Mit zitternden Händen trinke ich den Kakao aus und lasse mir von Ethan den Becher aus der Hand nehmen. Erschöpft sinke ich mit dem Kopf auf seinen Schoß und kuschle mich in die drei Baumwolldecken ein, die er mir gebracht hat. Ich verstehe nicht, was er mir sagt. Ich höre ihm zu, doch kann es nicht filtern. Seine Finger streichen behutsam durch meine Haare, über meinen Rücken hinweg und lassen sich von meinem wiederkehrenden Schluchzen nicht beirren. Fest umklammere ich seine Beine, als würde ihn das davon abhalten, mich allein zu lassen. Das würde er nie tun, dennoch gibt es mir ein besseres Gefühl. Meine Augen werden schwerer und ich bin nicht dazu imstande, sie zu beherrschen. Sie schließen sich und nach einem weiteren Schluchzen falle ich endlich in den Schlaf.
Dumpfe Stimmen dringen an mich heran. Es fühlt sich an, als befinde ich mich in einer anderen Welt und brauche einige Zeit, ehe ich in meine zurückgelange und zum Öffnen meiner Augen in der Lage bin. Die verschwommene Sicht wird klarer. Ebenso die Stimmen, die miteinander ringen. Erschöpft liege ich da, starre durch die gestikulierenden Personen hindurch. Leere breitet sich in meinem Körper aus und macht es sich gemütlich, um zu bleiben. Mein Atem ist flach und ich weigere mich, in diese so kräftezehrende Realität zu treten. Die Augen schließen und schlafen ist all das, was ich mir zugestehen möchte. Doch gerade als ich mir einbilde, tatsächlich zurück in die stille Welt des Schlafes eintreten zu können, pocht mein Herz bis zum Hals. Ich schrecke hoch, sitze mit schwerem Klopfen in der Brust da und werde von einem beklemmenden Gefühl heimgesucht. „Du bist ein Narr. Eine Szene zu machen, in einer solch ohnehin schon komplizierten Situation. Wohin soll das führen? Deinen Frust auf andere zu übertragen, bringt keinen von uns weiter." Ethans Stimme dringt an meine Ohren und ich schaue mich irritiert um. Da ist sie. Die Realität mit all ihren skrupellosen Facetten. Joshua, der mit hochrotem Kopf auf und ab läuft. Ethan, der ihn zu besänftigen versucht. Jayden, der am Türrahmen lehnt und die Auseinandersetzung schweigend verfolgt. „Ich habe sie nur getröstet und bin für sich da gewesen. Wie in all den Jahren zuvor. Also mach dich nicht lächerlich." Gelassen steht Ethan da, mit verschränkten Armen, die vor seiner Brust weilen. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, doch bekomme nichts heraus. Die Leere in meiner Brust, verschließt ihn mir. „Du hättest sie nicht zu ihm lassen sollen oder mich zumindest informieren!" Der Schwarzhaarige zieht verwundert eine Augenbraue hoch. Eine sinnlose Diskussion, deren Ende keine wünschenswerte Lösung verspricht. Etwas, das mir in den nächsten Tagen wohl häufiger begegnen wird. Jeder von uns trägt sein ganz eigenes Päckchen, das durch die Rückkehr wieder herausgekramt und unweigerlich geöffnet worden ist. „Lass gut sein, Joshua. Ich kann mir vorstellen, was all das in dir auslöst. Aber das ist kein Grund in allen Taten einen Angriff zu sehen. Du hast noch geschlafen also habe ich mich darum gekümmert. Nicht mehr und nicht weniger." Seine Stimme ist nach wie vor ruhig und besonnen. Er hält es schlichtweg nicht für nötig, sich aufzuregen. Ganz im Gegenteil zu Joshua, der wie ein Vulkan zu brodeln scheint. „Ah, das ist also die Begründung dafür, miteinander zu kuscheln? Ich entschuldige mich aufrichtig im Namen des Herren." Vor Sarkasmus übersprudelnd steht er da, knurrend, zu endlosen Diskussionen bereit. Ethan verdreht die Augen, doch ehe er etwas erwidern kann und sich das Ganze weiter zuspitzt, tritt Bayan auf die Bildfläche. Er drängelt sich zügig an Jayden vorbei, der sich noch immer keine Emotion ansehen lässt und den Auftritt des Teenagers gleichgültig verfolgt. „Eine deutlich bessere Wahl als einen zynischen Hitzkopf wie dich an der Seite, findest du nicht?" Gibt er Joshua im Vorbeigehen zu verstehen. „Was sagst du da?" Ungläubig mustert Joshua seinen Kritiker, der von mir einen mahnenden Blick erntet und diesen geflissentlich übergeht. „Ich wusste nicht, dass wir dich nach deiner Meinung gefragt haben." Brummt Ethan dem Blonden entgegen als dieser an ihm vorbei, zur Couch schlendert, um neben mir Platz zu nehmen. „Das tut ihr doch sonst auch nie." Er hält inne und wirft Ethan einen streitsüchtigen Blick zu, ehe er sich zu Joshua umdreht und mich unweigerlich zum Aufstehen zwingt. Diese Kombination tut sich auch ohne die neuesten Umstände nicht gut. „Hättest du Mom beschützen, wie du es nennst, und ihn fortjagen wollen hättest du es längst tun können. Worauf wartest du? Auf eine schriftliche Erlaubnis? Ich dachte, dir kann niemand etwas sagen?" Bayans Knurren geht mir durch Mark und Bein, als ich mich zwischen die Beiden dränge und Joshua sanft, aber bestimmend zurückschiebe. „Keiner tut hier irgendetwas, bevor ich mir einen Eindruck verschaffen konnte. Ist das angekommen?" Mahnend schaue ich zwischen Joshua und Bayan hin und her, die sich jedoch lieber einem ganz eigenen Blickduell unterziehen. Ich verdrehe die Augen und schaue zu Jayden, welcher meiner stillen Bitte ohne Umschweife nachkommt und Joshua am Arm packt, um den Raum gemeinsam mit ihm zu verlassen. Unterdessen widme ich mich Bayan, der seinen Ärger abschüttelt und sich zwar nicht für sein Verhalten entschuldigt, sich aber auf meine Forderung einlässt. Keine Diskussionen oder Streitereien, die verhinderbar sind. „Wir müssen jetzt zusammenhalten. So schwer das alles auch ist." Er nickt, wenn auch nicht sonderlich begeistert, aber wann war er zuletzt von einer Maßnahme auch begeistert? Aufjedenfall vor seiner Teenager Zeit. „Möchtest du heute in die Schule gehen?" Die Reaktion fällt meinen Erwartungen entsprechend aus und so einigen wir uns darauf, dass er sich von Joshua sowie Cash weitestgehend fernhält. Als er nach oben in sein Zimmer verschwindet, lasse ich mich wieder auf die Couch fallen und reibe mir den verbliebenen Schlaf aus den Augen. „Ich fühle mich wie eine Versagerin. Ich konnte ihn nicht einmal richtig ansehen. Das ist doch lächerlich." Ethan setzt sich neben mich und streicht mir tröstend über den Rücken, während ich mich selbst verfluche und händeringend nach geeigneten Vorgehensweisen suche. „Du darfst nicht vergessen, dass er dein Mate ist. Das erhöht die Emotionalität leider immens." Ich werfe ihm einen vielsagenden Blick zu. Schließlich halte ich nicht viel von den alten Überlieferungen, die noch heute Kindern als Gutenachtgeschichten erzählt werden. Schließlich kommt es oft genug vor, dass Menschen wie wir, ihren Mate nie finden und trotzdem glücklich werden. Es ist umstritten daran zu glauben und doch halten viele an den Legenden fest. „Vielleicht solltest du dir noch etwas Zeit geben. Bis du dich bereit fühlst, meine ich." Dankend schenke ich ihm ein Lächeln. „Jayden und ich haben ein wachsames Auge auf die Zwei. Wir kriegen das schon irgendwie hin. Wir haben schon so viel überstanden, da ist das nur eine weitere Herausforderung auf unserem Weg." Er zwinkert mir zu und ich lehne mich an seine Schulter, um neuen Mut zu fassen und seinen Worten zu vertrauen. Seine Einstellung anzunehmen und mich darauf einzulassen. Ich habe genügend Zeit mir Gedanken zu machen. Meine Gefühle zuzulassen und sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Gespräche zu führen, die Licht ins Dunkle bringen. Joshua zu besänftigen und mit Bayan zu versöhnen. Nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber schon bald wird alles wieder gut werden. Hoffe ich.
DU LIEST GERADE
The Alpha And Me -Death Note-
Manusia SerigalaViele Jahre sind vergangen, seit Cash und Zachary das Rudel verlassen haben. Jeder Einzelne geht anders mit den Ereignissen der Vergangenheit um, was an dem einen oder anderen nicht spurlos vorbei geht. Vor allem nicht dann, wenn die Vergangenheit...