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In der Zwischenzeit haben sich Cash und Zachary auf der Veranda eingefunden und beobachten den tobenden Joshua aus sicherer Entfernung, wie dieser auf uns zu stapft. Wir bleiben auf einem der Palettenstapel stehen und ich versuche eilig eins und eins zusammenzuzählen. Als Jayden gleich darauf auf die Bildfläche tritt, brauche ich keine weiteren Rückschlüsse ziehen. Ich hätte es wissen müssen. Wenn er jemandem keine Frage unbeantwortet lässt und ohne auch nur zu zögern für jemanden von einer Klippe springt, dann handelt es sich um seinen besten Freund. „Ich habe Jayden von dem Telefonat erzählt." Flüstere ich Bayan zu, der bereits die Fäuste ballt und sich der Diskussion stoisch entgegenstellt. Ich springe hinunter, um Joshua auf Augenhöhe zu begegnen und die Situation zu entschärfen. Das ist eben das, was ich immer tue. Mich zwischen streitende Wölfe werfen und davon überzeugt sein, es zu überstehen. „Du hast ihm hoffentlich die Leviten gelesen und wochenlang Hausarrest erteilt." Knurrt er mir entgegen, während er zu Bayan hinaufsieht, der ihm ebenfalls ein tiefes Knurren schenkt. Das habe ich nicht vermisst. Die wölfischen, völlig überzogenen, Streitigkeiten meine ich. Andererseits ist auch das nur ein Zeugnis von dem, was in ihnen seit Wochen schlummert. Es war bisher ohnehin viel zu ruhig dafür, dass ausgerechnet Zachary zurückgekehrt ist. „Können wir uns erstmal beruhigen, bevor wir darüber sprechen?" Bitte ich und schaue Joshua eindringlich an, der längst in seiner eigenen Welt, um die nachfolgenden Gewaltakte pokert. „Du hast nichts getan, stimmts? Warst du nicht diejenige, die diese Wölfchen mit Todessehnsucht aufgenommen hat? Dann übernimm wenigstens Verantwortung für ihr Handeln!" Wutschnaubend bleibt er vor mir stehen. Mir entkommt nichts weiter als ein Augenrollen. Ich habe solche hitzigen Auseinandersetzungen mehr als satt. Das hat keiner von uns beiden nötig und doch bedient er sich an dieser längst geschlossenen Schublade. „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?" Brüllt er zu Bayan hinauf und lässt mich genauso schnell wieder außer Acht, wie er sich mir gewidmet hat. Verärgert stehe ich da und frage mich, wie ich hier schon wieder gelandet bin. Das Gespräch war mehr als erfolgsversprechend und nun räumt ein hitzköpfiger Wolf all das wieder beiseite. „Dir gegenüber? Nichts." Knurrt Bayan aus tiefster Kehle und lässt noch immer keinen Zweifel daran zurück, dass er sich dieser Auseinandersetzung stellt. Mit allem, was sie zu bieten hat. „Er hat nichts getan!" Mischt nun Cash sich ein, dessen Bewegung ich bisher gar nicht wahrgenommen habe. Ihn trennen nur noch wenige Meter von Joshua, der sich gleich darauf umdreht und ihn bloß belächelt. „Dass du das sagst, wundert mich nicht. Für dich ist selbst Mord gerechtfertigt, nicht?" Entsetzt schaue ich hin und her und versuche irgendetwas einzubringen, was die Gemüter abkühlt. Mir fällt nur nichts passendes ein. „Das, was er getan hat, rechtfertigt nicht dein Verhalten." Entgegnet Cash kalt und entlockt mir ein Nicken, das nicht unweit von einer großen Portion Stolz entfernt ist. Er ist eben doch älter geworden. Was Joshua ihm gegenüber äußert, bekomme ich nicht mit, da Bayan im selben Moment von den Paletten springt und sich alle Augenpaare wieder auf ihn zentrieren. „Was willst du jetzt tun? Dein wölfisches Erbe darbringen und mich durch die Wälder jagen?" Ich hole Luft, verabschiede mich von einem geeigneten Plan und will Bayan gerade am Hoodie greifen und zurückweisen, da macht Ethan mit mir dasselbe und ich stolpere einige Schritte zurück. „Was ist hier denn los?" Fragt er leise und ich erspare ihm Einzelheiten, die ohnehin keinen Platz gefunden hätten. Schließlich widmet Joshua sich längst wieder dem Teenager und Ethan hindert mich mit einem mahnenden Blick daran, einzugreifen. „Denk daran, dass sie Wölfe sind. Er muss lernen, sich auseinanderzusetzen." Flüstert er mir zu, entlässt mich jedoch trotz meiner Zustimmung nicht aus seinem Griff. Er kennt mich zu gut. „Wie wäre es damit, dass du dich deiner Schuld bekennst und dich bei deinem Lehrer entschuldigst?" Knurrt Joshua seinem Gegenüber entgegen und ich beobachte das Geschehen nur äußerst ungern aus der dritten Reihe. „Niemals." Gibt Bayan zurück und hält dem drohenden Blick von Joshua auch noch stand als dieser direkt vor ihm steht. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, da hält Ethan ihn mir bereits zu. „Lass ihn erwachsen werden." Zischt er unmissverständlich und ich gebe seufzend mein Einverständnis. „Lauf." Ich erschaudere. Unangenehme Erinnerungen werden wach und ich halte die Luft an, während sich dieses Wort in meine Knochen bohrt. Bayan folgt der Forderung und verwandelt sich. Ohne sich jedoch auf die Flucht zu begeben. „Lauf!" Seine Stimme wird lauter, energischer, gewaltbereiter. Nun bin ich es, die sich an Ethan festhält. Bevor jedoch etwas passieren kann, ist Zachary bereits zur Stelle und drängt sich dazwischen. „Gewalt ist nie die Antwort!" Knurrt er eindringlich und versperrt seinem Gegenüber den Weg auch als der sich an ihm vorbeizudrängeln versucht. „Das sagst gerade du? Dass ich nicht lache!" Höhnisch lachend schüttelt Joshua den Kopf. Doch Zachary lässt sich gar nicht auf diese flache Argumentation ein und bleibt ähnlich ruhig, wie Cash zuvor. „Dann mach es besser als ich." Ich hole tief Luft und beobachte Bayan dabei, wie er sich Schritt für Schritt aus der Schussbahn bewegt und streiche ihm erleichtert über das Fell als er sich neben mich stellt und die Beiden wohl konfliktbereitesten Wölfe dieses Rudels beobachtet. Mein Blick schweift über den Hof. Ich kann Cash nirgendwo entdecken. Ich traue mich nicht hinzusehen, doch wegschauen fällt mir noch schwerer. Ethans Hände weilen auf meinen Schultern, die sich längst an meine verkrampfte Körperhaltung angepasst haben. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, wovor ich mich fürchte, stehe ich da und verfolge jede noch so kleine Bewegung. Ich versuche ihnen einen Schritt voraus zu sein. „Dein Mädchen, ich verstehe schon." Brummt Zachary und wirft nicht nur mich mit dieser Aussage aus der Bahn. Ich habe in keinsterweise einen Anteil an der ursprünglichen Thematik ausgemacht. Warum also bezieht er sich nun ausgerechnet auf mich? „Wirklich, ich verstehe dich. Sie hat etwas an sich." Seine Stimme klingt gefasst. Beinahe schon zu emotionslos, nach meinem Geschmack. Er wird sich doch nicht auf eine gewalttätige Auseinandersetzung einlassen, oder doch? Naheliegen würde es ihm. „Was ich nicht verstehe, ist, dass du dich seit Jahren für etwas aufopferst, was von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Ich meine, bevor ich gegangen bin, hat sie sich nicht von mir lösen können. Egal wie sehr sie es wollte. Sie konnte nicht. Glaubst du wirklich, dass sich das geändert hat?" Ich balle die Hände zu Fäusten und möchte einen Schritt vor gehen, doch Ethan lässt mich nicht. Sogar Bayan stößt mich unsanft mit seinem Kopf an und hindert mich am Gehen. Ich hätte es wissen müssen. Dass sie sich auf solch ein Niveau begeben. Wie kleine Jungs zu streiten beginnen. Joshua schweigt, doch die lodernden Flammen in seinen Augen sprechen Bände. Er wägt ab. Überlegt, ob und wie dieser Konflikt ausgetragen werden sollte, um den größten Mehrwert herauszuschlagen. Erstaunt über seine Ruhe in diesem Moment, beobachte ich das Spektakel mit deutlich weniger Sorge als noch wenige Sekunden zuvor. „Sage ich doch. Manche Konflikte muss man gewähren." Flüstert Ethan mir zu, doch ich schenke ihm nicht weiter Beachtung. Meine Aufmerksamkeit gilt ganz Joshua, der noch immer wie eine Statue dasteht und zu überlegen scheint. Er ist schon lange nicht mehr darauf aus Zachary irgendeinen Rang abzulaufen oder seinen Frust an ihm auszulassen. Auch wenn er vielleicht nicht viel reifer und erwachsener wirkt, so haben ihn die Erfahrungen der letzten Jahre doch weitaus mehr geprägt als man zuerst glauben mag. Als ich habe glauben können. Er lässt sich nicht mehr auf die belanglosen Diskussionen ein. Er ist für das Wesentliche zurückgekommen. „Du kannst dich nicht