit oder wovon ich viel mehr ausgehe, die weltbeste Maske."

Ich nicke nur ab und an, um meiner Schwester zu signalisieren, dass ich zuhöre, bin aber mit den Gedanken ganz woanders. Okay, ich bin hier auch ein bisschen unfair, schließlich ist es Vincents Job und ich wäre sicher auch enttäuscht, wenn er sich so gar nicht für meine Arbeit interessiert... Aber all das ist jetzt überhaupt nicht wichtig. Vielleicht würde es an Bedeutung gewinnen, wenn Besagter tatsächlich vor mir stehen würde, was aber nicht der Fall ist.

„Ich weiß, dass du nicht wirklich Interesse daran hast und du magst Outlander auch nicht so sehr wie ich, aber ich musste es einfach erzählen."

„Ist schon gut", murmele ich. „Du weißt, dass du mit mir über alles quatschen kannst und manchmal da nerve ich dich ja auch mit meinem Kram, der dich wiederum nicht wirklich juckt."

„Du solltest Vincent anrufen", befiehlt meine Schwester jetzt und kurz bin ich von ihrem abrupten Themenwechsel irritiert. Sieht man es mir so offensichtlich an, dass sich meine Gedanken gerade nur bei ihm befinden? Bestimmt ist es wieder das Zwillingsdings. Wobei Mama sicher auch etwas bemerkt hat, als ich sie gestern besucht habe. „Mach schon, Ria. Das ist alles, was du im Moment willst und wenn du es nicht endlich tust, dann mache ich es eben."

„Und was, wenn er mich gar nicht sprechen will? Immerhin habe ich ihn einfach stehen lassen und vor den Paparazzi auf die Knie gehen sehen und trotzdem bin ich gegangen. Ich will gar nicht wissen, ob du längst über diesen neuesten Gossip Bescheid weißt... Ich will das auf keinen Fall lesen und auch nicht hören."

„Ruf ihn an", wiederholt sich mein Zwilling nur. „Du weißt, dass auch ich seine Nummer habe. Willst du wirklich, dass ich bei ihm durchklingele?"

„Nein", murmele ich und ziehe mein Handy aus der Jeanstasche.

Ich glaube so dermaßen nervös war ich das letzte Mal in meiner Fahrschulprüfung. Irgendwie machte mir der Prüfer eine Heidenangst, was natürlich dazu führte, dass ich es beim ersten Mal direkt versemmelte, weil ich links abbiegen sollte, aber auf der Spur, die geradeaus führt, geblieben bin.

Heute ist hier zwar kein Prüfer, aber meine Schwester, die mich fordernd anstarrt und mir damit gewissermaßen einen Tritt in den Hintern gibt. Aber sie hat doch recht. Mein Verhalten gegenüber Vincent ist nicht zu entschuldigen. Er hätte es verstanden, wenn ich ihm gesagt hätte, dass ich wegen Sienna und der Sorgen, die ich mir gemacht habe, abreise. Stattdessen habe ich geglaubt, dass es wirklich richtig ist, den Kerl für immer aus meinem Leben zu bannen. Wie dachte ich, dass es weitergehen soll? Hatte ich wirklich die Hoffnung, dass ich ihn wieder vergessen kann und damit auch die Gefühle für ihn?

Das alles ist dir wirklich super gelungen, Valeria.

Meine Hände drücken auf den grünen Hörer neben seinem Namen und zittrig halte ich mir das Handy an mein rechtes Ohr. Nervös trippele ich mit den Beinen und fahre mir mit der freien Hand durch die Haare. Die andere Leitung ist frei, aber nach etwa dreißig Sekunden geht die Mailbox ran.

„Mailbox", murmele ich und lasse meine Hand und das Smartphone darin kraftlos in meinen Schoß sinken. „Wie sollte es auch anders sein? Bestimmt will er nicht mit mir sprechen, was ich ihm nicht verübeln kann. Sienna, warum habe ich diesen blöden Fehler gemacht? Bin ich nicht eigentlich schlauer?"

„Liebe kann uns zu richtig bescheuerten Neandertalern machen", zieht sie mich auf. „Nein... Jetzt mal Scherz beiseite. Vielleicht hast du Fehler gemacht, er hat aber auch welche gemacht. Eigentlich seit ihr quitt, aber ich rechne es ihm schon hoch an, dass er wieder zurück gekommen ist, nachdem es seiner Mutter wieder besser ging. Das ist definitiv nicht ohne und beweist, dass er sehr starke Gefühle für dich hat."

„Ich habe es sowas von verkackt."

„Vielleicht hast du das, vielleicht aber auch nicht. Ich glaube das letzte Wort zwischen euch ist noch lange nicht gefallen...Apropos Wörter und reden. Lip kommt in ein paar Minuten und auch wenn ich dich in deiner Situation ungern rausschmeiße, werde ich es dennoch tun. Ich hab dich lieb, meine Süße. Bestimmt sehen wir uns morgen und wenn nicht schreiben wir." Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und befördert mich dann in Richtung Wohnungstür.

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Zurück in meiner Wohnung fühle ich mich plötzlich schrecklich einsam. Dieses Gefühl ist mir so gar nicht vertraut, weshalb ich auch nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.

Am besten schalte ich den Fernseher ein, dann komme ich auf andere Gedanken...

Hoffentlich!

Ich mache es mir gerade mit einer Tüte Chips und ungesunder Cola auf dem Sofa bequem, als es an der Wohnungstür klingelt. Mit Sicherheit mein Nachbar Hans, der direkt neben mir wohnt und wieder mal Hilfe mit seiner Waschmaschine oder dem Computer braucht. Mit fast siebzig kann ich das echt verstehen und helfe immer sehr gerne. Manchmal blicke auch ich bei dem ganzen neuen Technikkram heutzutage nicht wirklich durch.

„Ich komme ja schon", rufe ich, weil er es anscheinend gar nicht abwarten kann, dass ich die Tür aufmache und beinahe schon Sturm klingelt.

Hat er sich etwa ausgesperrt oder ist etwas Schlimmes passiert?

Mit leicht zitternden Fingern öffne ich die Wohnungstür...

Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt