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Die Zeit verging wie im Flug, während ich in Santinos Büro verweilte und auf Domenicos Erscheinen wartete.

Doch nichts passierte.

Nachdem mein Blick ein letztes Mal in Richtung Tür fiel, welche stets geschlossen blieb, begann ich damit hin und her zu laufen, meine Fingerspitzen über das dunkle Holz von Santinos Schreibtisch streichen zu lassen und meine Gedanken zu meinem ersten Besuch hier zu sortieren.

Santino erfüllte mir an diesem Tag meinen zu der Zeit größten Wunsch. Ohne Fragen zu stellen. Ohne misstrauisch zu sein. Ohne mich zu kontrollieren. Er tat es einfach.

Er ließ mich mit meiner Mutter sprechen.

Sofort als ich von diesem Geschehnis eingeholt wurde, blickte ich erneut auf das dunkle Holz, um genau das Telefon wiederzuerkennen, mit welchem er mich telefonieren ließ.

Und für einen einzigen, klitzekleinen Moment dachte ich darüber, nach mir einfach das schwarz lackierte Gerät zu schnappen, die Nummer meiner Eltern herauszusuchen und diese anzurufen. Als mich mein Verstand jedoch in meinem nächsten Atemzug dazu überreden wollte, diesen Plan in die Tat umzusetzen, hörte ich, wie sich eine Tür mit einem Knarzen zu meiner Linken öffnete.

Daraufhin schoss mein Blick sofort in die Richtung, aus welcher ich das Geräusch wahrnahm, und auch meine Hände schnellten zurück zur Seite meines Körpers. Und als ich anschließend nach einem kurzen Moment des Wartens Giovannis Gestalt sah, welche hinter der Tür hervorkam, stieß ich einen erleichterten Luftstoß aus.

,,Signora Romano.", sprach der Italiener mich an, während er freundlich nickte.

,,Giovanni.", begrüßte ich ihn ebenso mit einer Kopfbewegung, ehe ich zu einer Frage ansetzte. ,,Was machst du hier? Solltest du nicht unten sein?"

Ich runzelte verwirrt die Stirn, da Santino mir bei unserem ersten Besuch hier erklärte, dass er einer der Wachleute des Clubs sei. Und genau aus diesem Grund wunderte ich mich, was er in der Nähe von Santinos Büro zu suchen hatte.

,,Normalerweise schon, aber Signor Salvatore hat mir aufgetragen, sie hier oben in Empfang zu nehmen.", erklärte er mir und mit jedem weiteren Wort kam sein italienischer Akzent immer stärker zur Deutung.

,,Signor... wer?"

,,Signor Salvatore. Ihre heutige Begleitung.", machte mir Giovanni klar und erst dann begriff ich, von wem wir gerade sprachen.

Salvatore. Domenico Salvatore.

,,Ach du redest von Domenico?", fragte ich, woraufhin er verstummte und mir nur einen entschuldigenden Ausdruck zuwarf. Es war scheinbar nicht erwünscht, die Männer der Mafia mit deren Vornamen anzusprechen - egal welche Beziehung man zu diesen seit Jahren pflegte. ,,Verstehe schon."

Er schenkte mir auf mein Verständnis hin ein dankbares Lächeln, ehe er die Tür nun ganz öffnete und mir mit einer Handgeste zeigte, dass ich eintreten soll.

Wie konnte es sein, dass ich diesen Raum beim ersten Mal nicht gesehen hatte?

Langsam setzte ich also einen Schritt vor den anderen, bis ich noch einen kurzen zögernden Moment vor der Tür verweilte und tief atmend auf meine Füße herunterstarrte.

Was würde sich hinter dieser Tür befinden? Würde es für mich ein weiteres Tor in Richtung Hölle bedeuten oder machte ich mir einfach zu viele Gedanken, welche mich in den Wahnsinn treiben wollten?

Ich füllte meine Lungen ein letztes Mal tief mit Luft und sah nach einem Moment des Weitergehens meine Schuhspitzen, welche über die Türschwelle traten. Und erst dann hob ich meinen Kopf wieder an.

Sei mia, bellezza, per sempreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt