Valeria
„Vincent?", schaffe ich es zu sagen, kann dabei meinen Blick nicht von dem braunhaarigen Mann vor mir abwenden. Das darf ich auch nicht, sonst ist er wieder weg. Sicher nur ein Trugbild, das sich mein Herz gerade vorstellt, weil es einsam ist und so gerne in seinen Armen liegen würde. „Bist du es wirklich?"
„Ja", sagt er, klingt dabei aber ziemlich angespannt. Irgendwie wirkt er sehr unruhig, bewegt sich ziemlich viel und scheint nervöser, als ich zu sein.
Wenn ich schon seine Stimme höre, dann muss er doch echt sein, oder?
„Valeria", fängt er an. „Ich würde liebend gerne mit dir reden, wenn du mich denn reinlässt, aber zuerst müsste ich dringend wohin. Könnte ich bitte dein Badezimmer benutzen?"
„N... Natürlich", sage ich etwas perplex. „Wenn du den Flur langgehst, dann ist es die zweite Tür links."
Er stürmt an mir vorbei, kein Wunder, dass er wie verrückt geklingelt hat...
Moment... Er ist wirklich hier, oder? In meiner Wohnung? Da kann ja nur Sienna ihre Finger im Spiel gehabt haben. Ich kann mich gerade nicht entscheiden, ob ich sie später verfluche oder ihr dankend um den Hals falle.
Wie festgenagelt warte ich an der Wohnungstür, die ich wieder geschlossen habe. In wenigen Minuten oder vielleicht auch nur Sekunden wird sich herausstellen, ob ich die ganze Situation gerade nicht einfach nur geträumt habe.
Das Rauschen meines Blutes und das Schlagen meines Herzens, übertönen jegliche Geräusche, so dass ich erst mitbekomme, dass Vincent echt ist, als er urplötzlich vor mir steht. Sein Gesichtsausdruck ist deutlich entspannter und ein Lächeln stiehlt sich auf die Lippen, was die Grübchen offenbart, von denen ich die letzten Nächte geträumt habe.
„Vincent...", fange ich an, versuche meine Stimme normal klingen zu lassen. Angst, Nervosität, aber auch Freude und Sehnsucht kämpfen in mir und jedes dieser Gefühle will gehört werden.
„Valeria", unterbricht er mich. Das Lächeln in seinem Gesicht löst sich auf, woraufhin mir das Herz in die Hose rutscht. „Ich weiß nicht, warum du letzte Woche einfach abgehauen bist. Ich kann dich dafür nicht einmal verurteilen, weil ich dasselbe dir gegenüber auch schon einmal getan habe. Deine Schwester hat es mir in einer WhatsApp erklärt, was es aber nicht ungeschehen macht. Denkst du wirklich, dass ich dich alleine gelassen hätte? Vielleicht ist es zwischen uns kompliziert, aber meinst du nicht, dass es besser gewesen wäre, wenn du mich vor die Entscheidung gestellt hättest?"
„Du hattest diesen furchtbaren Albtraum und ich habe mich hilflos gefühlt", versuche ich meine Gedanken und Gefühle in Worte auszudrücken. "Da kam es mir recht, dass wir frühzeitig abreisen mussten. Ich habe es als eine Ausrede benutzt, mit der ich mich vor mir selbst rechtfertigen konnte. Es stimmt, dass ich mich dir gegenüber falsch verhalten habe, Vincent. Ich dachte nur, dass es besser ist, wenn wir es ein für alle Mal sein lassen. Liebe alleine reicht nicht immer aus. Es steht so viel zwischen uns und auch wenn ich jetzt am liebsten in deinen Armen liegen würde, habe ich Angst es zu tun, weil ich es nicht ertragen kann, wenn du mich wieder von dir stößt. Es tut mir so leid, dass ich es dir schwer mache und ich weiß, dass es falsch ist, aber ich muss immer daran denken, dass dein Herz noch einer anderen gehört und das tut schrecklich weh. Deine Frau kann nichts dafür und ich verlange nicht von dir, dass du sie aus deinem Leben streichst... Alleine dein Sohn erinnert dich jeden Tag an sie. Wie kann ich mich da in dein Leben drängen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen?"
„Du drängst dich nicht in mein Leben. Du bereicherst es. Wir kennen uns nicht einmal richtig, was mich nicht davon abhält, um dich zu kämpfen. Weißt du warum ich heute hier stehe?" Natürlich meint er das als rhetorische Frage und erwartet keine Antwort von mir. „Ich konnte nicht aufhören an dich zu denken. Du bist es, Valeria, die diesen riesigen Eisklotz in mir zum Schmelzen bringt und mich mit deinem Feuer umhaust. Ich habe den Schmerz um Kathleen die Monate seit ihrem Tod in mich hineingefressen und durch dich kommt er an die Oberfläche. Es tut höllisch weh, aber es hilft mir, endlich nach vorne zu schauen und weiterzukämpfen. Alleine für Jonas. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen meiner Frau gegenüber, dich so sehr zu begehren, aber ich hoffe, dass sie es versteht. Sie wird immer ein Teil von mir bleiben und daran lässt sich einfach nichts mehr machen. Es wird dauern, bis ich an sie denken kann, ohne dabei Schmerzen und Trauer zu spüren. Aber genau das ist es, warum ich heute hier bin. Ich habe eine Frau verloren, mit der ich eine tiefe Freundschaft geteilt habe, eine zweite will ich nicht auch noch gehen lassen müssen. Vor allem dann nicht, wenn mein Herz ständig ihren Namen schreit."
„Warum tut Liebe so weh?", wispere ich. „Alleine dich nicht berühren zu dürfen, schmerzt. Ich bin eine totale Loserin was dieses Thema angeht. Meine Schwester meint, dass es mein Leben ist und es ganz anders enden kann, wie bei unseren Eltern. Ich will ihr glauben, aber gibt es eine Garantie dafür? Was ist, wenn unsere Liebe nicht stark genug ist, Vincent. Wie heile ich dann mein gebrochenes Herz, wenn du nicht an meiner Seite bist?"
„Ich kenne die Geschichte deiner Eltern nicht... Alles was ich dir geben kann, ist ein Versprechen, dass wir kämpfen. Füreinander und für die Liebe, die zwischen uns flammt."
„Du bist ein zweites Mal zu mir zurück gekommen", hauche ich. Der Abstand zwischen uns hat sich verringert, so dass jetzt nicht einmal ein Blatt Papier zwischen unsere Körper passen würde. Vincents Berührung ist vorsichtig und wie ein Windhauch. Ich spüre, dass er es ist. Der Eine. Mein Herz wusste das die ganze Zeit über, aber ich habe nicht auf es gehört und den gleichen Fehler gemacht, den er anfangs begangen hat. Die Flucht erschien mir die einzige Möglichkeit, mich selbst zu schützen. Aber wovor? Ja, Liebe kann weh tun, sie kann uns verwunden, aber gleichzeitig macht sie uns ganz.
„Ich würde es auch ein drittes und viertes Mal tun", wispert er, die Lippen nur Millimeter von meinen entfernt. All meine Sinne kosten den Moment aus, warten dennoch sehnsüchtig auf die Explosion, wenn sie erst auf meinen liegen. „Ich hoffe nur, dass das nicht nötig sein wird."
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Blitzlichtgewitter-Eine Liebe wie aus dem Film?!
RomanceValeria will den Alltagsstress hinter sich lassen und bucht sich zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sienna ein kleines Häuschen im Schwarzwald. Ruhe, Wald, Entspannung. Das wünschen sich die beiden. Doch stattdessen erwartet sie eine Horde von Pa...