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Den darauffolgenden Tag verbringe ich im Zimmer. Dad sehe ich kein einziges Mal. Außer natürlich zum Mittagessen, das er mir aufzwingt. Das überbrücke ich jedoch auch mit Schweigen und so wechsle ich mit niemandem ein Wort. Nicht einmal als Mom nervös jeden Einzelnen nach Ethan fragt. Der scheint genauso wenig Interesse an diesem Haufen zu haben, wie ich. Zumindest hat ihn keiner seit gestern Abend gesehen. Das bleibt auch so. Bis in die Nacht bleibt es Still um ihn. Als das Haus in Stille gehüllt ist und ich jeden schlafend vermute, schleiche ich nach unten, krame in den Jacken herum und mustere Stolz meinen Fund. Zigaretten. Ich habe sie vor einigen Tagen gesehen als Jayden sie in seine Jackentasche gestopft hat. Mason hat mich kurz vor unserer Rückkehr dazu verleitet und aus irgendeinem Grund habe ich zwar keinen Gefallen daran gefunden, es aber auch nie ausgeschlossen. Leisen Schrittes schleiche ich nach draußen, werfe einen prüfenden Blick zu den Fenstern, die jedoch nichts Auffälliges entdecken lassen und bleibe genervt knurrend vor der Werkstatt stehen als ich Ethan sehe. Er muss in den letzten Minuten aufgetaucht sein. Vorher habe ich schließlich die ganze Zeit nach draußen geschaut. Der Regen prasselt auf mich hinab und da das Donnergrollen darauf schließen lässt, dass sich das Wetter nicht bessern wird, geselle ich mich missmutig zu dem Schwarzhaarigen, der mich bloß völlig übermüdet ansieht.

Ich nehme einen Zug von der Zigarette und stoße den Rauch aus. Das Gewitter beobachtend sitze ich da, schaue teilnahmslos hinaus in den peitschenden Regen. Blitze schlagen in der Ferne ein. Lassen sich nur mühsam von dem darauffolgenden Donnergrollen vertreiben. Ich lehne meinen Kopf gegen das kalte und längst morsche Holz, nehme einen weiteren Zug und werfe Ethan einen Blick zu. Seine funkelnden Augen schauen mich zwar an, lassen sich aber keinerlei Gedanken oder Gefühl entlocken. Seine schwarzen Haare haben ein eigenes Leben an sich gerissen und stehen wild ab. Er sieht schrecklich aus. „Frauen sind scheiße, hm?" Beginne ich, ohne es eigentlich zu wollen und frage mich, was ihn innerhalb von wenigen Stunden zu einer Leiche hat, werden lassen. Ich habe schon viel Leid gesehen, aber das ist etwas anderes. Irgendwie. Er schüttelt leicht den Kopf, nippt an der Flasche und ich frage mich, warum er nicht auf handelsübliche Gläser zurückgreift. Nur Spinner oder Alkoholiker trinken direkt aus der Flasche. „Sie hat mich verlassen, weil ich keine Kinder kriegen kann. Sie hat sich eine große Familie gewünscht und ich bin so naiv gewesen, dass wir das schon irgendwann hinbekommen können." Ich huste, klopfe mir auf die Brust und ignoriere den elterlichen, strengen Blick des Schwarzhaarigen. Er hat nicht die Befugnis mir Verbote zu erteilen und es wundert mich nicht, dass er sich trotz gutem Willen zurückhält und vornehm schweigt. Ihm missfällt mein Anblick und doch besinnt er sich darauf, Frieden zu wahren. Eine Diskussion würde er in dieser Situation kaum standhalten. „Das ist uncool." Versuche ich ihm im Rahmen meiner Möglichkeiten Trost zu spenden. Vor Jahren hätte ich alles dafür getan, ihn aufzumuntern und wäre ihm erst von der Seite gewichen, wenn seine Stimmung weniger labil erscheint. Die gesamte Welt hätte ich auf den Kopf gestellt. Nur um ihn für ein paar Sekunden lächeln zu sehen. Heute empfinde ich seine Anwesenheit als bedeutungslos. Es ist beinahe unangenehm mit ihm hier zu sitzen und diese Erde zu verfluchen. Die Zeit heilt alle Wunden. Meiner Erfahrung nach vernarben die Verletzungen bloß zu einem dichten Geflecht, aus dem ein Entkommen unmöglich erscheint. Es prägt uns für die Ewigkeit und nicht jeder besitzt die Fähigkeit, darüber hinwegzusehen und neu anzufangen. Wir haben uns voneinander entfernt. Nicht mehr und nicht weniger ist von uns übriggeblieben. Und doch sitze ich hier und schaue ihn an. Den Kerl, der mir mal die Welt bedeutet hat. „Es ist bloß so deprimierend, weil ich es habe, kommen sehen. Und obwohl ich davon ausgegangen bin, dass es eines Tages an dieser Thematik scheitern könnte, habe ich mich in ihr und der Liebe zu ihr verrannt." Er zuckt mit den Schultern, als seien seine Worte gleichgültig. Nimmt dieses Mal einen beachtlichen Schluck aus der Flasche und verzieht dabei angewidert das Gesicht. Nie hätte ich gedacht, Ethan mit einer Flasche Alkohol in der Hand zu sehen und mir seine Liebeskummer Geschichten zu geben.

The Alpha And Me -Death Note-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt