Vincent
„Er ist wunderschön. Fast genauso süß wie sein Papa." Lee schaut kurz lächelnd zu mir auf und danach gleich wieder auf das Bündel in ihren Armen. Vor genau drei Stunden hat sie mich zum glücklichsten Mann der Welt gemacht. Ich kann nicht erklären, was genau ich fühle, es ist einfach zu komplex, aber am liebsten würde ich vor Stolz in die Welt hinausschreien, dass ich Vater geworden bin. Ja, ich würde es sogar der Presse mitteilen und bestimmt anschließend mit denen eine Party feiern.
Aber dieser Moment hier, er gehört nur meinem Mädchen und mir. Lees grüne Augen strahlen wie ein Diamant in der Sonne und auch wenn sie furchtbar erschöpft ist, weigert sie sich zu schlafen.
„Ich kann mich kaum satt sehen", murmelt sie und streichelt sanft über Jonas' Finger.
„Ich auch nicht. Und zwar an dir. Du bist wunderschön, Liebling."
„Spinner." Sie boxt mich sanft in den Arm, was mich kurz zusammenzucken lässt. Auf Lees Lippen liegt ein seliges Grinsen und noch immer schaut sie Jonas beim Schlafen zu.
„Darf ich ein Bild von euch beiden machen?", bitte ich sie, warte aber keine Antwort ab und mache es einfach.
Mit glasigen Augen starre ich auf das Bild von Lee und Jonas, das ich vor viereinhalb Monaten im Krankenhaus aufgenommen habe. Tränen dürfte ich keine mehr in meinem Körper übrig haben und trotzdem kullern mir diese Verräter noch immer über die Wangen. Ich muss nur darauf achten, dass sie nicht auf das Foto tropfen. Es ist das einzige, das ich von den beiden habe und das wird auch immer so bleiben. Schon längst habe ich es mir ausgedruckt, damit ich es niemals verliere. Alleine für Jonas muss ich es wie ein Schatz hüten, damit er eines Tages die Chance bekommt, es anzuschauen. Ich fühle so viel, als ich Lee eine Weile betrachte. Schmerz, Wut, Hoffnungslosigkeit, aber auch Sehnsucht, Liebe und noch so vieles mehr. Ich kann manche Gefühle einfach nicht in Worte fassen...
Genau wie die, die ich für Valeria empfinde. Es kann nicht möglich sein, einen Menschen nach nur wenigen Tagen so sehr zu begehren. Liebe braucht Zeit, um zu wachsen und zu gedeihen. Dazu braucht sie Dünger, ganz viel Sonnenschein und auch etwas Wasser. Freundschaft ist so wichtig, wenn man eine Beziehung eingeht, immerhin wird der Partner an unserer Seite der wichtigste Mensch in unserem Leben. Wie kann es da sein, dass ich Herzklopfen bekomme, wenn ich an dieses braunhaarige Mädchen denke, das dieses Etwas ausstrahlt, das mich gleich magisch angezogen hat?
Hat Papa womöglich Recht? Meine Freundschaft zu Lee hat mir schon immer die Welt bedeutet. Schon als Kind war ich dankbar, dass ich sie hatte. Der Ruhm kam quasi über Nacht und von einem auf den anderen Tag war nichts mehr in meinem Leben so, wie es bisher war. Ich bekam einen Privatlehrer, der mit mir am Wochenende und in den Drehpausen büffelte. Außerdem war ich oft nicht zuhause, sondern sehr viel in der Welt unterwegs. Ganz abgesehen von der Schauspielerei, die mir schon in den jungen Jahren gezeigt hat, wie anstrengend es sein kann, arbeiten und Geld zu verdienen und nicht nur zur Schule zu gehen, wie es eigentlich für ein Kind üblich ist. Genau deshalb war es immer ein Highlight, wenn ich nach Hause gekommen bin. Lee war immer da und mit ihr fühlte ich mich ganz normal und nicht wie das Kind, das plötzlich überall auf den Kinoleinwänden zu sehen war. Viele andere Kinder waren neidisch auf mich, was mir nicht wirklich half, andere Freundschaften zu schließen. An den Sets lernte ich natürlich immer jemanden kennen, mit denen ich mich während der zwei oder mehr Monate, die wir drehten, gut verstand aber nach Beendigung des Drehs, verflog der Kontakt oft, was vor allem der Distanz geschuldet war.
Habe ich mich deswegen in Lee verliebt und sie geheiratet, weil ich wusste, dass ich niemals jemanden anderen als sie finden würde? Weil es sich mit ihr immer so leicht angefühlt hat und ich die Gelegenheit einfach beim Schopf packen musste? Es tut so weh, dass zu denken. Ich weiß, dass ich mir endlich verzeihen muss. Mein Verstand sagt es mir klar und deutlich, aber mein Herz will noch immer nicht mitmachen.
Lee wird meinetwegen nie sehen können, wie Jonas seine ersten Schritte macht. Sie wird nie den Klang seiner Stimme hören, wenn er anfängt zu sprechen. Und sie wird auch nicht da sein, wenn der Kleine seinen ersten Liebeskummer zu verkraften hat.
Ich weiß einfach nicht, wie ich mir das jemals verzeihen soll.
Aber alleine für Jonas muss ich es tun. Ich will, dass seine Kindheit schön wird und nicht ständig im Schatten meiner Feigheit steht. Es reicht schon, dass ich immer wieder unterwegs sein werde, weil das einfach mein Job ist. Da kann ich es ihm nicht auch noch antun, dass ich seine Mama aus seinem Leben... schweige.
Es war falsch Valeria zu schreiben, einfach wieder nur egoistisch von mir und ich kann es so nicht stehen lassen.
Sie hat meinetwegen schon so viel durchmachen müssen, wenn ich da nur an den Gossip denke, wird mir ziemlich flau im Magen.
Das Beste wäre, wenn ich sie einfach wieder aus meinem Leben streiche.
Aber will ich das wirklich?
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Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!
RomanceValeria will den Alltagsstress hinter sich lassen und bucht sich zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sienna ein kleines Häuschen im Schwarzwald. Ruhe, Wald, Entspannung. Das wünschen sich die beiden. Doch stattdessen erwartet sie eine Horde von Pa...