zwischen Mates drängen. Egal wie sehr du es auch versuchst." Das gierige Lächeln, welches sich auf seinen Lippen abzeichnet, kreiert die perfekte Einladung für eine Ohrfeige. Doch auch jetzt bleibt Joshua verhältnismäßig ruhig. Außer ein drohendes Knurren lässt er keine Reaktion hervor scheinen. Ich hingegen knurre frustriert in mich hinein und bohre meine Fingernägel in die Handinnenflächen. Wie können sich zwei Individuen so sehr verabscheuen? Ethan war immer fest davon überzeugt, es liegt an ihrer unabdingbaren Ähnlichkeit. Sie begegnen sich auf Augenhöhe, ob sie wollen oder nicht. Ebenbürtig war Zachary aus dem Rudel nur er. „Und das obwohl du es die ganze Zeit gewusst hast." Das raue Lachen von Zachary erklingt und ist verstummt noch bevor ich Joshuas zuckende Handbewegung deuten kann. Ich weiche erschrocken einen Schritt zurück, als Zachary sich an die Wange fasst und bevor er etwas erwidern kann einen weiteren Schlag entgegennimmt. „Lass mich das machen." Ermahnt Ethan mich und ich wundere mich einen Augenblick darüber, dass er nun doch glaubt, ich würde mich dadurch zurückhalten lassen. Ganz im Gegenteil. Bevor er bei den beiden angekommen ist, habe ich die Zwei bereits erreicht und versuche mich dazwischen zu drängen. Knurrend halten sie sich an den Kragen ihrer Hoodies fest. Erst als der Blonde Joshua zurück schubst und dieser kurz taumelt, schaffe ich es, mich vor ihn zu stellen. „Warum bist du so? Warum musst du immer alles kaputt machen?" Keife ich Zachary an und schubse ihn mit aller Kraft zurück. Er tritt zwar einen Schritt zurück, doch das lediglich aus Anstand. Egal wie sehr ich mich anstrengen würde, er ist mir um Längen körperlich überlegen. „Er hat doch Recht." Brummt Joshua verbittert und als ich mich zu ihm umdrehe, wirft er mir bloß einen leeren Blick zu, bevor er mich stehen lässt und im Wohnhaus verschwindet.

Knurrend fahre ich mir durch die Haare und fluche vor mich hin. Das hat ja mal wieder phänomenal geklappt. Doch im Gegensatz zu mir scheint keiner der Anwesenden unzufrieden mit dem Ausgang dieser Situation zu sein. Im Gegenteil, Ethan klopft Zachary sogar anerkennend auf die Schulter und Jayden, der noch immer einen gewissen Sicherheitsabstand einhält, nickt auch zuversichtlich. „Lebe ich in einem anderen Film als ihr oder was gibt es zu feiern?" Verärgert schaue ich zwischen den Männern hin und her. „Ausgesprochene Konflikte. Was sonst?" Erklärt Jayden kurzangebunden, als würde mich das in irgendeiner Hinsicht weiterbringen und macht auf dem Absatz kehrt, um ins Wohnhaus zu gehen. Eine Mischung aus Verwunderung und Zorn begegnet den noch übrig gebliebenen, die mit den Schultern zucken und in meinen Augen noch immer viel zu zufrieden wirken. „Das Ziel war es, Bayan zu schützen. Das ist mir doch gelungen, oder nicht?" Wendet sich Zachary an mich und ich schaue zu dem Blondschopf hinüber, der noch immer in seiner Wolfsgestalt verharrt und sich nach etwas umzusehen scheint. „Auf meine Kosten." Erwidere ich kleinlaut und kann den leisen Stich in meinem Herzen nicht leugnen. „Er hat nichts gesagt, was Joshua nicht ohnehin schon gedacht hat." Entgegnet nun Ethan und erhält ein zustimmendes Nicken. Ich stehe da, schaue zwischen ihnen hin und her. Öffne den Mund, um etwas zu sagen. Schließe ihn wieder, weil ich keine Worte finde und mache mich dann ohne weiteres schnellen Schrittes auf den Weg in Richtung Wohnhaus. „Es tut mir leid, Heath." Ich halte inne. Es ist ein Reflex. Habe ich mir doch damals immer nur diese Worte gewünscht und sie nie erhalten. Eine Entschuldigung. Eine aufrichtige Entschuldigung für offensichtlich falsches Verhalten und eine darauffolgende Verbesserung. „Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt haben sollte. Ich wollte seinen Fokus bloß umlenken und das schafft man am risikofreiesten, wenn man seinen wunden Punkt trifft." Ich drehe mich um. Schaue ihn an und stelle all die Fragen und Erinnerungen in meinem Kopf ab. Ich nicke ihm zu und gehe ins Haus.

The Alpha And Me -Death Note-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt