Vincent
Erschöpft liege ich auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer und starre an die Decke. Vor wenigen Minuten ist Jonas endlich eingeschlafen und liegt jetzt friedlich schlummernd in seiner Wiege. Ich hoffe so sehr, dass er gesund bleibt und sich nicht bei meiner Mutter angesteckt hat, die seit vorgestern Nacht mit einer starken Lungenentzündung im Krankenhaus liegt. Ihr geht es schon etwas besser und das Antibiotika schlägt endlich an, was die Situation zumindest etwas erträglicher macht. Natürlich bin ich gleich nach Papas Anruf aufgebrochen und musste dafür in Kauf nehmen, Valeria schon wieder sitzen zu lassen. Der Vermieter im Schwarzwald ging auf meine fast schon flehende Bitte ein und gab mir die Nummer, mit der die Zwillinge sich im Haus eingemietet hatten. Bisher kam noch keine Antwort auf mein schnelles „Hey Valeria. Ich musste kurzfristig abreisen, weil es zuhause mehr oder weniger drunter und drüber geht. Ich melde mich wieder. Vincent." Aber was soll sie darauf schon antworten? Bestimmt denkt sie, dass ich sie nie wieder sehen möchte und der größte Depp bin, der auf der Welt existiert.
„Du solltest endlich auch etwas schlafen, mein Junge", meint Papa leise, schleicht sich auf Zehenspitzen an, um Jonas nicht zu wecken und lässt sich dann in den Sessel sinken, der gegenüber der Couch steht. Ich drehe mich zur Seite, so dass ich ihn anschauen kann.
„Dasselbe gilt auch für dich", wispere ich.
„Du bist gestern mehr als acht Stunden gefahren, um so schnell wie möglich bei Mama und deinem Sohn zu sein und hast heute Nacht keine zwei Stunden geschlafen... Ich will nicht zusehen, wie du zusammenbrichst. Es reicht schon, dass Mama im Krankenhaus liegt."
„Wenn ich die Augen zumache, dann sehe ich sie, Papa", wispere ich. „Erst sehe ich Lees Gesicht und dann... alles von ihr und ganz plötzlich bin ich wieder im Auto. Ich höre Jonas' Brüllen und die Versuche von Lee ihn zu beruhigen, bis..." Die Worte verlieren sich, ich kann sie nicht aussprechen, weil sich ein Kloß in meinem Hals gebildet hat. Mit Mühe schaffe ich es die Tränen zu unterdrücken, die wie automatisch in meine Augen drängen.
„Du musst dir endlich selbst verzeihen und einsehen, dass es ein Unfall war", meint Papa und auch wenn ich mich von ihm weggedreht habe und jetzt auf den beigen Stoff des Sofas starre, spüre ich seinen Blick auf meinem Rücken. "Es war ein Unfall, Vincent!"
„Die Gefühle und die Erinnerungen, sie kommen so intensiv und ich schaffe es nicht mehr, mich gegen sie zu wehren", gebe ich zu und richte mich auf. Jetzt will ich, dass Papa mich sieht. Ja, im Moment wünsche ich mir so sehr, dass er mich in den Arm nimmt und meine Tränen trocknet. Ich will doch einfach nur, dass er mir sagt, dass alles wieder gut werden wird.
„Es ist das Beste so. Nur so kannst du Kathleen loslassen und gleichzeitig festhalten." Tatsächlich haben wir den Abstand zueinander aufgegeben und Papa sitzt jetzt neben mir auf dem Sofa. „Alles, was ich jemals für dich gewollt habe, ist, dass du glücklich bist. Du warst keine zwei Minuten alt, als die Krankenschwester dich für einen kurzen Moment in meine Arme gelegt hat, bis sie dich sauber gemacht und untersucht haben. Bereits in diesem Augenblick wusste ich, dass ich dich von Herzen liebe. Ich weiß, dass es dir mit Jonas genauso geht. Und das ist gut! Er wird für immer ein Teil von Kathleen sein."
„Ich glaube ich habe mich verliebt, Papa", sage ich die Worte, die neben den Schmerz und der Trauer nur darauf warten, endlich gehört zu werden. „Ich dachte nicht, dass es möglich ist... Zumindest nicht so kurz nach Lees Tod, aber ich fühle etwas, das... schön und warm ist und so sehr ich es zulassen möchte, ich schaffe es einfach nicht. Die Schuld, die ich gegenüber Lee fühle, sie ist einfach so enorm und steigt gefühlt mit jedem Atemzug, den ich mache. Kann es etwa sein, dass ich Lee nie wirklich geliebt habe? Wie sonst kann es sein, dass ich ständig nur noch an dieses andere Mädchen denken kann?"
„Etwa das Mädchen, das mit dir im Schwarzwald abgelichtet wurde?", fragt Papa. Sein ruhiger Blick liegt auf mir, aber ich weiß es besser. Mein Vater überspielt seine Schmerzen und die Angst immer. Selten habe ich ihn vor Mama oder mir weinen gesehen. Die Maske steht ihm perfekt, ist aber irgendwie auch seine größte Stärke. Damit hält er seit Jahren die Familie zusammen.
Dabei dachte ich immer, dass ich der beste Schauspieler in unserer Familie bin!
„Ich hätte beinahe mit ihr geschlafen", gestehe ich. „Glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich darüber froh und erleichtert bin, dass wir es nicht getan haben? Sie hat es nämlich überhaupt nicht verdient, dass ich sie benutze und dann wegschmeiße, als wäre sie nur ein Spielzeug, das seinen Nutzen erfüllt hat. Papa... Ich bin seit vier Jahren mit Lee verheiratet. Sie ist seit der Grundschule meine beste Freundin und wir haben einen gemeinsamen Sohn. Wie kann ich sie nur so hintergehen?"
„Deine Mutter würde jetzt sicherlich so etwas sagen wie: „Manchmal kommt es im Leben ganz anders, als man dachte." Du stehst seit deiner Kindheit im Rampenlicht und Kathleen wusste das. Sie hat es in Kauf genommen, weil sie dich sehr geliebt hat. Es klingt jetzt vielleicht etwas abgedroschen, aber ich bin mir sicher, dass sie nicht wollen würde, dass du dich nie wieder an eine andere Frau bindest. Vielleicht hast du sie auch nie so sehr geliebt, wie du dachtest. Eine Ehe kann auch auf freundschaftlichen Gefühlen aufgebaut werden..."
„Du willst mir also sagen, dass ich Lee und auch mich die ganze Zeit angelogen habe? Wir haben heimlich geheiratet, weil ich egoistisch war und sie für immer an mich binden wollte? Weil ich es satt hatte, nur auf die falschen Frauen, die nur mein Geld und dem Ruhm gesehen haben, reinzufallen? Oh Papa. Habe ich ihr etwa die Chance genommen jemals richtig glücklich zu sein und von Herzen zu lieben?"
„Du weißt genau, dass sie dich wie verrückt geliebt hat", sagt mein Vater. „Ich glaube du warst Kathleens große Liebe seit ihr damals in der ersten Klasse nebeneinander gesetzt wurdet."
„Meinst du, dass sie mir jemals verzeihen kann?"
„Erst, wenn du dir selbst verzeihst, mein Junge."
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Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!
RomanceValeria will den Alltagsstress hinter sich lassen und bucht sich zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sienna ein kleines Häuschen im Schwarzwald. Ruhe, Wald, Entspannung. Das wünschen sich die beiden. Doch stattdessen erwartet sie eine Horde von Pa...