Heather POV
„Das klingt doch erst einmal gut." Entgegnet Logan als ich meinen Monolog beende und ins Auto steige. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Die Lehrer scheinen ja bemüht zu sein und das Leben in diesem Rudel war schon immer nicht gerade von der leichten Sorte. Damit muss man sich erstmal arrangieren. Vor allem als Teenager." Ich nicke, ohne dass er mich überhaupt sehen kann und lehne mich erschöpft an das Fenster. Das Handy fest in meiner Hand. Erst das Gespräch mit dem Vertrauenslehrer. Dann den ganzen Tag mit haufenweise Papierkram verbracht und nun ist noch immer kein Ende in Sicht. Ich bitte Logan darum, etwas Aufmunterndes zu erzählen und so reden wir einige Minuten über all die belanglosen Themen, die einem sonst so im Alltag begegnen. Lachen gemeinsam und stellen wieder einmal fest, dass wir uns viel zu selten sehen. Wie gern würde ich genau in diesem Moment losfahren und ihn besuchen. Stundenlang. Doch das Leben besteht aus Verpflichtungen und so lege ich schließlich missmutig auf und fahre geradewegs zur Schule, um den Elternabend noch rechtzeitig zu erreichen.
Außer Atem, aber mit einem Lächeln im Gesicht betrete ich die Klasse und werde von einigen Eltern begrüßt. Wir halten einen belanglosen Plausch und machen uns über die bereitstehenden Kekse her. Es ist jedes Mal wieder schön, all die Menschen zu treffen, die vermutlich ähnliche Probleme mit ihren Kindern haben. Die sich auch sorgen und bei denen es nicht immer rund läuft. Aber vor allem, Menschen sind. Nur Menschen. Nicht mehr und nicht weniger. Ihre Anwesenheit tut mir gut. Fern ab von der wölfischen Welt zu sein und sie zumindest für wenige Stunden ablegen zu können. Zumindest so lange, wie wir unter uns bleiben. Als ich mich, mittlerweile mit einem Kaffee in der Hand, im Raum umsehe fällt mir beinahe die Tasse aus der Hand. „Zachary?" Hauche ich, als eine Art Frage an mich selbst, ob ich wirklich richtig sehe. Tatsächlich. Als hätte er nie was anderes gemacht, steht er am Fenster und unterhält sich mit einer Traube Eltern. Der Anblick kommt mir derart unwirklich vor, dass ich erst durch ein Fingerschnips von Calinka wieder aus meiner Starre erwache. „Meine Theresa ist total verknallt in den Jungen. Ein Draufgänger, sagt sie." Sie sucht in meinen Augen nach Bestätigung und ich muss nicht nachfragen, um zu begreifen, dass sie von Cash redet. „Bella ist auch ganz hin und weg. Sie schreibt sogar wieder Tagebuch. Seitenweise." Ich lächle, weil ich nicht weiß, was ich auf die Erzählungen der Mütter antworten soll. „Es ist wirklich bezaubernd. Die erste Liebe. Wie aufregend das für uns damals war, nicht?" Sie kichern, wie kleine Kinder und stimmen ohne Widerworte zu. Immerhin. Sie nehmen es gelassen, mit den Schwärmereien ihrer Töchter. Aber sie wissen auch nicht, in wen sich ihre Kinder verliebt haben. „Meine erste Liebe hieß Malte. Er wusste nicht einmal, dass ich existiere. Monatelang war ich unsterblich in ihn verschossen. Jedes Hallo auf dem Flur hat mich daran glauben lassen, er empfinde dasselbe." Calinkas Wangen erröten, während sie von ihrer ersten Erfahrung mit der Liebe berichtet. Auch die anderen erzählen von ihren Erfahrungen aus der Jugend und ich erfahre, dass Moni sogar noch mit ihrer ersten Liebe zusammen ist.
„Beneidenswert, Moni!" Schwärmt Calinka fasziniert und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Frauen werden wohl nie zu alt sein, um wie junge Hühner zu gackern und zu schwärmen. Eine schöne Erkenntnis. „Und deine erste Liebe, Heather?" Ich nippe an dem Kaffee und überlege. Tatsächlich fällt mir keine Jugendschwärmerei ein. Ich habe mich nicht sonderlich um Jungs geschert und auch zu den Mädchen hatte ich immer nur ein freundschaftliches Verhältnis. „Ich kann mich nicht erinnern, in einen Schulkameraden verliebt gewesen zu sein." Überrascht zieht Calinka die Augenbrauen hoch und zählt, ihres beschränkten Wissens, eins und eins zusammen. „Also war Zachary deine erste Liebe?" Mir wird schlecht. Warum, weiß ich nicht. Ist es doch nur eine Herleitung von Gedanken. War er es? Ich weiß es nicht. Oder will es vielleicht auch nicht. Irgendetwas in mir sträubt sich. „Und dann direkt zwei Kinder. Wie romantisch!" Schlussfolgert Moni, deren Geschichte genauso aussieht, abgesehen von der Tatsache, dass es bei ihr und ihrem Partner ein happy End gibt. Naja, eigentlich gar kein End. Schließlich sind sie noch immer zusammen und scheinen, zumindest nach außen, sehr glücklich zu sein. „Darf ich kurz stören, die Damen?" Ich zucke zusammen und ziehe damit mehr Aufmerksamkeit auf mich, als ich beabsichtige. Doch Zacharys Stimme im Nacken ist für mich noch immer ein Grund, Gänsehaut zu haben. Seit wann interessiert er sich für die Pflichten eines Elternteils? Ich habe fest damit gerechnet, dass er nicht auftaucht. Nicht einmal darüber nachgedacht hat, zu kommen und nun steht er da und schaut, als könne er kein Wässerchen trüben. „Ich möchte mich nur erkundigen, ob mein Sohn bei ihren Kindern negativ aufgefallen ist. Um im Falle dessen mit ihm darüber zu sprechen. Er ist ja noch neu und muss sich noch zurechtfinden. Da kommt es vielleicht zu der ein oder anderen Unannehmlichkeit." Ich nippe an meiner Tasse. Die Augen verdrehen, erscheint mir an diesem Ort nicht passend zu sein. Also verhalte ich mich unscheinbar und schweige. Er ist mir mit seiner Schleimspur noch immer lieber als mit seinem Hitzkopf. „Aber nein, im Gegenteil. Ihr Sohn ist schon jetzt der Klassenschwarm!" Kichert Calinka und ich befürchte im selben Augenblick, dass Zachary in ihr optisches Bild eines Schwarms passt. Ihren funkelnden Augen nach zu urteilen, scheint sie zumindest nicht abgeneigt. Brr. Gruseliger Gedanke. Auch Moni und Elisa kichern nickend und berichten davon, dass ihre Töchter in den Neuankömmling vernarrt sind. Zachary schmunzelt, bedankt sich für die Auskunft und schlendert zum Buffett. Irritiert, aber auch erleichtert von seinem kurzanhaltenden Besuch, schaue ich ihm nach. „Ein wirklich sympathischer Mann. Du hast einen guten Fang gemacht, Heather." Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, weiß aber gar nicht so recht was. Schließlich wissen sie nichts weiter als das, was ihre Kinder ihnen erzählt haben. Und zwar, dass Cash erzählt hat, er wäre zeitweise umgezogen und nun wieder da. Ob sie glauben, dass Zachary und ich weiterhin ein Paar sind? Nein. Ich meine, ich habe nie etwas in diese Richtung erwähnt. Auch nichts zu seiner Rückkehr. Und als sie mich damals fragten, ob ich einen Mann an meiner Seite habe, verneinte ich. Ich atme tief durch, schiebe diese Gedanken beiseite. Sind sie doch nichts weiter als Hirngespinste und sinnlose Vermutungen. Es spielt keine Rolle, was sie denken. Zu meinem Glück klatscht in diesem Moment die Lehrerin in ihre Hände und bittet, um das Einnehmen der Plätze. Es ist ein Elternabend, wie jeder andere. Keine spektakulären Neuerungen oder Infos. Selbst die Wahl der Vertreter wird ausgesetzt, da keinen so wirklich interessiert, was die eigentlich machen. Es spricht keiner aus, aber es denkt jeder. Ganz bestimmt. Am Ende erklärt die Lehrerin, die bisher noch nicht zustande gekommenen Elterngespräche nacheinander zu führen. Darüber wurde ich bereits einige Tage im Voraus in Kenntnis gesetzt und während ein Großteil der Eltern sich auf den Nachhauseweg macht, folgt Calinka der Lehrerin in das Nachbarzimmer und ich warte mit einer Schüssel voll Keksen und Weintrauben am Buffett auf mein Gespräch. Zachary gesellt sich zu mir. Gezwungenermaßen auf eine gewisse Weise. Schließlich ist keiner außer mir in dem Raum. „Machst du dir Sorgen?" Eine einzige Frage und er trifft mitten ins Herz. Ich seufze, ohne es zu wollen und reiche ihm die Schüssel. Dankend nimmt er sich einige Kekse und lässt mir etwas Zeit, um meine Gedanken zu ordnen und in Worte zu verfassen. Ich tue nichts anderes als mir Sorgen zu machen. Vor allem nach dem Gespräch am Morgen, das zwar sehr nett war, aber eben all die Probleme nicht wegzaubert. „Du dir nicht?" Entscheide ich mich zuerst für eine Gegenfrage, um nicht wie eine Versagerin dazustehen. Ja, davor fürchte ich mich. Vor ihm oder anderen Eltern als Nichtsnutz angesehen zu werden. Als nicht fähig, Mutter zu sein. Irgendwo muss der Fehler ja liegen.
Er schüttelt den Kopf und es wundert mich tatsächlich wenig, dass er von sich abweist. „Nein und nicht, wie du jetzt denkst, weil ich unfehlbar bin. Sondern weil ich weiß, wie Cash ist und sich höchstwahrscheinlich auch hier zeigt. Frech, redegewandt und stur. Ein junger Bengel, der sich in der Welt zurechtzufinden versucht. Nichts, was ich als bedenklich empfinden würde. Außerdem wurde er jahrelang in Alaska unterrichtet. Es ist eine ganze neue Struktur, andere Lehrpläne und Lehrkräfte, die ihn hier erwartet haben. Es sind und bleiben Teenies mit Baustellen im Kopf. Da erschüttert mich nichts." Ich lehne mich zurück, nehme die Schüssel wieder entgegen und stopfe die noch verbliebenen Kekse in meinen Mund. Wann ist er so abgeklärt und bedacht geworden? Er scheint nachzudenken. Viel. Anders kann ich mir seine ausführlichen Begründungen nicht erklären. Früher hat er haltlose Argumente eingebracht und ist außer sich gewesen, wenn man ihm weiterhin widersprochen hat. Ich sollte mich schämen, noch immer an der Vergangenheit festzuhalten. Die Erinnerungen immer wieder an mich heranzulassen. Es ist keinem Gegenüber fair, außer vielleicht mir selbst. Denn für mich stellen diese Erfahrungen einen Bausatz dar, der mich vor einem erneuten Herzschmerz bewahren wird. „Ist heute Nachmittag alles gut gelaufen?" Er nickt, doch bevor er etwas erwidern kann, ruft ihn die Lehrerin zu sich und ich sitze allein mit einer Schüssel voll Weintrauben da. Was ein deprimierender Anblick. Ich nutze den Moment der Ruhe, um Ethan darüber zu informieren, dass ich nur noch auf das Gespräch warte und gleich darauf nachhause kommen werde. Er wird sicherlich froh sein zu wissen, wie lange er noch den Aufpasser spielen muss. Traurig genug, dass das nötig ist. Aber ich traue Joshua und Jayden in ihrer einzigartigen Kombination nun einmal nicht über den Weg. Zumindest nicht in dieser chaotischen Zeit. Als ich zum Gespräch gerufen werde, schlägt mir mein Herz bis zum Hals. Dass das Gespräch mir nur das offenbart, was ich bereits weiß, wundert mich genauso wenig wie die Sorge, die Frau Summer umgibt. Und doch scheint sie zuversichtlich und versichert mir hunderte Male, dass das Kollegium sehr bemüht um ihn ist und sich alles zum Guten wenden wird. Tut es das? Ich meine, mein Leben steht auf dem Kopf. Wie soll ich da einem Teenager das geben, was er braucht? Abgesehen davon, dass er nun einmal kein normaler Teenager ist. Dennoch verlasse ich das Gespräch mit einem besseren Gefühl als angenommen und werde noch darin bestärkt als ich durch den Flur laufe und auf mein Handy schaue. Ethan hat mir ein Bild geschickt. Cash, Bayan und er beim Pizzateig machen. Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus. Ja, vielleicht wird es gut. Irgendwann zumindest. „Ich wollte warten, falls das Gespräch nicht gut verläuft." Erklärt Zachary, als ich ihn im Erdgeschoss antreffe. Ich berichte ihm von allem, was Frau Summer mir erzählt hat und auch er berichtet von dem Eindruck, den Cash hinterlässt. „Es freut mich, dass er so eine Beliebtheit genießt." Entgegne ich und schaue in zufriedene Augen. Frage mich, ob wir eines Tages tatsächlich dazu fähig sein werden eine ausgeglichene Elternschaft zu führen. Uns regelmäßig über die Beiden austauschen und sonst jeder sein Leben lebt. Es fühlt sich gut an. Hier zu sein. Mit ihm. Mit jemandem, der weiß, wie es ist, mit solch einem Kind zusammenzuleben. Dass ich das mal denke. Doch das Leben sorgt für viele Überraschungen und so nehme ich diese einfach an. Ich bin ohnehin viel zu erschöpft, um sie groß zu hinterfragen. „Ich habe morgen endlich das Gespräch mit meinem damaligen Vorgesetzten." Erzählt er, hält mir die Tür auf und folgt mir nach draußen auf den Parkplatz. „Das hört sich vielversprechend an!" Er stimmt mir zu und ich versichere ihm, die Daumen zu drücken. Dann wäre der Schritt ins Berufsleben bereits getan. Er hätte hier eine Zukunft. Er. Zachary Sawyer. Eine Zukunft nach sieben Jahren an diesem Ort.
Als wir zuhause ankommen, ist das Haus in einen Pizzaduft gehüllt. Zachary, dem ich noch auf dem Parkplatz das Bild gezeigt habe, staunt nicht schlecht als wir in die Küche treten und Bayan gerade dabei ist, den Tisch zu decken. „Wunderschönen guten Abend und willkommen in unserem Restaurant." Witzelt Ethan, nimmt die Schürze ab und hilft Cash dabei, auch seine zu entknoten. „Womit haben wir das denn verdient?" Frage ich und schaue irritiert in die Runde als sowohl die Jungs als auch Zachary plötzlich betreten an mir vorbeischauen. Als Joshua und Jayden gleich darauf die Treppe hinunter gelaufen kommen lasse ich meine Beobachtung aber unkommentiert und nehme den Kuss, den Joshua mir auf die Wange haucht etwas überfordert auf mich wirken. Er scheint einen guten Tag gehabt zu haben. Ob er noch einmal über all das nachgedacht und sich seinen Emotionen gegenüber distanziert hat? Ich schüttle die Gedanken ab, lasse mich von Bayan zu meinem Platz führen und schmunzle über die selbst gebastelte Karte. Ethan ist wirklich ein Clown. Seine Ideen haben schon immer alle zum Lachen gebracht und heute kann ich genau das gebrauchen. Einen fantasiereichen Abend mit selbstgemachter Pizza.
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The Alpha And Me -Death Note-
Lupi mannariViele Jahre sind vergangen, seit Cash und Zachary das Rudel verlassen haben. Jeder Einzelne geht anders mit den Ereignissen der Vergangenheit um, was an dem einen oder anderen nicht spurlos vorbei geht. Vor allem nicht dann, wenn die Vergangenheit...