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Man sagt immer, dass die erste Liebe eines Mädchens immer der eigene Vater sein wird. Der Ritter auf dem weißen Pferd, welcher immer da ist, wenn man in Schwierigkeiten steckt. Der Fels in der Brandung.

Doch was die meisten nicht trauen auszusprechen ist, dass der eigene Vater nicht nur die größte Stärke, sondern auch die stärkste Schwäche sein kann - Und in meinem Fall ist mein Vater meiner Ansicht nach mein tiefstes Bedauern.

Ich stand an Ort und Stelle. Als wäre ich festgenagelt. Ich bewegte mich keinen Zentimeter, während ich mich in dem dunklen, herzlosen Grau der Augen Rizieros verlor. Er hatte ein gehässiges Lächeln auf den Lippen. Schien amüsiert - amüsiert über meine Reaktion auf ihn.

Ich hatte das Gefühl, die Fähigkeit zum Atmen verloren zu haben. Ich konnte die angestaute Luft in meinen Lungen weder herauspusten noch neu entfalten. Ich konnte überhaupt nichts mehr außer wie ein Eisblock dazustehen und dabei zusehen, wie sich Domenico schützend vor mich stellte.

Sein Körper war angespannt - ebenso wie meiner - wodurch sein muskulöser Körper noch etwas mehr zur Geltung kam und das weiße Hemd, welches er trug, vor Straffung zu zerreißen drohte.

Meine Gedanken kreisten unaufhörlich und doch fühlte sich mein Verstand so leer und betäubt an. Ich schob den Zettel, welcher stets in meinem Ärmel verweilte, ein Stück weiter nach oben, um meine Hände anschließend in Domenicos Hüften zu krallen und mich hinter seiner Statur zu verstecken.

,,Du hast doch nicht etwa Angst vor Deinem eigenen Vater? Oder il mio piccolo gioiello?", fragte er empört und umfasste mit seiner halbwegs freien Hand grinsend auf Dimitrios Herz. ,,Das verletzt mich zutiefst."

Vater - Dios, klang diese Bezeichnung falsch.

,,Was willst du, Riziero?", presste Domenico unter zusammengepressten Zähnen hervor und griff mit seiner rechten Hand nach der Meinen. Unsere Finger verschlungen sich automatisch miteinander.

,,Was ich will?", lachte dieser höhnisch auf. ,,Meine Tochter will ich oder was hast du gedacht?"

,,Tja, man kann wohl nicht immer alles im Leben haben, nicht wahr?"

Domenicos rhetorische Frage hing einen Moment lang nur in dem Raum, in welchem wir uns befanden. Doch nach einiger Zeit stellte ich fest, dass Domenico seine rechte Hand aus meiner befreite und mir eine Zahl mit seinen Fingern zeigte.

3.

,,Oh doch. Wenn ich mir nehme, was ich will und was mir zusteht, kann ich das.", knurrte Riziero ihm wütend entgegen und drückte die Waffe fester gegen die Schläfe von Domenicos Onkel.

Sofort bildeten sich Domenicos Lippen zu einer schmalen Linie. Kein Wort verließ mehr seinen Mund, ehe er die Waffe in seiner linken Hand in seine rechte umpositionierte und mir nun mit seiner freien linken Hand eine weitere Zahl anzeigte.

1.

Ich hatte keine Ahnung, was er mir damit sagen wollte. Und außerdem war ich gerade zu sehr damit beschäftigt, um unser aller Leben zu fürchten, als dass ich jetzt darüber grübeln könnte.

,,Wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst, wirst du darum betteln, den Tod als Erlösung deiner Folterung zu bekommen."

Riziero legte den Kopf in den Nacken, während ihm dabei ein kehliges Lachen entfloh. Er schien belustigt von der Vorstellung zu sein, Qualen zu durchleiden. Und genau das brachte mich wieder dazu zu bezweifeln, wie dieser Mann mein Erzeuger sein konnte.

Werde ich irgendwann auch wie er? Werde ich Menschen auf die grausamste Weise weh tun, nur weil ich das Blut dieses Menschen in meinen Adern fließen hatte. Oder wird anderen Menschen durch meine egoistische Entscheidung wehgetan?

Sei mia, bellezza, per sempreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt